Wirklich interessantes Interview in der SZ von gestern: Bob Woodward. Ich lese es schon deshalb, weil ich mal ein Buch von ihm übersetzt habe, leider nur eines, und das unter denkbar ungünstigsten Umständen, aber was soll’s. Das Interview ist so gut wie seine Übersetzung lausig; noch amateurhafter als üblich.
Wie in aller Welt kommt es, dass jemand, der intelligente Fragen zu stellen vermag, der schreiben kann, schließlich ist er Journalist, derart versagt, wenn es darum geht, das von seinem amerikanischen Gegenüber Geäußerte ins Deutsche zu bringen? Nicht nur die Worthülsen, um den abgedroschenen Begriff mal zu verwenden. Woodward beantwortet doch seine Fragen, will sagen, er sagt etwas mit Sinn und Verstand, warum kann man diesen Sinn nicht auch im Deutschen rüberbringen? Warum werden da wieder mal Wörter übersetzt statt Sinn?
„Nach unserem Gespräch“, heißt es da in einer von Wooodwards Antworten, „sagte mein Chef, nimm deinen Arsch hier raus und gehe zurück an die die Arbeit.“
Dass man „zurück an die Arbeit geht sagt, anstatt „wieder an die Arbeit“, nur weil da eben im Englischen „back“ steht, mag ja noch durchgehen, aber „nimm deinen Arsch hier raus“? Ich weiß, tausend lausig synchronisierte Filme haben die Wendung „get your ass out of here“ oder seltener„take your ass out of here“ wörtlich ins Deutsche zu zerren versucht, aber nicht nur haben sie das idiomatischer zu verpacken versucht, hier wird schon wieder ein intelligenter Mensch als Dummkopf hingestellt, der Modisches nachplappert, und das auch noch schlecht. Was der Mann gesagt und gemeint hat ist: „Und jetzt mach, dass du wieder an die Arbeit kommst!“ Oder etwas mit diesem Tenor. Da kann man beim Übersetzen in die Vollen gehen. Aber dem Mann eine depperte pseudodeutsche Wendung aus schlecht synchronisierten Filmen zu unterstellen?
Dass Wörter tatsächlich eine Bedeutung haben, eine bestimmte, meine ich, sollte doch wohl gerade einem Journalisten klar sein. So ist es etwa nicht „schmerzhaft“, ein Buch zu schreiben, was für ein Unfug, es ist „beschwerlich“, „mühsam“, warum nicht „eine Quälerei“? „Painful“ steht doch nun wirklich mit all seinen Nuancen in jedem Wörterbuch (was nun wirklich nicht bei allen Wörtern der Fall ist). Warum muss eine „fruit bowl“ unbedingt zur „Früchteschüssel“ werden, wo jeder andere Deutsche eine „Obstschüssel“ oder eine „Obstschale“ daheim stehen hat? Was zu vernachlässigen ist, sicher, aber hier und da weiß man noch nicht mal, wovon überhaupt die Rede ist: „Wenn man die Bücher über Bush ansieht, haben alle bestanden.“ Was heißt das denn? Und denken Sie nicht, dass der Kontext darüber Aufschluss gibt. Man muss sich selbst einen Reim drauf machen; sprachlich ist die Information nicht gegeben. Bei einem Bob Woodward? Nu hör aber auf.
Die Übersetzung ist durch die Bank amateurhaft; was für ein bedauernswerter Abschluss nach einem derartigen Aufwand – nach einem Besuch in Amerika bei dem Mann! Die Stelle, die mich aber wirklich nervt, weil sie mich an gar so viele inkompetente Redaktionen meiner eigenen Übersetzungen erinnert, ist diese: „Ich liebe diese Arbeit und ich liebe es, morgens aufzustehen und zu denken … Dort sind überall Dinge versteckt und unbekannt.” WTF!, möchte man schreien. Und selbst wenn man weiterliest: “Ich finde es leichter zu arbeiten, als nicht zu arbeiten.“ Es folgt kein Sinn. Und ich spreche hier noch nicht mal von der Deppenformel ‘ich liebe es’ mit folgender Infinitivkonstruktion (dagegen ist längst kein Kraut mehr gewachsen), auch wenn ich weiß, dass der Mann nicht so spricht. Das sieht man an seinen Büchern und an seinen Interviews; der Mann ist keine plappernde US-Promitusse, die sich in ihren fünfzehn Minuten suhlt, er ist keiner, der „es liebt, etwas zu tun“, der Mann ist einer der „etwas gerne macht“ oder nicht. Aber darauf will ich hier gar nicht hinaus, was hier nervt, ist die Übersetzung von „there is“ mit „dort sind“. Was der Mann sagen wollte ist, „Es gibt auf der Welt da draußen so Vieles aufzudecken.“ Warum schreibt man das nicht einfach hin?