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Ralph Elli­son › Die Bio­gra­phie (1)

Die Ent­de­ckung der Sichtbarkeit

Mit Invi­si­ble Man ver­öf­fent­lich­te der Afro-Ame­ri­ka­ner Ralph Elli­son 1952 einen Jahr­hun­der­t­ro­man. Vom wei­ßen Ame­ri­ka mit Ehren und Sine­ku­ren über­häuft, fehl­te nur eines in sei­nem Leben – ein zwei­ter Roman. Arnold Ram­pers­ad schreibt die ver­mut­lich defi­ni­ti­ve Bio­gra­phie des gro­ßen Autors. 

»Viel­leicht«, so der namen­lo­se Erzäh­ler im Invi­si­ble Man, »mag ich Lou­is Arm­strong, weil er aus der Unsicht­bar­keit Poe­sie gemacht hat. Ich den­ke, das liegt dar­an, dass er sich sei­ner Unsicht­bar­keit nicht bewusst ist.« Mehr als irgend­et­was an Elli­sons Roman ist mir die­ser Satz im Gedächt­nis geblie­ben. Oder bes­ser, die Irri­ta­ti­on, die ich dabei emp­fand. Der Vor­wurf an Arm­strong, er bedie­ne naiv die Wunsch­vor­stel­lun­gen einer wei­ßen Welt vom unge­fähr­li­chen kul­ler­äu­gi­gen schwar­zen Clown. Natür­lich spricht hier eine Roman­fi­gur. Und ich will auch nicht ver­heh­len, dass die­se Irri­ta­ti­on sich mit einer ande­ren ver­band, die mir seit jeher High Socie­ty ver­gällt hat, den Film, in dem der Olym­pi­er des Jazz den wei­ßen Croo­ner Crosby mit »Mr. Bing« anzu­spre­chen hat, wäh­rend der ihn ganz selbst­ver­ständ­lich mit »Lou­is« tituliert.
So per­sön­lich und objek­tiv frag­wür­dig mei­ne Reak­ti­on auch gewe­sen sein mag, ich fand die­sen Satz aus der Feder eines Kopf­men­schen, dem Kunst und hin­ter­grün­di­ger Tief­gang grund­sätz­lich über die Erfah­rung zu gehen schien, über­heb­lich; aus dem Mun­de eines Man­nes, der sich nach dem unge­heu­ren Erfolg sei­nes Debüts für den Rest sei­nes Daseins eisig hin­ter Ehren­äm­tern ver­steck­te, wäh­rend Satch­mo jovi­al drau­ßen im Leben sei­nen Mann stand, war das gemein. Ich konn­te mich des Gefühls nicht erweh­ren, Elli­son sei ein arro­gan­ter und eben kein net­ter oder wenigs­tens kein groß­her­zi­ger Mensch.
Und die­sen Ein­druck scheint, auf den ers­ten Blick wenigs­tens, die­se eben­so gro­ße wie groß­ar­ti­ge Bio­gra­phie zu bestä­ti­gen. Das fast 700 Sei­ten star­ke Werk ist nach­ge­ra­de ein mit gro­ßer Akri­bie zusam­men getra­ge­ner Kata­log all­zu mensch­li­cher Makel und Unzu­läng­lich­kei­ten, die zunächst ein­mal einer Bewun­de­rung für den Mann im Wege ste­hen. So erscheint Elli­son als eli­tä­rer, maß­los prä­ten­tiö­ser Snob, dem vor allem an der gesell­schaft­li­chen Stel­lung gele­gen ist, die ihm nur eine wei­ße Welt geben kann. Sei­ne Äuße­run­gen über Ver­tre­ter des moder­nen Jazz von Miles Davis über John Col­tra­ne und Hor­ace Sil­ver bis hin zum Modern Jazz Quar­tet sind schlicht bös­ar­tig. Eben­so dün­kel­haft wie her­ab­las­send fragt er den schwar­zen Dich­ter Quin­cy Trou­pe ein­mal auf einer Par­ty in der noblen Park Ave­nue, wie der denn dort­hin gekom­men sei. Über­haupt wähn­te er sich als Aris­to­kra­ten, der die Nähe ande­rer Aris­to­kra­ten such­te und eine tie­fe Ver­ach­tung heg­te für alles Gewöhn­li­che, vor allem bei Schwar­zen und der schwar­zen Kul­tur. Sei­ne Loya­li­tät scheint nur denen gegol­ten zu haben, die ihm das fei­ne Leben ermög­lich­ten, das er führ­te; als Freund jeden­falls war auf ihn kei­nes­wegs selbst­re­dend Ver­lass. Wo immer er als ers­ter Schwar­zer zuge­las­sen wur­de, wie etwa in der exklu­si­ven Cen­tu­ry Asso­cia­ti­on, schien ihm das voll­auf zu genü­gen; als man dort über die Auf­nah­me von Frau­en debat­tier­te, woll­te er davon nichts hören. Ein eher unin­spi­rier­ter Pro­fes­sor, hat­te er nur wider­wil­lig Kon­takt mit sei­nen Stu­den­ten; von jun­gen schwar­zen Autoren woll­te er schon gleich gar nichts hören. Undank­bar war er, nicht zuletzt der Mut­ter gegen­über; sein unkom­pli­zier­ter Bru­der, der sei­ne Ambi­tio­nen nicht teil­te, war ihm zu dumm. Als Gat­te war er untreu bis see­lisch grau­sam. Und klein­lich war er. Und gei­zig. Und wenn er etwas getrun­ken hatte…


Nein, nein, das lie­ße sich tat­säch­lich so lesen, umso mehr als der Bio­graph prak­tisch sämt­li­che Ver­feh­lun­gen auf­zählt, derer er hab­haft wer­den konn­te, und das wohl doku­men­tiert. Wobei Ram­pers­ad sich leicht tut, haben die Elli­sons doch alles auf­be­wahrt (bis zur letz­ten fin­gier­ten Quit­tung über Bewir­tungs­kos­ten für einen Inter­view­er, der jedoch in Wirk­lich­keit noch nicht ein­mal ein Glas Was­ser bekom­men hat­te) und der Libra­ry of Con­gress vermacht.
Der Bio­graph als Lynch­mob? Durch­aus nicht, Ram­pers­ad ist offen sei­nem Gegen­stand gegen­über und von gro­ßer, wenn auch ange­mes­sen tro­cke­ner Tole­ranz. Eine Bio­gra­phie dür­fe kei­ne Hagio­gra­phie wer­den, begeg­net Ram­pers­ad selbst dem Vor­wurf, Elli­son nicht zu mögen. »Ich muss­te die Wahr­heit sagen.«
Nun, sehen wir uns die­se Wahr­heit doch näher an.

(Fort­set­zung folgt)

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