Fortsetzung von hier. Übersetzung © Bernhard Schmid
Teil II
Eine Analyse modernen Slangs offenbart uns die Tatsache, dass sich die Wörter und Wendungen, aus denen er sich zusammensetzt, grob in vier Kategorien einteilen lassen, alle recht unterschiedlichen Ursprungs und sehr verschiedenen Werts. Zweien dieser Kategorien gegenüber mag die Verachtung zulässig sein, die dem Slang als Ganzes gegenüber so oft zum Ausdruck gebracht wird. Den beiden anderen Kategorien gegenüber ist ein solches Gefühl ganz und gar nicht gerechtfertigt, da sie der Sprache einen unschätzbaren Dienst erweisen.
Die erste der beiden unwürdigen Kategorien ist jene, zu der die Überlebenden des »Diebeslateins« gehören, jene vulgären Ausdrücke, mit denen vulgäre Menschen vulgäre Dinge beschreiben. Es ist dies der Slang, den der Stenograph des Polizeigerichts kennt und gerne ausgiebig im Munde führt. Es ist dies der Slang, den Dickens in die Literatur eingeführt hat. Es ist diese Kategorie von Slang, die in der Hauptsache für den schlechten Ruf des Begriffs verantwortlich ist. Ein Gutteil des Missfallens der Leute feineren Geschmacks gegenüber dem Slang kommt jedoch von der zweiten Kategorie, zu der die kurzlebigen Wendungen gehören, die rein zufällig für eine Saison im Schwange und schließlich ein für alle mal wieder vergessen sind. Diese Eintagsfliegen unter den Schlagwörtern sind selten anrüchig wie in vielen Fällen die Wörter und Wendungen der ersten Kategorie, aber sie sind durch die Bank albern. There you go with your eye out, das als witzige Bemerkung in London gang und gäbe war, und Where did you get that hat?, das sich kurzer Beliebtheit in New York erfreute, sind Wendungen so harmlos wie schal. Diese kurzlebigen Phrasen kommen und gehen und sind rasch wieder vergessen. Wahrscheinlich muss man den meisten Lesern von Forcythe Wilsons Old Sergeant heute erklären, dass während des Krieges grape-vine ein bewusst in die Welt gesetztes Gerücht bezeichnete.
Es muss jedoch gesagt werden, dass im Falle der ersten Klasse ein Streben nach oben zu konstatieren ist, eine Tendenz sich zu desinfizieren, wie jedem Leser von Groses Dictionary of the Vulgar Tongue auffallen muss, wenn er entdeckt, dass Wendungen, die einem heute völlig ungezwungen über die Lippen gehen, im vorigen Jahrhundert eine geheime Bedeutung hatten. Es gibt auch, und gar nicht so wenige, versteckte Anspielungen in einigen von Shakespeares bekanntesten Stücken, die glücklicherweise allen außer den auf das elisabethanische Vokabular spezialisierten Studiosi entgehen.
Die anderen beiden Kategorien von Slang sind ganz anders geartet. Auch wenn sie unter dem Stigma leiden, das Dank der beiden bereits charakterisierten Kategorien jedwedem Slang anhaftet, dienen sie einem Zweck. Ja, nicht nur ist ihre Nützlichkeit unbestritten, sie war nie größer als heute. Eine dieser Gruppen besteht aus alten und vergessenen Wörtern und Wendungen, die jetzt nach langer Brache wieder an die Oberfläche zu kommen versuchen. Die andere besteht aus neuen Wörtern und Wendungen, die, so kraft- und ausdrucksvoll sie oft sein mögen, noch keinen Platz im literarischen Lexikon haben und noch in der Probezeit sind. In diesen beiden Kategorien finden wir die Rechtfertigung für die Existenz des Slangs, da es die Funktion des Slangs ist, unseren Wortschatz zu bereichern. Wörter nutzen sich ab und vertrocknen; wie Obst verlieren sie dabei an Saft und Geschmack. Und in diesem Augenblick wird es zur Pflicht des Slangs, einen Ersatz für diejenigen guten alten Wörter zu stellen, die durch den harten Dienst fadenscheinig geworden sind. Und viele der Rekruten, die der Slang angeheuert hat, sind es wert, in das stehende Heer unserer Wörter aufgenommen zu werden. Wenn man einen Konservativen mit Scheuklappen, der zu fade ist die Poesie der Welt um ihn herum zu sehen, als mossback bezeichnet? Wenn uns ein Schauspieler erzählt, wie die reisende Truppe, mit der er unterwegs war, gestrandet (stranded) sei, wer wollte die Kraft, die Trefflichkeit dieses Ausdrucks nicht sehen? Und wenn wir jemanden sagen hören, wie reich er wäre, käme sein foresight (Weitblick) nur seiner hindsight (nachträglichen Einsicht) gleich, wer wüsste den Wert eines solchen Wortes nicht zu schätzen? Es nimmt nicht weiter Wunder, wenn der Wortkünstler sich nach Worten sehnt, die das Lexikon mit jugendlicher Frische regenerieren! Es nimmt nicht weiter Wunder, dass der Autor, der seine Gedanken frisch zu präsentieren wünscht, dazu Wörter wählt, die noch in der Blüte stehen, und dabei ältere, vertrocknete Wörter außer Acht lässt, die kaum zu mehr als zur Aufbewahrung in einem Herbarium taugen wollen!
Der Slangforscher ist überrascht, in wie vielen Fällen er einen ehrenwerten Stammbaum für Wörter aufzuzeigen vermag, die schon vor so langer Zeit ihres hohen Standes verlustig gegangen sind, dass man sie als Parvenüs abtut, wagen sie es noch einmal, sich behaupten zu wollen. Wörter haben ihre Schicksale wie Menschen und Bücher; und das Auf und Ab einer Wendung ist oft kaum weniger anrührend als das eines Menschen. Es heißt, hier in den Vereinigten Staaten wende sich das Blatt des Schicksals so plötzlich, dass es nur drei Generationen von Hemdsärmeln zu Hemdsärmeln sind. Die englische Sprache ist nicht ganz so schnell wie das amerikanische Volk, aber selbst in der englischen Sprache sind es nur drei Jahrhunderte von Hemdsärmeln zu Hemdsärmeln. Was könnte einem moderner, ja westamerikanischer erscheinen als deck für einen Packen Karten oder to lay out bzw. to lay out cold dafür, jemanden nieder zu schlagen? Und doch sind beides gute alte Ausdrücke, die, nicht länger im Niedergang begriffen, auf ein erneutes Lebensrecht bestehen. Deck ist elisabethanisch; wir finden in Shakespeares King Henry VI (Teil II, Akt V, Szene 1)
The king was slyly finger’d from the deck.
To lay out in seinem modernen Sinne ist eindeutig sehr frühes Englisch.
Fortsetzung hier
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