Categories: Trump-Lexikon

Das Trump-Wör­ter­buch #44: Mili­tär­ge­rich­te für die »Fein­de der Demokratie«

Donald Trump don­nert wie ein füh­rer­lo­ser Zug unter Voll­dampf sei­ner zwei­ten Amts­zeit ent­ge­gen. Und wäh­rend die ande­re Sei­te offen­bar nur noch die sterb­li­chen Über­res­te eines Kan­di­da­ten auf einer Drai­si­ne im Ren­nen hat, greift Trump links und rechts eine abge­dreh­te Idee nach der ande­ren auf, die ihm der Mob sei­ner durch­ge­knall­ten Fans als Brenn­ma­te­ri­al auf den Ten­der schmeißt. Die jüngs­te davon sind Mili­tär­ge­rich­te für alle die, die er als »Fein­de der Demo­kra­tie« aus dem Weg geräumt sehen möch­te. Allein die Vor­stel­lung die­ser Mög­lich­keit will uns hier nicht in den Sinn. Aber falls das immer noch nicht durch­ge­si­ckert sein soll­te: Wenn er gewählt wird, kann und wird er einen Weg fin­den. Und was immer das sein soll­te, er wird dadurch nach dem SCO­TUS-Urteil nicht gerichts­mas­sig, wie das bei uns Bay­ern heißt.

Sie haben es gehört, kaum haben Trumps Lakai­en am Obers­ten US-Gerichts­hof ihrem Kult­chef könig­li­che Car­te blan­che erteilt, schon malt er uns prah­lend – er kann nun mal nicht anders – die Erfül­lung sei­ner feuch­ten Träu­me aus: Gefäng­nis und Mili­tär­tri­bu­na­le für die Fein­de der Demo­kra­tie. Die Fein­de der Demo­kra­tie? Nun, da gucken Sie viel­leicht bes­ser noch mal in das küchen­psy­cho­lo­gi­sche Kapi­tel über Pro­jek­ti­on hier im Blog. Sie wer­den schnell ver­ste­hen, wie jemand, der sei­ne Dik­ta­tur x‑mal ange­kün­digt hat, von »Fein­den der Demo­kra­tie« spre­chen kann. Aber wir dürf­ten uns auch so einig sein, dass er damit jeden meint, der ihm irgend­wann mal in die Que­re kam oder sonst wie miss­lie­big ist oder ihm ein­fach nicht tief genug in den Arsch kriecht. Was ist passiert?

Nun, wie wir im letz­ten Kapi­tel gese­hen haben, hat der Obers­te Gerichts­hof Donald Trump nicht nur eine, son­dern gleich zwei Arten von prä­si­dia­ler Immu­ni­tät zuge­spro­chen: zum einen abso­lu­te prä­si­dia­le Immu­ni­tät für Hand­lun­gen, die zu sei­nen ver­fas­sungs­mä­ßi­gen Kern­be­fug­nis­sen gehö­ren; nie­mand kann hin­ter­fra­gen, geschwei­ge denn unter­su­chen, ob die Moti­va­ti­on hin­ter die­sem Han­deln recht­mä­ßig oder unrecht­mä­ßig war; zum ande­ren gilt eine »prä­sum­ti­ve«, das heißt als wahr­schein­lich ange­nom­me­ne Immu­ni­tät für alles, was er so macht, was nicht unbe­dingt zum Kern­be­reich sei­ner ver­fas­sungs­mä­ßi­gen Befug­nis­se gehört.1 Sehen wir, wie es ist, wir kön­nen das dre­hen und wen­den, wie wir wol­len, der ame­ri­ka­ni­sche Prä­si­dent kann künf­tig tun und las­sen, was er will.

Wenn Trump also her­geht und, wie die New York Times berich­tet,2 und erneut über die Ver­fol­gung sei­ner poli­ti­schen Geg­ner schwa­dro­niert, dann ist das ernst zu neh­men. So ruft er durch Über­nah­me der Pos­tings ande­rer Fana­ti­ker zur Inhaf­tie­rung Prä­si­dent Bidens und sei­ner Vize­prä­si­den­tin Kama­la Har­ris, der Sena­to­ren Mitch McCon­nell und Chuck Schu­mer sowie sei­ne eige­nen ehe­ma­li­gen Vizes Mike Pence und ande­rer bekann­ter Poli­ti­ker auf. Und in einer ganz neu­en Idee, die ihm ein ande­rer sei­ner Fans sug­ge­riert hat, for­dert er, Liz Che­ney, die ehe­ma­li­ge repu­bli­ka­ni­sche Kon­gress­ab­ge­ord­ne­te für Wyo­ming, die ihn zu kri­ti­sie­ren wagt, vor ein Mili­tär­tri­bu­nal zu stel­len: »Eliza­beth Lyn­ne Che­ney ist des Lan­des­ver­rat schul­dig. Retruth, falls ihr im Fern­se­hen über­tra­ge­ne Mili­tär­tri­bu­na­le wollt.«

Was immer von die­sem Mann kommt, man fragt sich längst nicht mehr: »Geht’s noch?« (Was mit die Tra­gik an der gan­zen Geschich­te ist, weil man sich an alles gewöhnt und damit hat zur Nor­ma­li­tät wer­den las­sen.) Wie gesagt, er hat das aus­nahms­wei­se mal nicht selbst erfun­den, son­dern fand nur die Idee an sich super. Und weiß natür­lich, wie so gut wie immer, nicht ein­mal, was ein Mili­tär­tri­bu­nal ist. Aber er kann sich das eben gut vor­stel­len, dass da Leu­te in Uni­form (den­ken wir an die Mili­tär­pa­ra­den à la Chi­na, die er sich für Washing­ton aus­ge­malt hat­te) sei­ne Fein­de abur­tei­len und, womög­lich spielt da in sei­ner blü­hen­den Phan­ta­sie auch noch das Stand­ge­richt mit rein, an die Wand stel­len. Aber egal wie schwach­sin­nig und unge­reimt das alles sein mag, hier blit­zen nicht nur sei­ne per­ver­sen Rache­phan­ta­sien durch, mit dem Immu­ni­täts­ur­teil könn­te er das dann auch tat­säch­lich tun. Und den­ken Sie an die War­nung sei­nes Ghost­wri­ters Tony Schwartz zurück: Was immer der Mann an Posi­ti­vem sagt, ich zitie­re mal frei, glaubt ihm kein Wort, aber wenn er etwas Nega­ti­ves sagt, dann nehmt euch in acht. Er meint das näm­lich auch so. Der Mann ist ein Psychopath.

Es hat wenig Sinn, hier dar­auf hin­zu­wei­sen, dass Leu­te wie Liz Che­ney oder Adam Kin­zin­ger, bei­de repu­bli­ka­ni­sche Abge­ord­ne­te, mehr als nur ihren Sitz im Kon­gress auf­ge­ge­ben haben, um die ame­ri­ka­ni­sche Demo­kra­tie zu wah­ren. Dass man Trump jetzt tat­säch­lich die Macht in die Hand gege­ben hat, sich an die­sen Men­schen zu rächen, ist so unvor­stell­bar wie wahr. Gesetz­lo­sig­keit wur­de am 1. Juli, drei Tage vor dem Unab­hän­gig­keits­tag, für recht­mä­ßig erklärt.

Sehen Sie sich bit­te noch­mal das Kapi­tel über das Pro­ject 2025 an, um zu sehen, was in den ers­ten hun­dert Tagen von Trumps zwei­ter Amts­zeit pas­sie­ren soll. Es wird im Staat schlicht nie­man­den mehr geben, der ihm und sei­nem Per­ver­sen­mob Paro­li bie­ten wird.

Die Fra­ge, die sich ange­sichts der Situa­ti­on auf­drängt ist fol­gen­de: Könn­te Biden die neue Macht des Prä­si­den­ten nicht auf der Stel­le ein­set­zen, um den füh­rer­lo­sen Schwach­sinns­ex­press aus­zu­brem­sen? Joe Biden, dar­über soll­ten wir uns im Kla­ren sein, hat die­se unbe­schränk­te könig­li­che Macht bereits in der Hand – noch vor Trump! 

Es ist nicht etwa an den Haa­ren her­bei­ge­zo­gen, jetzt an unse­re eige­ne Situa­ti­on sei­ner­zeit mit Hit­ler den­ken. Trumps »Bür­ger­bräu-Putsch« am 6. Janu­ar 2021 mag miss­glückt sein, aber die Lun­te wur­de nie so recht aus­ge­tre­ten, die Spreng­la­dung sowie­so nie ent­fernt. Sei­ne Anhän­ger gebär­den sich mar­tia­li­scher denn je. Der Bun­des­ge­richts­hof hat dem ame­ri­ka­ni­schen Hit­ler Tür und Tor geöff­net. Das Mani­fest in Gestalt des 876-sei­ti­gen Schin­kens mit dem Titel Pro­ject 2025 steht. Neben die­sem detail­lier­ten Fahr­plan für die ers­ten 100 Tage von Trumps nächs­ter Amts­zeit neh­men sich die Schrif­ten Mus­so­li­nis und Hit­lers wie kon­fu­se Heft­chen von ideo­lo­gi­schen Spin­nern aus. Und sei­ne mut­maß­li­chen Anlei­hen bei Hit­ler bei Hit­ler, die der poli­tisch kor­rek­ten Frak­ti­on bis­lang eher nur hier und da als unkor­rek­te sprach­li­che Ent­glei­sun­gen auf­ge­sto­ßen sind, soll­te man eben­falls erns­ter neh­men und kapie­ren, dass der Mann tat­säch­lich so denkt. Wir soll­ten uns vor Augen hal­ten, was die His­to­ri­ke­rin Ruth Ben-Ghi­at in ihrem Buch Strong­men über den Auf­stieg von Dik­ta­to­ren schreibt, dass näm­lich nicht nur Hit­ler die Tro­pe einer ster­ben­den Nati­on benutz­te und sei­ne Reden den Nie­der­gang sowie den Schmerz der Deut­schen über die Demü­ti­gung durch das Aus­land, die Angst vor den Juden und die ver­zwei­fel­te Hoff­nung auf eine bes­se­re Zukunft her­auf­be­schwo­ren,3 son­dern dass Trump, wie sei­ne ver­stor­be­ne Ex Iva­na Trump wäh­rend ihres Schei­dungs­ver­fah­rens schrieb, ger­ne Hit­lers in Reden las.4 Neh­men wir dazu sei­ne Bewun­de­rung für noch leben­de »star­ke Män­ner«, von Putin über Xi Jin­ping und Kim Jong-un bis zu Orbán, mit denen er sich zu gern in einem Satz genannt sähe, dann brau­chen wir nicht wei­ter zu über­le­gen, wie weit er bei der Durch­füh­rung sei­ner Rache­plä­ne gehen wird. 

Kurz gesagt: Trump wird die neue innen­po­li­ti­sche All­macht des US-Prä­si­den­ten für das Böse nut­zen. Und da wir nun mal in der wirk­li­chen Welt Leben, was wenn Joe Biden jetzt die­se neue Macht – viel­leicht zum Guten in Form einer Abwen­dung des dro­hen­den Bösen – nutzt? Egal, ob er als Kan­di­dat ersetzt wer­den soll­te, er ist und bleibt bis zur Wahl Prä­si­dent. Er könn­te durch­aus etwas unter­neh­men, selbst etwas Unge­setz­li­ches. Und wie wird die Geschich­te ihn beur­tei­len, wenn er das ver­säumt?5

Anmer­kun­gen

  1. Glenn Kerhs­ner, »After Supre­me Court Gives Trump Immu­ni­ty, He Endor­ses Mili­ta­ry Tri­bu­nal Pro­se­cu­ti­on for Liz Che­ney«. You­Tube, 7.7.2024. ↩︎
  2. »Trump Ampli­fies Call To Jail Top Elec­ted Offi­ci­als, Invo­kes Mili­ta­ry Tri­bu­nals«. The New York Times. 1.07.2024 ↩︎
  3. Ruth Ben-Ghi­at, Stong­men: Mus­so­li­ni to the Pre­sent. New York: W.W. Nor­ton, 2020. Sie auch: Bar­ba­ra McQua­de, Attack From Within: How Dis­in­for­ma­ti­on is Sabo­ta­ging Ame­ri­ca. New York: Seven Sto­ries Press, 2024. ↩︎
  4. Mal­colm Nan­ce und Geor­ge Con­way, Unfit (2020) Donald Trump Docu­men­ta­ry. ↩︎
  5. Glenn Kerhs­ner, »After Supre­me Court Gives Trump Immu­ni­ty, He Endor­ses Mili­ta­ry Tri­bu­nal Pro­se­cu­ti­on for Liz Che­ney«. You­Tube, 7.7.2024. ↩︎
SlangGuy

Übersetzer & Wörterbuchmacher

Recent Posts

Trump-Wör­ter­buch #81: Wahl­kampf der Milliardäre

Der Einfluss des Großen Geldes auf die Politik ist ein offenes Geheimnis. Das geht vom…

2 Monaten ago

Trump-Wör­ter­buch #80: Wie wird man Donald Trump

Wir sind bei all dem Trubel in dieser turbulenten Seifenoper von einem Wahlkampf noch gar…

2 Monaten ago

Trump-Wör­ter­buch #79: Reboot der USA als 4. Reich?

Nachdem Trumps Reden von Tag zu Tag hysterischer werden, sein hasserfülltes Gekeife von Tag zu…

2 Monaten ago

Trump-Wör­ter­buch #78: Fake Elec­tors – Die alter­na­ti­ve Wahl

Die in der US-Verfassung verankerten Wahlleute (electors) und ihre enorme Bedeutung sowie die Probleme, die…

2 Monaten ago

Trump-Wör­ter­buch #77: Abschied vom Mythos Trump

Nicht nur in den USA gibt es immer noch Leute, die Donald Trump, wenn schon…

2 Monaten ago

Trump-Wör­ter­buch #76: Hele­ne & Milton

Die Hurrikane Helene und Milton haben 2024 über 200 Menschen das Leben gekostet und Zigtausende…

2 Monaten ago