Wenn ich was gefressen habe, dann ist das die in ihrer Hirnlosigkeit geradezu pawlowsche Fixation auf bloße Äußerlichkeiten. So viel blinde Reflexhörigkeit finde ich so krass, wie ich sie dick habe…
Etwas »dick haben«… Auch so eine gute deutsche Wendung, die viel öfter in Übersetzungen gehörte, als sie tatsächlich Verwendung findet. Unser guter alter Grimm weiß dazu unter anderem:
dick uneigentlich und bildlich geht es über in die bedeutung von angefüllt, voll, berauscht, aufgeschwollen, drückend, lästig, wüst, verhärtet, stark.
bei unerträglichem geschwätz sagt man es wird mir dick unter den augen und bezeichnet damit den verdrusz den man empfindet.
ähnlich, ich habe es dick ich mag es nicht länger anhören.
sie singt den ganzen tag, ich habe es dick.
Auf der Basis von »der ochse hat sich dick, dick und voll, dick und satt gefressen« ist das Bild hinter »etw dick haben« nicht schwer nachzuvollziehen, ist der Schritt von »voll« oder »satt« hin zu »überdrüssig« doch relativ klein.
Interessant wird es, wenn man sich die lateinische Definition ansieht, die die Grimms – wie jahrhundertelang üblich – ihrem Eintrag beigeben:
dick, adj. und adv. crassus. ahd. diki dik, mhd. dicke dic, altsächs. thicci, altfries. thikke, ags. þicca þic, engl. thick, niederl. dik, altnord. þykr, schwed. tjok, dän. tyk, neufries. tjock. im 16ten jahrh. noch häufig dicke, fast immer bei Luther, in der spätern zeit mitunter bei Lessing und Möser. etc etc.1
»Crassus, ‑a, ‑um« haben wir mal gelernt, dick, fett, dicht. Den meisten von uns, die etwas dick haben, weil sie es krass finden, ist gar nicht klar, dass sie damit linguistisch gar nicht so weit voneinander entfernt sind:
krass, plump, grob, derb, dann arg, schrecklich, fürchterlich, nach lat. crassus, doch vermengt mit grasz, gräszlich; ein in manchen kreisen beliebtes superlativisches kraftwort, bes. studentisch (krasser fuchs, kerl), seit ende 18. jh., wol eben aus der studentensprache: du krasser philister! Körner 248b;1
Mit Sicherheit jedoch wird wohl kaum einer geahnt haben, wie alt unser augenblicklich als Slang hochmodernes »krass« in eben derselben Bedeutung schon ist.
gott sandte seinen rohen kindern
gesetz und ordnung, wissenschaft und kunst,
begabte sie mit aller himmelsgunst,
der erde krasses loos zu mindern.Göthe 3, 180;
so will man sich auch gegen den krassen neptunismus verwahren. 51, 135, den übertriebenen, gröbsten, wie krasse orthodoxie, krasser unglaube, aberglaube u. dgl.; krasse unwissenheit; pfui! indecent und krasz! Tieck 13, 290; warum will man die absolution nothwendig crasz machen? absolviren wir uns nicht selbst täglich? Niebuhr leben N. 1, 472; die krassesten gegensätze, widersprüche, grellsten, ärgsten.2
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(1) <Rw.> (zu einer bestimmten Gelegenheit) einer Sache / einer Person überdrüssig sein; in einem bestimmten Fall einen Widerwillen / eine Abneigung gegen jn / etw entwickelt haben; jm reißt der Geduldsfaden: »es jetzt aber wirklich dick haben«; »die Faxen dick[e] haben«; »«. Zitate: »Jetzt hab’ ich’s aber dick!« WWW »Langsam hab’ ich’s aber dick.« WWW »Irgendwann mit Anfang 50 hatte er es dann dick.« WWW »Ich habe die Faxen dicke mit dem Teil.« WWW Syn.: es dicke haben; etw satt haben; reichen: jetzt reicht es aber; den Kanal voll haben; die Nase [gestrichen] voll haben.
(2) <Rw.> (grundsätzlich / allgemein) einen Widerwillen / eine Abneigung gegen jn / etw haben; jn / etw grundsätzlich nicht ausstehen können: »etw / jn vielleicht dick haben«; »«; »«. Zitate: »Solche Klugscheißer habe ich echt dick!« WWW »Mensch, das hab’ ich vielleicht dick.« WWW »So kompromisslose Wikipolizei mag ich nicht sehr, wenn sie obendrein zu Editwars neigt, habe ich das dick.« WWW Syn.: abkönnen, nicht; gefressen haben; leiden können, nicht; Kieker: auf dem Kieker haben; verdauen können, nicht; nicht verknusen können; jn lieber gehen als kommen sehen.
(3) <Rw.> Viel Geld haben; über viel Geld verfügen; wohlhabend sein. Oft verneint: »es nicht so dick haben« Zitate: »seit… mein Vater die Tapeten bezahlen musste, obwohl er es doch auch nicht so dick hat (Keun, Mädchen 28). »So dick habe ich auch wieder nicht.« Synonyme: betucht; geldig; fett; bemoost; gespickt.
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Und zum Abschluss noch den Eintrag zu »dick« aus meiner derzeitigen Lektüre, dem Frischbier:3
dick, adj. u. adv. Aufzer den bei Grimm, Wb. II, 1073 ff., angeführten Bedeutungen: 1. voll von Speise und Trank. He ös dick on dun, er ist über satt, auch: betrunken. Gä liggen, böst dick. Elbg. Niederung. 2. voll von Innigkeit., Hochmut, Abneigung. Sie sind dicke Freunde. Dat ös e dicke Frindschaft. Er thut sich dick. Einen dick haben, seiner überdrüssig sein, ihn lieber gehen, als kommen sehen. 3. Dick rin! Zuruf in der Bedeutung: frisch drauflos! 4. verdickt, geronnen. Dicke Milch. 5. schwanger. Sie ist dick.
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SlangGuy’s Wörterbuch der deutschen Umgangssprache
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