Der Slogan »Make America Great Again« ist nicht von Donald Trump oder seinen Schreibern erdacht, sowohl Ronald Reagan (1980) als auch Bill Clinton (1992) haben ihn in ihren Wahlkämpfen eingesetzt; zutiefst geprägt jedoch hat ihn Donald Trump während seines Wahlkampf 2016. Und seither ist er untrennbar mit ihm und seinen Anhängern verbunden. So sehr, dass er als Akronym auch für seine Anhänger und den rechten Flügel der Republikanischen Partei steht. Falls man überhaupt noch von einem solchen sprechen kann, wo laut Trump die GOP zu hundert Prozent MAGA ist und geschlossen hinter ihm steht, was zu betonen, der orangene Sektenguru nicht müde wird.
MAGA, letztlich gleichzusetzen mit dem Trumpismus, ist, sagen wir es gleich vorneweg, eine Erscheinung, die auf den ersten Blick dem »autoritären Populismus« zuzuordnen ist, der sich in den letzten Jahrzehnten auch in vielen europäischen Ländern wie ein Lauffeuer ausbreitet. So hat sich, ich beziehe mich hier und im Folgenden auf Norris und Ingleharts Cultural Backlash1, etwa in Europa der durchschnittliche Stimmenanteil von Parteien aus diesem Spektrum bei nationalen Parlamentswahlen seit den 1960er-Jahren mehr als verdoppelt. Und das gilt für reiche, egalitäre und etablierte Demokratien wie Österreich, Norwegen und Dänemark ebenso wie für Länder wie Griechenland und Bulgarien, die von Massenarbeitslosigkeit, schleppendem Wachstum und einer prekären Finanzlage gebeutelt sind. Aber MAGA geht weiter, ist so gut wie allen anderen Bewegungen dieser Art bereits einen Schritt voraus, insofern die Abschaffung der Demokratie mittels Besetzung sämtlicher relevanter Staatsposten durch speziell ausgebildete Trumpisten für sie bereits beschlossene Sache ist. Das Manifest für den autoritären faschistischen Staat ist mit dem Project 20252 bereits verfasst.
Und die Republikanische Partei steht mehr oder weniger geschlossen hinter ihm. Darüber mag man hier und da noch geteilter Ansicht sein, Trump selbst jedoch macht da keine Abstriche:
Und die sagen – sie versuchen einen ja ständig runterzumachen –, die sagen, MAGA steht in Wirklichkeit für 48% der Republikanischen Partei. Nein, MAGA steht für 96% und vielleicht sogar 100%. Wir wollen die Romneys dieser Welt loswerden. Wir wollen Romney und die anderen loswerden.3 Aber sie wissen, dass wir die Einzigen sind, die sie aufhalten können. Wir sind die Einzigen. Dies ist die größte Bewegung in der Geschichte unseres Landes, vielleicht in der Geschichte irgendeines Landes, sogar Argentiniens.
Vergessen Sie Argentinien mal. Das ist nur wieder mal eine der spontanen Tangenten, in die Trumps Gedanken nach einer Karambolage einiger Synapsen eben so explodieren. Der nicht weniger durchgeknallte neue Präsident Milei mag ihn angeblich. »Und wer mich mag, den mag ich auch.«4
Aber zurück zum Programm: »Donald Trump ist auf dem besten Weg, die konservative Partei durch ein eigenes ›Gegen-Establishment‹ zu ersetzen, in dem es, seiner eigenen Familie zufolge, keinen Platz mehr für Andersdenkende gibt.«5
Aber was konstituiert nun diesen politischen Monolithen über die rote MAGA-Basecap vorn drauf?
Nun, zunächst einmal der Gedanke, dass Trump eigentlich noch immer und damit der wahre Präsident der Vereinigten Staaten ist: »MAGA-Republikaner«, so meinte Joe Biden im September ’22, »das sind Leute, die nicht anerkennen wollen, dass es eine Wahl mit einem Sieger gegeben hat.«6 MAGA bedeutet also zunächst einmal, auf Trumps längst als Lüge erwiesene Behauptung von der gestohlenen Wahl hereingefallen zu sein. »Die Komplizenschaft republikanischer Amtsinhaber und republikanischer Medien hat Millionen von Amerikanern davon überzeugt, dass die Behauptung einer illegitimen Wahl mehr ist als nur ein alberner Scherz.«7
Woraus sich fast schon zwangsläufig eine zweite Gemeinsamkeit ergibt: »Die MAGA-Republikaner«, so Präsident Biden, »das sind die, die Gewalt wie die am Kapitol für ein legitimes Mittel halten.«8 Die Beharrlichkeit, mit der Trump die Aufständischen vom 6. Januar 2021 als »politische Geiseln« bezeichnet, die er nach seiner Wiederwahl weitgehend amnestieren werde: »Schon bald nach dem Aufstand begannen die Bemühungen, die damals Verhafteten als politische Gefangene darzustellen.«9
Aber so recht Joe Biden damit hat, er ist der politische Gegner, also halten wir uns lieber an Trumps eigene Absonderungen, um einige weitere Punkte der MAGA-Ideologie aufzuzählen.
Der christliche Nationalismus dürfte wohl einer der großen Einigungspunkte sein. Trump stellt sich in diesem Wahlkampf mehr denn je als Mann Gottes dar: »Ich bin Christ. Ich bin Protestant. Ich bin Presbyterianer. Ich bin total gläubig. Ich glaube an die Bibel, ich glaube an Gott.«10 Dass das ein Abortwitz ist, tut hier nichts zur Sache, seine Sekte kauft es ihm ab. Und auch die GOP steht dabei hinter ihm. Das Magazin Politico bringt eine hauseigene Umfrage vom Mai 2022 so auf den Punkt: »Die meisten Republikaner halten den Christlichen Nationalismus für verfassungswidrig – stehen aber dennoch dazu«.11 Doug Mastriano, republikanischer Gouverneurskandidat in Pennsylvania, zufolge ist »Amerika eine christliche Nation … und … die Trennung von Kirche und Staat ein ›Mythos‹.« Und Trump-Superfan, die Abgeordnete Marjorie Taylor Greene aus Georgia erklärt: »Wir müssen die Partei des Nationalismus sein, und ich bin Christin, und ich sage das mit Stolz: Wir sollten christliche Nationalisten sein.«12
Ein weiterer einigender Faktor von MAGA ist die Idee vom amerikanischen Alleingang: »America Alone«. »Donald Trump brauchte gerade mal dreieinhalb Jahre, um die umfassende internationale Isolation Amerikas zu festigen und formell zu bekräftigen.«13 Und auch wenn Trump den Isolationismus nicht erfunden hat und Amerika immer mal mehr, mal weniger dazu tendierte, ein solcher Schritt könnte, nicht nur angesichts des Ukraine-Konflikts, verheerendere Konsequenzen haben denn je.14
Eng damit verwandt ist der Begriff des Protektionismus. »Mr. Trumps Protektionismus machte Amerika ärmer, tat wenig für den Export und verärgerte Amerikas Freunde«, schrieb das Wirtschaftsblatt The Economist.15 Donald Trump, so das Blatt, führte mehr neue Zölle auf amerikanische Importe ein als jeder andere Präsident in fast einem Jahrhundert. Seine Maxime war simpel: Ich stehe für Zölle. Wenn Leute und Länder den großen Reichtum unserer Nation plündern wollen, sollen sie für das Privileg auch ordentlich zahlen.
Eine weitere Haltung, die letztlich auf eigensüchtiges Dichtmachen der Grenzen abzielt, ist ein Nativismus im weiteren Sinn. Das bedeutet eigentlich ein Beharren auf bestimmte Elemente der eigenen Kultur, die man einer Bedrohung durch eine fremde Kultur ausgesetzt sieht. So hasserfüllt, wie sich diese durchaus amerikanische Tradition16 bei Trump äußert, ist sie von der Xenophobie oder Fremdenfeindlichkeit nicht zu trennen. Trump kriegt sich gar nicht mehr ein ob der Art von Leuten, die da in die Staaten kommt: »Wenn uns Mexiko seine Leute schickt, dann schicken die nicht ihre Besten … Die schicken uns Leute mit einer ganzen Menge Probleme, und die Probleme schleppen die bei uns ein. Sie schleppen Drogen ein. Sie schleppen Verbrechen ein. Da kommen Vergewaltiger … Die schicken uns nicht die richtigen Leute. Und dann kommen die ja nicht nur aus Mexiko. Die kommen aus ganz Süd- und Lateinamerika, und wahrscheinlich kommen die auch aus dem Nahen Osten.«17 Und das Wichtigeste, was er seinen Wählern ans Herz legt, ist: »Die sind nicht wie ihr!« Luis Gutiérrez, damals Abgeordneter aus Illinois, sprach treffenderweise von einer Trumps »make America hate again«-Kampagne.18
Was natürlich wiederum nicht zu trennen ist von einer allgemein zuwanderungsfeindlichen Politik.
Mit dem neofaschistischen Element, das hier mit einem nationalen Konservatismus und Neonationalismus in den Schulterschluss geht, haben wir uns bereits befasst.
Nehmen wir dazu noch zwei miteinander verwandte Elemente, mit denen MAGA so richtig Stimmung macht:
Zu guter Letzt noch sei das Faible für Verschwörungstheorien erwähnt, das alle MAGA-Schwärmer und Rechtsradikalen Amerikas eint. Deren gibt es viele. So sei hier nur die »Big-Tent-Theorie« erwähnt, laut der Trump, von US-Generälen auserwählt, Präsident werden sollte, um einer weltweiten Kabale von linken Teufelsanbetern und Pädophilen den Kampf anzusagen, der mit dem »Sturm« enden würde: der Entlarvung der Kabale mitsamt Bestrafung der Verschwörer und der Wiederherstellung alter amerikanischer Größe.20
Aber vielleicht doch noch etwas zur entscheidenden Frage, die Trump bei alledem nie so richtig ansprechen will: Wann war denn Amerika eigentlich »great«?
Was bedeutet MAGA dann für Sie? Also, Make America Great Again — was bedeutet das für Sie?
Na, das Amerika, in dem ich aufgewachsen bin. Dahin wollen wir zurück. Wir wollen, dass die Leute uns nicht länger zensieren. Wir wollen, dass sie die Finger von unserem Zweiten Verfassungszusatz lassen. Wir wollen die Freiheit der, äh … Religionsfreiheit.
Ich meine, wenn man konservativ ist, wenn man Christ ist, wenn man weiß ist, wenn man ein Mann ist – egal, welche Farbe man hat, wir wollen, dass man die Menschen für das respektiert, was sie sind. Wir brauchen keine Steine … also Infinity-Steine dafür, dass man schwarz oder schwul oder trans ist … Wir wollen nur, dass alle gleich behandelt werden. Und die wollen uns einreden, dass wir die Partei der, äh, der … eine rassistische Partei sind, wo sie doch eigentlich diejenigen sind, die die Jim-Crow-Regeln wieder einführen wollen.
Inwiefern?
Inwiefern? Na, an den Colleges, da wollen sie Abschlüsse für Schwarze und Weiße haben, sie wollen uns trennen.
Wo will man, wo will man das, äh, an welchen Colleges?
Mann, hören Sie, okay, weiß ich jetzt nicht … Google Sie’s!
Amerika wieder groß zu machen. Was bedeutet das für Sie? Wie ist das mit dem ›wieder‹?
Für mich bedeutet ›wieder‹, dass wir einen sicheren Ort zu haben, an dem wir die Freiheiten genießen können, die wir zum Glück haben. Es gibt ja viele auf der Welt, die nicht haben, was wir haben, und was wir haben, ist ein Segen. Deshalb gibt es Leute, die hierher wollen … und wir werden all diese Großartigkeit wieder voll auskosten.
Wann hatten wir das zuletzt – wenn von ›wieder‹ die Rede ist?
Also, ich habe das Gefühl, wir hatten das, als … als Präsident Trump im Amt war. Ich habe das Gefühl, dass wir mit dem Arbeiten, also auf dem aufbauen können, was er in seiner ersten Präsidentschaft gemacht hat, und dass wir das sogar noch verbessern können.
Als er 2016 kandidierte, war er noch nicht mal Präsident, trotzdem sagte er ›Make It Great Again‹ … also – ›wieder‹, wann war das?
Ähm, das ist eine gute Frage. Ich würde sagen, also wenn ich könnte, ja, es wäre, ähm … und ich denke, dass das, ähm, politisch in einer Reihe … also vielleicht mit JFK und als der Präsident war und was wir mit etwas Optimismus darstellten, und, ähm, Freiheiten, die wir vorher nicht hatten, und dass wir versuchen, das zu finden.
Make America Great Again – das ist sein Mantra seit seiner Kandidatur 2015. Was bedeutet das? Was heißt ›wieder‹? Wann war Amerika groß?
Also, allein die Frage sagt alles, was ich über Sie wissen muss, nämlich dass Sie nicht wirklich glauben, dass Amerika je großartig war. Ich denke, Amerika war großartig … der Geist … der ganze Sinn und Amerikas war der amerikanische Geist – hierherzukommen und etwas … sich etwas aufzubauen und die Möglichkeit zu haben, das zu tun, für sich … hart zu arbeiten, und genau das ist es, wofür Amerika steht. Die Leute, die Amerika nicht mögen, werden also immer sagen: Also, wann war es jemals großartig? Meiner Meinung nach ist das keine besonders gute Einstellung.
Und wann ist das Ihrer Meinung nach verloren gegangen?
Ähm, ich denke, viel davon ging verloren, als die Zentralbank das Geldsystem übernahm. Wir müssen wieder zurück zu einem gold- und silbergedeckten System, in dem die Währung … äh … zählt.
In welchem Jahr war Amerika groß?
Als es gegründet wurde.
Außer der Geschichte mit der Sklaverei.
Außer der Geschichte mit der Sklaverei, wissen Sie.
Natürlich sind das handverlesene Stimmen, aber mehr Substanz hört man weder vom Chefclown selbst, noch von seinen Gefolgsleuten im Kongress. Es sind Parolen, Wischi-waschi, gegen das Bidens konkrete handfeste Politik machtlos ist.
Aber machen wir uns nichts vor. Wir sind nicht viel besser dran. Uns droht dasselbe …
Das Problem ist nicht zuletzt, dass wir es immer noch nicht – nach Salman Rushdie, nach den Frauen in Teheran, nach Putins Überfall auf die Ukraine, nach der Aufdeckung deutscher Deportationsphantasien, nach dem Gender-Erlass hierzulande –, dass wir es nach alledem immer noch nicht glauben können, dass diese ach so moderne, schicke und scheinbar freie Welt auf schier allen politischen Ebenen in Sieben-Meilen-Stiefeln erneut hirnlos dem autoritären Wahnsinn entgegeneilt …
Anmerkungen
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