Natürlich ist diese Kolumne in erster Linie Gegrantel; aber um es in Anlehnung an die klassische Apologie des Paranoikers zu sagen: Heißt ja noch lange nicht, dass es nichts zu granteln gibt. Anders ausgedrückt, es ist halt doch etwas dran, wenn ich behaupte, dass die Entwicklung der deutschen Sprache zunehmend von Leuten bestimmt wird, die unbeholfen aus dem Englischen gezerrte wörtliche Brocken auf den Faden ihres traurigen Mangels an Sprachgefühl reihen. Müssen Übersetzungen, gerade aus dem Englischen – wo jeder meint mitreden zu können – denn wirklich auf das Niveau von Emotikons sinken?
Mit der dümmste Übersetzungsfehler in Krimis, hartgesotten oder weichgespült, ist neben dem depperten »Detective 2. Grades« (für »2nd class«, Herrgottnochmal!) seit jeher die Übersetzung von »conspiracy« mit »Verschwörung«.
Ich habe mir das selbst des Öfteren reinschreiben lassen müssen von Lektoren, die nicht zwischen einer »Pistole« und einem »Revolver« unterscheiden können; ja doch, im Deutschen macht man da einen Unterschied, selbst wenn das Französische diesen nicht macht! Von »Luftgewehrpatronen« will ich erst gar nicht anfangen… Ich würde da mittelalterliche Strafen vorschlagen – wie lebenslangen Griffelentzug.
»Krimis, was soll’s?« werden sich da viele denken. Nun, ich meine, man sollte einfach die Finger von Sachen lassen, von denen man keine Ahnung hat – oder die einen nicht genug interessieren, um sich in die Materie einzuarbeiten, wie das Lektorat das leider so an sich hat. Und das gilt zehnmal im Falle von Autoren, die akribisch für ihre Thriller recherchieren.
Aber wie gesagt: Im Augenblick scheinen wir uns dem Kipppukt zu nähern, an dem die deutsche Sprache unwiederbringlich an die Amateure unter den »Übersetzern« verlorengeht. Und deshalb moniere ich die »Verschwörung« noch mal, weil ich sie grade im Spiegel – Chronik, Dezember 2019 – lesen muss.
Es geht um Julian Assange, der – was auch immer da in Schweden passiert sein mag – in jedem Land der Welt seine Strafe in Einzelhaft abgesessen hätte.
»Fast gleichzeitig publiziert die US-Justiz eine Anklage wegen ›Verschwörung zum Computereinbruch‹.«1
Ich will hier gar nicht davon anfangen, was für eine Idiotie die Formulierung »Vorschwörung zum Computereinbruch« an sich ist, egal, egal wie der deutsche Jurist diese Art von »Einbruch« nun tatsächlich so nennt. Wenn wir uns im juristischen Bereich bewegen, zählen Begriffe – so möchte man wenigstens meinen – mindestens ebenso wie, sagen wir mal, in der Technik. Es gibt im deutschen Strafgesetzbuch den Begriff der »Verschwörung« ebensowenig wie den eines »Mordes zweiten Grades«. Und, sorry, aber übersetzen wir nun »ins Deutsche«, oder nicht? Ich meine, warum das nicht einfach richtig machen? Übrigens sprechen wir hierzulande noch nicht mal von einer »Verschwörung«, wenn es sich tatsächlich um ein solche handeln sollte – ich spreche von einer politischen Verschwörung.
Ohne hier einen auf studierten Juristen machen zu wollen, aber im Falle von »conspiracy« ist die Rede von einer »Verabredung« zu einem Verbrechen, einer Straftat etc. Und die »Verabredung eines Verbrechens« ist eben bereits strafbar. Die »Anforderungen an die Konkretisierung einer in Aussicht genommenen Tat« sind hier erst mal zweitrangig.
- Spiegel Chronik 2019, Seite 67 [↩]