Fortsetzung von hier. Übersetzung © Bernhard Schmid
Teil V
Jemanden als boss zu bezeichnen und einen anderen als henchman mag einmal Slang gewesen sein, aber beide Wörter sind heute legitim, weil sie notwendig sind. Nur anhand dieser Wörter lässt sich die genaue Beziehung einer bestimmten Art politischer Führer zu einer bestimmten Art von politischem Mitläufer prägnant zum Ausdruck bringen. Es stehen selbstverständlich, weil sie nicht benötigt werden, noch so einige politische Wörter und Wendungen in Acht und Bann. Einige von ihnen mögen eines Tages eine ganz bestimmte Bedeutungsnuance annehmen, die von sonst keinem anderen Wort ausgedrückt wird. Und wenn dies eintritt, werden sie ihren Platz im legitimen Vokabular einnehmen. Ich bezweifle, dass dieses Glück je eine Anwendung von influence haben wird, die heute in Washington zu hören ist. Der Staatsmann, auf dessen Vorschlag bzw. Ersuchen hin ein Amtsinhaber eingesetzt wurde, wird als influence dieses Amtsinhabers bezeichnet. So erklärte eine arme Witwe, die sich plötzlich, nur weil der henchman eines boss, dessen Gunst ein Senator oder Ressortleiter nicht verlieren wollte, es verlangte, eines Amtes enthoben sah, das sie seit Jahren inne gehabt hatte, einem Freund, ihre Entlassung sei darauf zurückzuführen, dass während des Sommers ihr influence gestorben war. Die unvermeidliche Ausweitung des allein auf Fähigkeit beruhenden Systems im öffentlichen Dienst unseres Landes wird die dauerhafte Übernahme dieser neuen Bedeutung wahrscheinlich verhindern.
Das Vokabular der Politik ist nur eines von einer Vielzahl von Fachvokabularen, die ihre Wörter dem allgemeinen Konsum andienen. Jede Kunst, jede Wissenschaft, jedes Handwerk, jeder Beruf, jede Sekte, jeder Sport verfügt über sein eigenes spezielles Lexikon, dessen überwiegender Teil dem allgemeinen Sprachschatz des gesamten Volkes immer unbekannt bleiben wird. Sie sind Reserven, auf die in Notzeiten zurückgegriffen wird, um Lücken in der regulären Armee zu schließen. Durchaus legitim, solange sie auf ihren eigentlichen Einsatzbereich beschränkt bleiben, werden diese technischen Wörter in dem Augenblick zum Slang, wenn sie unpassend eingesetzt werden und außerhalb des ganz speziellen Bereichs menschlichen Unterfangens, in dem sie sich entwickelt haben. Wächst das öffentliche Interesse an so einem Gebiet aus irgendeinem Grunde, so übernimmt der breitere Wortschatz populärer Sprache auch immer mehr Wörter dieses Fachvokabulars; und auf diese Weise bereichert die allgemeine Sprache sich fortwährend durch die Übernahme von Wörtern und Wendungen aus einer von Experten für ihren ganz speziellen Gebrauch ersonnenen Terminologie. Es wäre also durchaus von Interesse festzustellen, wie viel genau von dem speziellen Vokabular des bloßen Literaten heute von den einfachen Leuten verstanden wird. Einer der Figuren aus Middlemarch behaupet, »korrektes Englisch« sei lediglich »der Slang von Pedanten, die Geschichtsbücher und Essays schreiben, und der stärkste Slang von allen ist der Slang der Dichter«.
In den letzten Jahren haben viele Wendungen der Börse ihren Weg in die Allgemeinbildung gefunden; und es gibt kaum einen unter uns, der nicht wüsste, was bears und bulls sind, was eine corner ist und was ein margin. Die peraktische Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse macht die breite Öffentlichkeit mit vielen der Prinzipien vertraut, die bislang ausschließlich Eigentum der Experten waren, und die breite Öffentlichkeit kann sich heute völlig frei technischer Ausdrücke bedienen, die noch gestern selbst die Gebildeten nicht verstanden hätten. Current, zum Beispiel, und insulation sind beide durch die rasante Erweiterung der Einsatzmöglichkeiten von Elektrizität in den letzten Jahren so sehr Teil der Alltagssprache geworden, dass man sie heute auch unabhängig und ohne ausdrücklichen Hinweis auf ihre ursprünglich elektrische Bedeutung benutzt.
Die weite Verbreitung eines Sports oder Spiels bringt die Sprache dieses Zeitvertreibs in allgemeinen Umlauf. Die elisabethanischen Dramatiker zum Beispiel benutzen vy und revy sowie andere technische Wörter des Primenspiels1 so freizügig wie die Humoristen unseres Westens sich der Ausdrücke going it blind und calling und anderer Fachwörter des Pokerspiels bedienen, das sich im Lauf der Jahrhunderte aus dem Primenspiel entwickelt hat. Auch einige Ausdrücke aus den Spielen Euchre und Whist sind in unsere Alltagssprache übergegangen; dasselbe gilt für solche aus den Bereichen Baseball, Football Pferderennen, Trabrennen Rudern sowie dem Yachtsport. Diese haben eines nach dem anderen mit dem Kommen und Gehen der Saison, in der sie in Mode waren, ihren Weg in den Wortschatz des Durchschnittsbürgers gefunden. So führten denn während des Bürgerkriegs die Leute viele militärische Wendungen im Munde; und einige von diseen haben sich fest in unserem Vokabular etabliert.
»In der Sprache wie im Leben«, so führt Professor Dowden aus, »gibt es sozusagen eine Aristokratie und das gemeine Volk: Wörter mit würdigem Erbe, Wörter, die man in den Adelsstand erhoben hat, und einen Wortpöbel, der von Amt und Würden ausgeschlossen ist.« Es gibt einige Autoren und Sprecher mit so ausgeprägt feinem Sprachgefühl, dass sie sich nur unter adeligen Wörtern wohl fühlen, unter Wörtern, die mit dem Eroberer, mit den geistigen wie weltlichen Herren des Vokabulars herüber gekommen sind. Dann gibt es andere, selbst Parvenüs und so versnobbt, dass sie nur in Gesellschaft Überlegener glücklich sind; sie bringen tiefste Verachtung für die vulgäre Masse zum Ausdruck. Wieder andere teilen Lincolns Vorliebe für die einfachen Wörter des einfachen Volkes – die Demokarten des Wörterbuchs, hausbacken, schlicht und direkt. Diese Letzten sind tolerant gegenüber Wörtern, die, einst von hohem Stande, ihre Würden verloren haben und ins Unglück geraten sind; sie ziehen diese den anderen vor, die, einst Plebäjer, Generation auf Generation ihrem Glück energisch nachgeholfen haben, so dass heute keine höher Gestellten zu finden sind.
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