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Grenz­steu­er­satz oder Über­set­zen im grenz­de­bi­len Bereich

Wie­der mal etwas Gegran­tel zum The­ma Über­set­zen gefäl­lig? Dann las­sen Sie mich hier kurz – na gut, so kurz es eben bei einem geht, der sei­nen Beruf ernst nimmt – auf einen »Über­set­zungs­feh­ler« ein­ge­hen, der sich die­ser Tage ein­ge­schli­chen hat. Ich gehe mal davon aus, dass man das noch nie »rich­tig« über­setzt hat, aber mit der Dis­kus­si­on um die Besteue­rung der Super­rei­chen in Ame­ri­ka ist das Pro­blem akut und droht mir damit als Pro­fi zum Pro­blem zu wer­den, da einem irgend­wann nichts mehr ande­res übrig bleibt, als die gän­gi­ge »fal­sche« Lösung nach­zu­plap­pern – weil einen sonst kei­ner ver­steht. Und das nervt. Ich erin­ne­re an die lei­di­ge »Finanz­klip­pe«…

Die Rede ist von der Über­set­zung des Begriffs »mar­gi­nal tax« mit »Grenz­steu­er«. Und gleich vor­ab: das Pro­blem beginnt sicher bereits im Eng­li­schen, wo man offen­sicht­lich auch schon auf die Unter­schei­dung ver­zich­tet, um die es mir geht. Ich soll­te also – im Gegen­satz zur dep­per­ten »Fis­kal­klip­pe« – etwas zurück­ru­dern und beto­nen, dass ich hier leig­lich dafür plä­die­re, bei Über­set­zun­gen mehr auf sol­che Unter­schie­de zu ach­ten und prä­zi­ser zu Wer­ke zu gehen. Also, ich neh­me das »grenz­de­bil« aus der Über­schrift hier­mit zurück; eini­gen wir uns auf »grenz­wer­tig«…

Und um etwas wei­ter aus­zu­ho­len: man soll­te beim Über­set­zen nicht ein­fach Wör­ter ins  Deut­sche zer­ren, son­dern erst mal über­le­gen, »was gemeint ist«, und dann über­le­gen, wie sich das im Deut­schen aus­drü­cken lässt.

So, let me break that down to you…

Also, nach­dem ich selbst bei der Arbeit gra­de mit der »mar­gi­nal tax rate« gefor­dert bin & ich alles, was mir unter­kommt, in mei­ne Daten­bank ein­pfle­ge & falls es schon drin ist, dem Ein­trag eine Klei­nig­keit hin­zu­fü­ge, habe ich mir das dies­mal denn auch mal genau­er ange­se­hen. Was hat es es mit die­ser »mar­gi­nal tax rate« auf sich. Und zwar unab­hän­gig von den Super­rei­chen, schließ­lich habe ich als Frei­be­ruf­ler auch ab & an mal zu tun. Und da der Über­set­zer bei »Grenz­wert« eher an sei­ne »grenz­wer­ti­ge« Hono­rie­rung denkt, hat das mit viel Geld – also einer abso­lu­ten Men­ge – nun sicher nichts zu tun.

A mar­gi­nal tax rate is the tax rate on inco­me set at a hig­her rate for inco­mes abo­ve a desi­gna­ted hig­her bra­cket, which in 2016 in the United Sta­tes was $415,050. For annu­al inco­me that was abo­ve cut off point in that hig­her bra­cket, the mar­gi­nal tax rate in 2016 was 39.6%. For inco­me below the $415,050 cut off, the lower tax rate was 35% or less.
In the United Sta­tes in 2016, for exam­p­le, the hig­hest mar­gi­nal fede­ral inco­me tax rate was 39.6%, app­ly­ing to ear­nings over $415,050. Ear­nings under $415,050 that year had a lower tax rate of 35% or less. 1

Es geht also nicht um einen abso­lu­ten Wert, son­dern den Wert, der einen in die nächs­te Tarif­klas­se kata­pul­tiert. Wie im Deutschen:

Der Grenz­steu­er­satz (mar­gi­na­ler Steu­er­satz) bezeich­net den Steu­er­satz, mit dem die jeweils nächs­te Ein­heit der Steu­er­be­mes­sungs­grund­la­ge belas­tet wird. Er gibt an, wel­cher Anteil eines zusätz­lich zu ver­steu­ern­den Euro (oder ande­rer Wäh­rungs­ein­heit) als Steu­er abge­führt wer­den muss. 2

Lass­sen Sie mich dazu aber hier gleich Beru­fe­ne­re zitie­ren als mich:

Kom­men wir nun also zum Grenz­steu­er­satz. Er gibt für Ihr Ein­kom­men an, wie viel Steu­ern Sie für einen zusätz­lich ver­dien­ten Euro an Steu­ern zah­len müss­ten. … In Deutsch­land hängt der Grenz­steu­er­satz … von der Höhe des Ein­kom­mens ab. Für die Ein­kom­men­steu­er gibt es bei uns fünf Tarif­zo­nen, … 3

Und ich beschrän­ke mich hier auf zwei Bei­spie­le, die auch gleich auf den Punkt brin­gen, wor­um es hier geht:

Tarif­zo­ne 1: Das zu ver­steu­ern­de Ein­kom­men beträgt höchs­tens 8.652 Euro (Grund­frei­be­trag). Hier fällt kei­ne Ein­kom­men­steu­er an. …
Tarif­zo­ne 5: Alles was über 254.446 Euro liegt, hat den Grenz­steu­er­satz von 45 Pro­zent. Das ist der höchst­mög­li­che Grenz­steu­er­satz, des­halb heißt er Spit­zen­steu­er­satz3

Hier fällt denn auch gleich der Begriff, der im Eng­li­schen wie im Deut­schen in Bezug auf die Super­rei­chen »gemeint ist«: Spit­zen­steu­er­satz. Genau der ist es, um den es hier geht.

Wenn hier nicht über­setzt wür­de, d.h. wenn einer der Leu­te, die hier mit »Grenz­steu­er« ope­rie­ren, weil im Eng­li­schen davon die Rede zu sein scheint, wür­de er von Haus aus mit dem Spit­zen­steu­er­satz ope­rie­ren. War­um also bei der Über­set­zung nicht ein­fach das Hirn ein­schal­ten? Natür­lich fällt man ger­ne auf sol­che »fal­schen Freun­de« rein, aber doch wohl nur im ers­ten Augen­blick. Liest man sei­ne Über­set­zung noch mal durch, soll­te einem der Feh­ler auf­fal­len. Das lässt sich sicher locker mal nachgoogeln…

Und ich spre­che hier nicht von den Maschi­nen­über­set­zun­gen, die das Web mit lau­si­gem Deutsch ver­kleis­tern. Dum­mer­wei­se sind die mitt­ler­wei­le so gut, dass man zunächst gar nicht merkt, was sich da für ein Mist ein­schleicht. Das macht sie ja so gefähr­lich. Aber soll­te man denn wirk­lich ein­fach alles nach­plap­pern? Ich erin­ne­re an die »losen Kano­nen« oder die mitt­ler­wei­le mehr als ner­vi­ge Wen­dung »am Ende des Tages«. Nach­plap­pern? Ja doch, Über­set­zungs­feh­ler wer­den als ange­sag­tes, par­don, hip­pes Deutsch gewer­tet & ad nau­seam wiederholt.

Und gera­de im Zeit­al­ter alter­na­ti­ver News & alter­na­ti­ver Fak­ten soll­te man in Publi­ka­tio­nen, die ernst genom­men wer­den wol­len, mehr denn je auf Prä­zi­si­on ach­ten. Sonst wird’s Alter­na­tiv-Deutsch. Und ich spre­che hier nicht von mei­ner heiß­ge­lieb­ten deut­schen Umgangs­spra­che. Ver­wech­seln Sie mir das nicht…

Das Pro­blem, falls es dem einen oder ande­ren nicht ein­leuch­ten soll­te, ist ein­fach, dass man als Über­set­zer eine gewis­se Ver­pflich­tung ein­geht, nicht nur dem Autor gegen­über, son­dern auch dem Leser, eine Ver­pflich­tung, dem deut­schen Leser das zu bie­ten, was der Autor »meint«, mit ande­ren Wor­ten: das in jedem Fall rich­tig zu über­set­zen, selbst wenn der Autor im Eng­li­schen den­sel­ben »Feh­ler« macht…

Ich las­se mich ger­ne eines Bes­se­ren belehren.

 

 

 

(Gehört eigent­lich in die Kolum­ne »Geht’s auch auf Deutsch«.)

 

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