»Back einen Kuchen lieber Freund, durch den die Sonne dreimal scheint, dann wirst du nicht gehenkt.« So der Legende nach die Aufforderung eines süddeutschen Landesherrn an einen Bäcker, der des einen oder anderen Frevels wegen sein Leben verwirkt hatte. Gesagt getan; ein Schlingel also, der die erste Brezn schlang. (Seid mir nicht böse, Leute, aber für mich als Bayer klingt »Brezel« schlicht schwul.) Es gibt sie nun seit dem finsteren Teil des Mittelalters. Ihr Name leitet sich interessanterweise vom lateinischen »brachium« (Arm) ab – die Mitte der Brezn erinnert an zwei gekreuzte Arme – und wurde über Umwege und zahlreiche Nebenform zu der ab dem 12. Jh. belegten »brezza«. Im 19. Jh. kam, angeblich Folge eines kleinen Malheurs, das Natronbad dazu, und die Laugenbreze war geboren. (Keine Bange, die ätzende Wirkung der Natronlauge geht durch das Backen verloren.)
Auch die Amerikaner kennen die Brezn. Aber die müssen – wie immer – gleich übertreiben. Am 26. April feierten sie den National Pretzel Day, ein Konstrukt der Industrie, um der 550-Million-Dollar-Branche neuen Aufwind zu geben. Sie machen jetzt sogar M&Ms mit Brezn-Geschmack. Und jüngst auch noch Laugenstangen. Wie wir sie seit ewig kennen.Und natürlich machen sie als Amerikaner ein großes Trara um diese »Erfindung«; die Dinger gerade so richtig trendig. es gibt sie in Gourmet-Bäckereien in allerhand Geschmacksrichtungen von Paprika bis Cheddar. (Ich gehe jede Wette ein, damit ist der unsägliche orangefarbene amerikanische Cousin des englischen Goldstücks gemeint.) Wie auch immer, die Amerikaner nennen die Laugenstange offensichtlich ein »pretzel-baguette«.
Nun, es ist schon fragwürdig genug, wenn hierzulande von »Baguette-Brötchen« die Rede ist, aber immerhin ist die Bezeichnung letztlich korrekt. Ist eine Laugenstange ein Baguette? Fraglich, aber mit Sicherheit ist eine Brezn eben nur dann eine Brezn ist, wenn sie eine ist. Anders gesagt, etwas muss die Form einer Brezn haben, um eine Brezn zu sein. Eine Breznstange, »a pretzel roll« (ein Breznbrötchen oder womit auch immer Sie das »Brötchen« ersetzen wollen), ist breznimmanent ein Unfug. Ein ähnlicher Unfug, wie eine Pizza als »pie« zu bezeichnen, wo selbst kulinarisch Zurückgebliebene wie ich wissen, dass eine »pie« einen Deckel zu haben hat.
Aber alles in allem, auch wenn ich mir unter dem Begriff »pretzel-baguette« erst einmal ein Monster vorgestellt habe, das einen Schatten selbst über eine hauseigene Perversion wie die Wiesenbrezn geworfen hätte, wenn man so ’n bisschen durchs Web streift und nachguckt, was die ‘rikaner so alles drauftun auf ihr »pretzel baguette«, »fried egg and goat cheese«, »lime-tequila crème fraiche« etwa, da sollte man vielleicht die Klappe gar nicht so weit aufreißen, wenn einem jahrelang nichts Besseres als Schwarzwälder Schinken, Knochlauchsalami oder Gouda als Draufgabe auf eine Langenstange einfällt.
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Foto: Elke Müller