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Über die Funk­ti­on des Slangs (4)

Serie

Bran­der Matthews unter­schei­det vier Kate­go­rien von Slang, deren ers­te drei wir hier vor­ge­stellt haben. Wir erin­nern uns, dass die ers­ten bei­den »unwür­dig« waren, die drit­te dage­gen, sie besteht aus alten und ver­ges­se­nen Wör­tern und Wen­dun­gen, die jetzt nach lan­ger Bra­che wie­der an die Ober­flä­che zu kom­men ver­su­chen, durch­aus akzep­ta­bel, auch wenn sie unter dem Stig­ma, das den ers­ten bei­den anhaf­tet lei­det. Mit der vier­ten Kate­go­rie ver­hält sich das nun völ­lig anders. Sie umfasst Matthews’ Ansicht nach all jene Begrif­fe, die sozu­sa­gen noch ihre Leh­re absol­vieren und von denen noch unge­wiss ist, ob die offi­zi­el­le Spra­che sie auf­neh­men wird. Wenn sie nicht vor­her ver­schwin­den, was in der Regel dem »Slang der Metro­po­len« wider­fährt, den Matthews als durch die Bank dumm bezeich­net. Aber was hält sich denn dann?

Fort­set­zung von hier. Über­set­zung © Bern­hard Schmid

Bran­der Matthews
Die Funk­ti­on des Slangs
aus Parts of Speech: Essays on Eng­lish (1901)

Teil IV

Wenn wir jedoch hören, wie ein Autor aus dem ame­ri­ka­ni­schen Wes­ten die Wir­kung von tan­gle­foot-Whis­ky beschreibt, so spricht das Adjek­tiv für sich selbst und bringt damit sei­ne Recht­fer­ti­gung mit. Und ganz unmit­tel­bar sehen wir die kühn kon­den­sier­te Meta­pher in dem Schild »Don’t mon­key with the buzz-saw«; die Bild­haf­tig­keit des Wor­tes buzz-saw wie auch sei­ne Brauch­bar­keit leuch­ten auf den ers­ten Blick ein. So ver­ste­hen wir bei der Lek­tü­re von »Buck Fanshaw’s Fun­e­ral« auch ohne wei­te­res die Wen­dung »he never went back on his mother« und fin­den Gefal­len an sei­ner Aus­sa­ge­kraft; des­glei­chen gilt für die Erklä­rung des Man­nes, der  für »Ban­ty Tim« einspringt:

“Ef one of you teches the boy
He’ll wrest­le bis hash to-night in hell,
Or my name ’s not Til­man Joy.”

To wrest­le one’s hash ist kei­ne ele­gan­te Wen­dung, wie man zuge­ben muss, und sie wird wohl kaum Auf­nah­me in die lite­ra­ri­sche Spra­che fin­den; aber sie ist wenigs­tens kraft­voll und kei­nes­falls dumm. To go back on dage­gen hat gute Aus­sich­ten auf einen Platz in unse­rer Spra­che, so nütz­lich und kraft­voll wie die­se Wen­dung ist.

Von den wei­ten, win­di­gen Ebe­nen des Wes­tens kam bliz­zard, und obwohl ange­regt wur­de, dass es sich bei dem Wort um einen Über­le­ben­den eines bri­ti­schen Dia­lekts hand­le, so gebührt dem ame­ri­ka­ni­schen Wes­ten den­noch ein Lob dafür, es vor dem Ver­gessen bewahrt zu haben. Aus den Holz­fällerlagern des Nord­wes­tens kam boom, auch das wie­der­um ein altes Wort, wenn auch mit neu­er Bedeu­tung, und wur­de von der Spra­che umge­hend akzep­tiert. Von noch wei­ter west­lich kam der Gebrauch von sand im Sin­ne von Steh­ver­mö­gen, Rück­grat – das eben, was man in Neu­eng­land als grit und im alten Eng­land als pluck (ein weit weni­ger aus­drucksvolles Wort) bezeich­net. Aus dem Süd­westen haben wir cinch,1 das sich vom Fest­zurren des Pack­gur­tes an einem Maul­tier ablei­tet und somit in über­tra­ge­ner Bedeu­tung auf einen in jeder Hin­sicht beson­ders fes­ten Halt weist.

War­um genau ein dead cinch den sichers­ten Halt über­haupt bie­ten soll­te, weiß ich ehr­lich gesagt nicht. Dead wird hier als intensi­vierendes Bei­wort gebraucht, und das Stu­di­um die­ser Kate­go­rie von Wör­tern steckt noch in den Kin­der­schu­hen. In allen Tei­len Groß­britanniens wie auch der Ver­ei­nig­ten Staa­ten fin­den wir Wör­ter, die, ihrer eigent­li­chen Bedeu­tung ent­ris­sen, höchst will­kür­lich dazu ver­wen­det wer­den, den Wert ande­rer Wör­ter zu erhö­hen. So haben wir dead cinch, wie wir dead sure thing haben, dead shot, dead level, und für die bei­den letz­ten lässt sich viel­leicht sogar ein Grund fin­den. Lowell hat in Neu­eng­land den Gebrauch von tor­men­ted als Euphe­mis­mus für dam­ned fest­gestellt wie etwa in »not a tor­men­ted cent«. Jedem Ame­ri­ka­ner, der Eng­land bereist, wird zu sei­ner Über­ra­schung den Ein­satz des säch­si­schen Syn­onyms für san­guina­ry zur Ver­stär­kung bemerkt haben, wobei bloo­ming und blas­ted die größ­ten bri­ti­schen Riva­len für bloo­dy in die­ser Bedeu­tung sind. Alle drei klin­gen für fei­ne Ohren scho­ckie­rend, und so schrieb der Redak­teur einer Lon­do­ner Zei­tung mit ange­hal­te­nem Atem über die Aus­sich­ten »of a b—y war«, wäh­rend ein ande­rer Lon­do­ner Redak­teur kürz­lich erklär­te, es sei einem Cock­ney der­zeit nicht mög­lich, Jef­freys Appell an Car­lyle nach einem Besuch in Craigen­puttock, sei­ne »bloo­ming Eve out of her blas­ted para­di­se« zu brin­gen, mit der gebüh­ren­den Sym­pa­thie zu lesen. Von den ande­ren Slangsyn­ony­men für very – ist jol­ly, »he was jol­ly ill«, bri­tisch; awful­ly war zuerst bri­tisch und ist jetzt auch ame­ri­ka­nisch; und dai­sy ist ame­ri­ka­nisch. Aber jede Dis­kus­si­on von inten­si­vie­ren­den Wör­tern ist hier eine Abschwei­fung, und ich keh­re so bald als mög­lich auf die Haupt­stra­ße zurück.

To Free­ze to auf Din­ge und Per­so­nen bezo­gen ist laut Lowell ein Wort aus Neu­eng­land, hat aber die Kraft des fer­nen Wes­tens; das gilt auch für to get solid with wie etwa in dem Rat­schlag, »if a man is cour­ting a girl it is best to get solid with her father«. Was ist die­se Wen­dung aber ande­res als das fran­zö­si­sche soli­da­ri­té, das wir jüngst ins Eng­li­sche über­nom­men haben, um eine Gemein­sam­keit von Inter­es­sen und Ver­ant­wort­lich­kei­ten zu bezeich­nen. Die Ähn­lich­keit von fran­zö­si­schen Wör­tern mit ame­ri­ka­ni­schen ist nichts Neu­es; Lowell berich­tet, dass Hor­ace Mann sich in einer sei­ner öffent­li­chen Vor­trä­ge aus­führ­lich über Schön­heit und mora­li­sche Bedeu­tung des fran­zösischen Verbs s’o­ri­en­ter aus­ge­las­sen und sei­ne jun­gen Freun­de ange­hal­ten habe, sich dar­in zu üben, obwohl »unter sei­nem Publi­kum nicht einen Yan­kee gab, der je dahin­ter gekom­men wäre, was about east ist, und sei­nen Kurs ent­spre­chend hät­te aus­rich­ten kön­nen.« Als ich vor eini­gen Jah­ren in Kari­ka­ri blät­ter­te, einem Band mit M. Ludo­vic Halé­vyspas pour deux liards de coquet­te­rie eben­so geist­rei­chen wie char­man­ten Skiz­zen des Pari­ser Cha­rak­ters, lern­te ich dort eine rei­zen­de jun­ge Dame ken­nen, die hat­te; und ich über­leg­te, ob M. Halé­vy, wäre er Ame­ri­ka­ner und einer von den Vier­zig einer Ame­ri­ka­ni­schen Aka­de­mie, die Behaup­tung wagen wür­de, sei­ne Hel­din sei not coquet­tish für a cent.

Eng ver­wandt mit to free­ze und to be solid with ist jum­ped on. Wenn einem Mis­se­tä­ter eine stren­ge Maß­re­ge­lung zuteil wird, dann sagt man, he is jum­ped on; und wenn die Rüge unmä­ßig streng aus­fal­len soll­te, so sagt man, der Betref­fen­de is jum­ped on with both feet. Alle drei Wen­dun­gen gehö­ren einer Klas­se an, aus der die lite­ra­ri­sche Spra­che in der Ver­gan­gen­heit so eini­ge wür­di­ge Rekru­ten in Sold genom­men hat, und es wür­de mich nicht über­ra­schen, wür­den die­se drei mit einem »Hier!« reagie­ren, ruft ein neu­es Wör­ter­buch unse­re eng­li­schen Wör­ter zum Appell. Wer­den sie sich dann Schul­ter an Schul­ter mit spook fin­den, einem Wort hol­län­di­schen Ursprungs, das sich heu­te sowohl in New York als auch in Süd­afri­ka frei­wil­lig zum eng­li­schen Dienst mel­det? Und wird man bis dahin auch slump in die Rei­hen auf­ge­nom­men haben und fad und crank in sei­ner zwei­ten Bedeu­tung einer aus dem see­li­schen Gleich­ge­wicht gera­te­nen Per­son?  Slump ist ein Ame­ri­ka­nis­mus, crank ist ein Ame­ri­ka­nis­mus ent­fernt bri­ti­scher Her­kunft, und fad ist ein Bri­ti­zis­mus; die­ses letz­te Wort ist viel­leicht das drin­gendst benö­tig­te von den drei­en, und wir ver­dan­ken ihm einen Namen für den fad­dist, die­sen faden Kerl, der sein Ste­cken­pferd gna­den­los und ohne Rück­sicht auf die Meu­te reitet.

So wie in New York N. P. Wil­lis’ »Upper Ten Thousand« zu Mr. Ward McAl­lis­ters »Four Hundred« geschrumpft sind, so wur­den in Lon­don die swells bald zum smart set und eine Wei­le spä­ter zu den swag­ger peo­p­le, als sie exklu­si­ver wur­den und die Not­wen­dig­keit ver­spürten, ihre neue Qua­li­tät in einem neu­en Begriff aus­zu­drü­cken. Nir­gend­wo jedoch wer­den Wör­ter schnel­ler ver­braucht, als wenn es da­rum geht, die ver­schie­de­nen Gra­de der Trun­kenheit zu beschrei­ben; und die Lis­te von Slangsyn­ony­men für den Trin­ker und sei­nen Zustand sowie den Akt, der ihn her­bei­führt, ist so lang wie die Lepo­rel­los. Unter die­sen sind to get loa­ded und to car­ry a load offen­sicht­lich genug; und wenn wir uns ins Gedächt­nis rufen, dass es sich bei jag um einen mund­art­li­chen Aus­druck mit der Bedeu­tung leich­te Ladung han­delt, ist leicht zu sehen, dass der Mann, who has a jag on, sich im Früh­sta­di­um der Trun­ken­heit befin­det. Die­se Ver­wen­dung des Wor­tes ist mei­ner Ansicht nach aus­schließ­lich ame­ri­ka­nisch und hat den Atlan­tik noch nicht über­quert, sonst wäre einem bri­ti­schen Autor nie und nim­mer der Feh­ler unter­lau­fen, jag als Regen­schirm zu defi­nie­ren; er illus­triert das mit einem Absatz aus einer Zei­tung aus St. Lou­is, in dem es heißt »Mr. Brown was seen on the street last Sun­day in the rain car­ry­ing a lar­ge fine jag.« Man darf sich fra­gen, was die­ser bri­ti­sche Autor wohl aus der Bemer­kung des Chi­ca­go­er Humo­ris­ten gemacht hät­te, dass ein gewis­ser Herr nicht immer betrun­ken sei, selbst wenn er »from jag to jag« sprang wie ein trunk­süchtiger Schwamm.

Hier befin­den wir uns natür­lich genau in­ner­halb der Gren­zen des Slangs – jenes rein tem­po­rä­ren Slangs, der rasch wie­der ver­dorrt. Aber ist swell jetzt Slang? Und fad und crank? Ist boom Slang? Und bliz­zard? Und wenn es schwie­rig ist, eine Linie zu zie­hen zwi­schen blo­ßem Slang auf der einen Sei­te und idioma­tischen Wör­tern und Wen­dun­gen auf der ande­ren, so ist es dop­pelt schwie­rig, eine Linie zu zie­hen zwi­schen blo­ßem Slang und den legi­ti­men tech­ni­schen Wör­tern eines Gewer­bes oder Hand­werks. Ist es Slang, von einem Bild zu sagen, die Haupt­fi­gur dar­in sei out of dra­wing oder dass bei dem Maler die values nicht stim­men? Und wie soll­te ein His­to­ri­ker die Fein­hei­ten der New Yor­ker Poli­tik erklä­ren, könn­te er nicht offen sagen, die machi­ne habe eine sla­te auf­ge­stellt und die mug­wumps hät­ten sie in Scher­ben gehau­en. Ein sol­cher His­to­ri­ker müss­te die Bedeu­tung von lay­ing the pipe für eine Nomi­nie­rung beherr­schen oder von pul­ling the wires, um sie zu sichern, von taking the stump vor der Wahl und von log-rol­ling danach; er muss die genaue Bezie­hung zwi­schem dem boss und sei­nen hench­man und sei­nen hee­lers ken­nen; und er muss ver­ste­hen, wer die half-breeds waren und die stal­warts, und wor­in der Unter­schied zwi­schen den swal­low­tails und den short-hairs bestand.

Fort­set­zung folgt.

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Die­se Serie beginnt hier.

  1. nach dem auch die moder­nen Hifi-Ste­cker benannt sind, die der Deut­sche pene­trant falsch »tschintsch«nennt []

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