Deut­scher Slang à la 1892 (38)

Das Vor­wort zu Arnold Gen­thes, Deut­sches Slang habe ich bereits hier vor­ge­stellt., und wir sind nun bald am Ende des Bänd­chens. Inter­es­sant ist, dass Gen­the 1892 kaum etwas – sei es ein Wort, sei es eine Wen­dung – bringt, das wir nicht heu­te als soli­des Umgangs­deutsch bezeich­nen wür­den, das es damals aus diver­sen Grün­den noch nicht gab, Gen­the aber letzt­lich zu beschrei­ben oder ein­zu­füh­ren ver­sucht. Eini­ge weni­ge sei­ner Ein­trä­ge sind ver­schwun­den oder womög­lich in dem Dia­lekt ver­blie­ben, aus dem sie wohl kamen, und wie­der­um eini­ge davon soll­te es noch geben …

70 ver­tu­schen — wanzen.

ver­tu­schen, v. tr., eine Ange­le­gen­heit durch Schwei­gen ver­ges­sen zu machen suchen. 

ver­ul­ken, v. tr., jem. ver­höh­nen, durch Spöt­te­rei­en lächer­lich machen (s. Ulk).

ver­wich­sen, v. tr., jem. durch­prü­geln (s. Wichse). 

ver­zap­fen, v. tr., gewäh­ren, ver­ab­rei­chen (von allen mög­li­chen Din­gen) z. B.: Musik wird nicht mehr ver­zapft = es wird nichts mehr gespielt. Du willst Geld haben? — „wird nicht mehr verzapft“. 

Das DWDS bestä­tigt mei­ne Ver­mu­tung, dass heu­te weder Musik noch Geld, son­dern nur noch Unsinn ver­zapft wird:

salopp etw. Törich­tes tun, beson­ders etw. reden, schrei­ben, das Kri­tik, Spott oder Hei­ter­keit auslöst

Bei­spie­le: er ver­zapft stets die alten Wit­ze / wer hat die­ses Gedicht ver­zapft?/ Blöd­sinn ver­zap­fen / Dumm­hei­ten, Unfug ver­zap­fen

Visa­ge, f., Gesicht (ver­ächt­lich).

Vogel, m., Red.: einen Vogel haben — ver­rückt, über­spannt sein. 

voll­ge­propft, part., mit Men­schen überfüllt. 

voll­ma­chen, v. refl., sich ver­un­rei­ni­gen, sich die Klei­der beschmut­zen, z. B. bei Regenwetter. 

voll­pfrop­fen, v. refl., sich voll essen. 

Fol­gen­des Verb war mir bis­lang nicht geläu­fig, gefällt mir aber recht gut: 

vor­bei­ge­lin­gen, v. int., miß­lin­gen, nicht gelingen. 

vor­beigelin­gen, mis­lin­gen, neue scherz­haf­te bil­dung d. rich­ti­ge Ber­li­ner 148a; Mül­ler-Frau­reuth 2, 627b.1

Bei­spie­le füh­ren die Grimms kei­ne an, dafür hat aber das DWDS eines: »Seit dem Dürer‑Jubiläum gras­siert die schö­ne Unsit­te der orga­ni­sier­ten Künstler‑Hommage, die manch­mal gelingt und häu­fig vor­bei­ge­lingt. [Die Zeit, 04.07.1975, Nr. 28]«

vor­flun­kern, v. tr., jem. etw., ihm etw. vorlügen. 

vor­kom­men, v. int., Red.: bei einem mit vor­kom­men = ihn gele­gent­lich besu­chen; ich wer­de nächs­tens mal bei Ihnen mit vorkommen. 

vor­krie­gen / vor­neh­men, v. tr., jen. zur Rede stel­len, ihm in’s Gewis­sen reden. 

wab­be­lig, a., 1. von Spei­sen, flau, wider­lich weich, unge­würzt; 2. von Fett zit­ternd (bei Erschüt­te­rung), schlod­de­rig. weich, schlapp. 

wab­beln, v. int., schlot­tern, zit­tern, von wei­chen, fet­ten Körpern. 

wäl­zen, v. tr., Red.: es ist zum wäl­zen = zum krank lachen; sich vor Lachen wäl­zen = über­mä­ßig lachen. 

wan­zen, v. int., als Über­zäh­li­ger beim Kar­ten­spie­le sit­zen; auch von ande­ren Gele­gen­hei­ten gebraucht, wo man als unt­hä­ti­ger, unbe­fug­ter Zuschau­er fungiert.

Wasch­lap­pen — Wupp­dich. 71

Wasch­lap­pen, m., ener­gie­lo­ser Mensch. 

Wasch­weib, n, schwatz­haf­tes Frauenzimmer. 

Was­tel, m., Schimpf­wort, gewöhn­lich in gut­mü­ti­gem Sinn, wie: Kerl. 

weg, adv., 1. etw. weg haben = etw. begrif­fen haben, etw. gründ­lich ver­ste­hen; 2. etw. weg bekom­men haben = Scha­den genom­men haben, z. B.: sich eine Erkäl­tung zuge­zo­gen haben; s. weg sein = hin­ge­riſſen, ent­zückt sein: er war ganz weg, als er sie sah; 4. in einem weg = in einem fort, fortwährend. 

weiß, a., Red.: jem. etw. weiß machen = ihm etw. vorlügen. 

Welt­ge­schich­te, f., Red.: da hört doch die Welt­ge­schich­te auf Aus­druck des Erstau­nens) = das iſt unglaublich! 

Wich­se, pl., Schlä­ge, Hie­be, Prü­gel, ſ. ver­wich­sen, v. tr. 

Wickel, m., Red.: jem. beim Wickel krie­gen (ihm am Genick fas­sen) zur Rede stellen. 

Wim­mer­holz, n., Gui­tar­re, Zither. 

Wind­beu­tel, m., I. Gebäck mit Schla­gſah­ne; 2. leicht­sin­ni­ger über­mü­ti­ger Mensch. 

win­dig, a., (von Men­schen), unzuverlässig. 

Wipp­chen, pl., Red.: jem. Wipp­chen vor­ma­chen = Vor­spie­ge­lun­gen, Aus­flüch­te, nichts­sa­gen­de Aus­re­den machen. 

Der Grimm weiß zu »Wipp­chen«:

wipp­chen, n., demi­nu­tiv­bil­dung zu wipf, m. ’sprung’; md. als wipp­chen, nd. als wipp­ken geläu­fig, auch umgangs­sprach­lich ver­brei­tet; ursprüng­lich wohl der sprung, das kunst­stück des seil­tän­zers, vgl. wepha­re his­trio Not­ker ps. 39, 6, dann all­ge­mei­ner als ‘pos­sen­haf­te bewe­gung, gebär­de, streich’, vgl. so wip­jen Lie­sen­berg Stie­ger ma. 220; beson­ders ‘gau­ke­lei, fal­sche vor­spie­ge­lung, flau­se, fin­te, täu­schung, aus­flucht, lee­re aus­re­de’, vgl. Doorn­kaat-Kool­man 3, 558, Mi meck­lenb. 107b, Dann­eil alt­märk. 251 (wupp­ken), Bren­di­cke Berl. 193, Jecht Mans­feld. 125, Keh­r­ein Nass. 447 u. s. w.; meist in ver­bin­dun­gen wie wipp­chen vor­ma­chen, vgl. Klee­mann nord­thür. 25, Hentrich Eichsf. 29, Albrecht Leipz. 237, Rother schles. spr. 393b; wipp­chen machen, vgl. Mül­ler-Frau­reuth 2, 670; wipp­chen schla­gen Cre­ce­li­us ober­hess. 918; blas­ser auch ‘pos­se, scherz’, vgl. Fre­de­r­king Hah­len 35, Block Eils­dorf 101, Woes­te westf. 326, Scham­bach 300, Her­tel Thür. 258, Roven­ha­gen Aach. 163; ‘zote, dum­mes zeug’ Frisch­bier preusz. wb. 2, 473; im kauf­männ. jar­gon für den ‘wech­sel’ Elberf. ma. 176; lite­ra­risch sel­ten: das alte män­nel da, das klei­ne, das sich bei­nah tot schleppt? macht mir kei­ne wipp­chen vor! O. Lud­wig ges. schr. 2, 485; ein for­scher kerl läszt sich kei­ne wipp­chen anma­chen grenz­bo­te (1846) 474.

wis­pern, v. int., flüstern. 

Wohl­ge­fal­len, n., Red.: sich in Wohl­ge­fal­len auf­lö­sen, scherz­haft für: sich auflösen. 

wohl­ha­bend, a., (von Sachen), vor­nehm, nobel, z. B.: dein neu­er Man­tel macht einen sehr wohl­ha­ben­den Eindruck. 

Wol­ken­schie­ber, m., 1. Müt­ze mit brei­tem Schirm; 2. Schnaps. 

woso? Red., scherz­haft für: wieso? 

Wupp­dich, Red.: in einem Wupp­dich – in einem Nu, (zur Bezeich­nung der Schnel­lig­keit, mit der eine Bewe­gung aus­ge­führt wird). 

Fort­set­zung hier 

  1. Deut­sches Wör­ter­buch von Jacob Grimm und Wil­helm Grimm []
SlangGuy

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