Donald Trump donnert wie ein führerloser Zug unter Volldampf seiner zweiten Amtszeit entgegen. Und während die andere Seite offenbar nur noch die sterblichen Überreste eines Kandidaten auf einer Draisine im Rennen hat, greift Trump links und rechts eine abgedrehte Idee nach der anderen auf, die ihm der Mob seiner durchgeknallten Fans als Brennmaterial auf den Tender schmeißt. Die jüngste davon sind Militärgerichte für alle die, die er als »Feinde der Demokratie« aus dem Weg geräumt sehen möchte. Allein die Vorstellung dieser Möglichkeit will uns hier nicht in den Sinn. Aber falls das immer noch nicht durchgesickert sein sollte: Wenn er gewählt wird, kann und wird er einen Weg finden. Und was immer das sein sollte, er wird dadurch nach dem SCOTUS-Urteil nicht gerichtsmassig, wie das bei uns Bayern heißt.
Sie haben es gehört, kaum haben Trumps Lakaien am Obersten US-Gerichtshof ihrem Kultchef königliche Carte blanche erteilt, schon malt er uns prahlend – er kann nun mal nicht anders – die Erfüllung seiner feuchten Träume aus: Gefängnis und Militärtribunale für die Feinde der Demokratie. Die Feinde der Demokratie? Nun, da gucken Sie vielleicht besser noch mal in das küchenpsychologische Kapitel über Projektion hier im Blog. Sie werden schnell verstehen, wie jemand, der seine Diktatur x‑mal angekündigt hat, von »Feinden der Demokratie« sprechen kann. Aber wir dürften uns auch so einig sein, dass er damit jeden meint, der ihm irgendwann mal in die Quere kam oder sonst wie missliebig ist oder ihm einfach nicht tief genug in den Arsch kriecht. Was ist passiert?
Nun, wie wir im letzten Kapitel gesehen haben, hat der Oberste Gerichtshof Donald Trump nicht nur eine, sondern gleich zwei Arten von präsidialer Immunität zugesprochen: zum einen absolute präsidiale Immunität für Handlungen, die zu seinen verfassungsmäßigen Kernbefugnissen gehören; niemand kann hinterfragen, geschweige denn untersuchen, ob die Motivation hinter diesem Handeln rechtmäßig oder unrechtmäßig war; zum anderen gilt eine »präsumtive«, das heißt als wahrscheinlich angenommene Immunität für alles, was er so macht, was nicht unbedingt zum Kernbereich seiner verfassungsmäßigen Befugnisse gehört.1 Sehen wir, wie es ist, wir können das drehen und wenden, wie wir wollen, der amerikanische Präsident kann künftig tun und lassen, was er will.
Wenn Trump also hergeht und, wie die New York Times berichtet,2 und erneut über die Verfolgung seiner politischen Gegner schwadroniert, dann ist das ernst zu nehmen. So ruft er durch Übernahme der Postings anderer Fanatiker zur Inhaftierung Präsident Bidens und seiner Vizepräsidentin Kamala Harris, der Senatoren Mitch McConnell und Chuck Schumer sowie seine eigenen ehemaligen Vizes Mike Pence und anderer bekannter Politiker auf. Und in einer ganz neuen Idee, die ihm ein anderer seiner Fans suggeriert hat, fordert er, Liz Cheney, die ehemalige republikanische Kongressabgeordnete für Wyoming, die ihn zu kritisieren wagt, vor ein Militärtribunal zu stellen: »Elizabeth Lynne Cheney ist des Landesverrat schuldig. Retruth, falls ihr im Fernsehen übertragene Militärtribunale wollt.«
Was immer von diesem Mann kommt, man fragt sich längst nicht mehr: »Geht’s noch?« (Was mit die Tragik an der ganzen Geschichte ist, weil man sich an alles gewöhnt und damit hat zur Normalität werden lassen.) Wie gesagt, er hat das ausnahmsweise mal nicht selbst erfunden, sondern fand nur die Idee an sich super. Und weiß natürlich, wie so gut wie immer, nicht einmal, was ein Militärtribunal ist. Aber er kann sich das eben gut vorstellen, dass da Leute in Uniform (denken wir an die Militärparaden à la China, die er sich für Washington ausgemalt hatte) seine Feinde aburteilen und, womöglich spielt da in seiner blühenden Phantasie auch noch das Standgericht mit rein, an die Wand stellen. Aber egal wie schwachsinnig und ungereimt das alles sein mag, hier blitzen nicht nur seine perversen Rachephantasien durch, mit dem Immunitätsurteil könnte er das dann auch tatsächlich tun. Und denken Sie an die Warnung seines Ghostwriters Tony Schwartz zurück: Was immer der Mann an Positivem sagt, ich zitiere mal frei, glaubt ihm kein Wort, aber wenn er etwas Negatives sagt, dann nehmt euch in acht. Er meint das nämlich auch so. Der Mann ist ein Psychopath.
Es hat wenig Sinn, hier darauf hinzuweisen, dass Leute wie Liz Cheney oder Adam Kinzinger, beide republikanische Abgeordnete, mehr als nur ihren Sitz im Kongress aufgegeben haben, um die amerikanische Demokratie zu wahren. Dass man Trump jetzt tatsächlich die Macht in die Hand gegeben hat, sich an diesen Menschen zu rächen, ist so unvorstellbar wie wahr. Gesetzlosigkeit wurde am 1. Juli, drei Tage vor dem Unabhängigkeitstag, für rechtmäßig erklärt.
Sehen Sie sich bitte nochmal das Kapitel über das Project 2025 an, um zu sehen, was in den ersten hundert Tagen von Trumps zweiter Amtszeit passieren soll. Es wird im Staat schlicht niemanden mehr geben, der ihm und seinem Perversenmob Paroli bieten wird.
Die Frage, die sich angesichts der Situation aufdrängt ist folgende: Könnte Biden die neue Macht des Präsidenten nicht auf der Stelle einsetzen, um den führerlosen Schwachsinnsexpress auszubremsen? Joe Biden, darüber sollten wir uns im Klaren sein, hat diese unbeschränkte königliche Macht bereits in der Hand – noch vor Trump!
Es ist nicht etwa an den Haaren herbeigezogen, jetzt an unsere eigene Situation seinerzeit mit Hitler denken. Trumps »Bürgerbräu-Putsch« am 6. Januar 2021 mag missglückt sein, aber die Lunte wurde nie so recht ausgetreten, die Sprengladung sowieso nie entfernt. Seine Anhänger gebärden sich martialischer denn je. Der Bundesgerichtshof hat dem amerikanischen Hitler Tür und Tor geöffnet. Das Manifest in Gestalt des 876-seitigen Schinkens mit dem Titel Project 2025 steht. Neben diesem detaillierten Fahrplan für die ersten 100 Tage von Trumps nächster Amtszeit nehmen sich die Schriften Mussolinis und Hitlers wie konfuse Heftchen von ideologischen Spinnern aus. Und seine mutmaßlichen Anleihen bei Hitler bei Hitler, die der politisch korrekten Fraktion bislang eher nur hier und da als unkorrekte sprachliche Entgleisungen aufgestoßen sind, sollte man ebenfalls ernster nehmen und kapieren, dass der Mann tatsächlich so denkt. Wir sollten uns vor Augen halten, was die Historikerin Ruth Ben-Ghiat in ihrem Buch Strongmen über den Aufstieg von Diktatoren schreibt, dass nämlich nicht nur Hitler die Trope einer sterbenden Nation benutzte und seine Reden den Niedergang sowie den Schmerz der Deutschen über die Demütigung durch das Ausland, die Angst vor den Juden und die verzweifelte Hoffnung auf eine bessere Zukunft heraufbeschworen,3 sondern dass Trump, wie seine verstorbene Ex Ivana Trump während ihres Scheidungsverfahrens schrieb, gerne Hitlers in Reden las.4 Nehmen wir dazu seine Bewunderung für noch lebende »starke Männer«, von Putin über Xi Jinping und Kim Jong-un bis zu Orbán, mit denen er sich zu gern in einem Satz genannt sähe, dann brauchen wir nicht weiter zu überlegen, wie weit er bei der Durchführung seiner Rachepläne gehen wird.
Kurz gesagt: Trump wird die neue innenpolitische Allmacht des US-Präsidenten für das Böse nutzen. Und da wir nun mal in der wirklichen Welt Leben, was wenn Joe Biden jetzt diese neue Macht – vielleicht zum Guten in Form einer Abwendung des drohenden Bösen – nutzt? Egal, ob er als Kandidat ersetzt werden sollte, er ist und bleibt bis zur Wahl Präsident. Er könnte durchaus etwas unternehmen, selbst etwas Ungesetzliches. Und wie wird die Geschichte ihn beurteilen, wenn er das versäumt?5
Anmerkungen
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