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Trump-Wör­ter­buch #24: Mike Pence

Donald Trump behaup­tet so gern wie oft, die Repu­bli­ka­ner sei­en zur rei­nen MAGA-Par­tei gewor­den, die Grand Old Par­ty stün­de, mit ande­ren Wor­ten, zu 100 Pro­zent hin­ter ihm und sei­nem Pro­gramm zur Abschaf­fung der Demo­kra­tie in den USA. So ganz rich­tig ist das, wen woll­te das bei der durch­ge­knall­ten Oran­ge wun­dern, aller­dings nicht. Wie so eini­ge sei­ner Wäh­ler wen­den sich auch immer mehr Par­tei­ge­nos­sen von dem Mann ab. Spät und aus wel­chen Grün­den auch immer, aber immer­hin. Ein Mann, der bereits viel frü­her Rück­grat gezeigt und sei­nem Boss Paro­li ent­schie­den gebo­ten hat, ist Trumps ehe­ma­li­ger Vize Mike Pence. 

Mike Pence ist Repu­bli­ka­ner durch und durch und, dar­an besteht nicht der gerings­te Zwei­fel, erz­kon­ser­va­tiv. Der ehe­ma­li­ge Gou­ver­neur des Bun­des­staats India­na und spä­te­re Abge­ord­ne­te des US-Reprä­sen­tan­ten­hau­ses, tat sich vor allem durch sei­ne Anti-Abtrei­bungs­in­itia­ven, die För­de­rung pri­va­ter – sprich kos­ten­pflich­ti­ger – Bil­dung, und die größ­ten Steu­er­sen­kun­gen in der Geschich­te India­nas her­vor.1 Mit sei­ner Vor­la­ge zu einem Reli­gious Free­dom Act2, einem Gesetz zur Wie­der­her­stel­lung der Reli­gi­ons­frei­heit, stieß er selbst in sei­ner eige­nen Par­tei auf Wider­stand, geschwei­ge denn bei all denen, die nicht der Vor­stel­lung des weiß-christ­li­chen Main­streams von Männ­lein und Weib­lein ent­spra­chen. Sie befürch­te­ten eine Dis­kri­mi­nie­rung unter ande­rem auf­grund von sexu­el­ler Ori­en­tie­rung, Geschlechts­iden­ti­tät. Auch sei­ne Schuss­waf­fen­po­li­tik ent­spricht ganz der Linie der Natio­nal Rif­le Asso­cia­ti­on.

Das nur kurz vor­ab, um klar­zu­stel­len, dass der Mann alles ande­re als ein Libe­ra­ler ist. Obwohl er sich 2016 zunächst für Ted Cruz stark gemacht hat­te, unter­stütz­te er plötz­lich, prak­tisch über Nacht, Donald Trump. Als Grund dafür nann­te er sei­ne Dank­bar­keit dafür, dass Trump sich gegen die Abwan­de­rung von Arbeits­plät­zen von India­na nach Mexi­ko stark gemacht hat­te.3 Kurz dar­auf sah Pence sich zu Trumps Vize ernannt und unter­stütz­te sei­nen Prä­si­den­ten mit uner­schüt­ter­li­cher Loya­li­tät. Nicht nur des­sen Afgha­ni­stan-Poli­tik, er stand ihm auch bei unzäh­li­gen Kon­tro­ver­sen zur Sei­te, so etwa im Fal­le des »Access Hollywood«-Tapes4, bei Trumps Ein­tre­ten für Wla­di­mir Putin gegen­über den US-Geheim­diens­ten sowie nach der töd­li­chen Kund­ge­bung Rechts­ra­di­ka­ler in Char­lot­tes­ville5 und vie­lem mehr.6

Dar­über ist Pence, der bereits in der Poli­tik war, als man von Trump im poli­ti­schen Kon­text noch nicht ein­mal sprach, für vie­le der­je­ni­ge, der die kon­ser­va­tiv gläu­bi­ge Rech­te auf Trump gebracht oder sie ihm zuge­führt hat. Alys­sa Farah Grif­fin, Spre­che­rin für Trump und Pence, sag­te dazu: »Über­all im Land gibt es Men­schen wie mich, die ihm ver­trau­en. Sie hal­ten ihn für einen Mann des Glau­bens. Wahr­schein­lich ist er der­je­ni­ge, der sie 2016 von Trump über­zeugt hat.«7

Mitt­ler­wei­le hat er sich von Trump distanziert. 

Fra­ge: … aber von Ihnen haben wir nichts gehört. Wer­den Sie Ihren ehe­ma­li­gen Prä­si­den­ten unter­stüt­zen, schließ­lich waren Sie beim letz­ten Mal mit ihm auf sei­ner Liste? 

Nun, Mar­tha, ich weiß die Fra­ge zu schät­zen, und es dürf­te nie­man­den über­ra­schen, dass ich Donald Trump die­ses Jahr nicht unter­stüt­zen wer­de. Sehen Sie, ich bin unglaub­lich stolz auf die Bilanz unse­rer Regie­rung. Es war eine kon­ser­va­ti­ve Bilanz, die Ame­ri­ka wohl­ha­ben­der und siche­rer gemacht hat, und … und die Kon­ser­va­ti­ve ernannt sah auf unse­rem Kurs in eine fried­li­che­re Welt … äh … aber … äh … so weit, so gut, wäh­rend mei­ner Prä­si­dent­schafts­kam­pa­gne habe ich jedoch deut­lich gemacht, dass es tief­grei­fen­de Dif­fe­ren­zen gibt zwi­schen mir und … und Prä­si­dent Trump in einer Rei­he von Fra­gen … und … und … und nicht nur, äh, unse­re Dif­fe­ren­zen in Bezug auf mei­ne ver­fas­sungs­mä­ßi­gen Pflich­ten, denen ich am 6. Janu­ar nachkam. 

Nun, die­se »ver­fas­sungs­mä­ßi­gen Pflich­ten« bedeu­te­ten am 6. Janu­ar 2021, dass Mike Pence als Senats­prä­si­dent der offi­zi­el­len Aus­zäh­lung der Wahl­män­ner­stim­men vor­saß. Er hat­te zu tun, was Joe Biden im Janu­ar 2017 getan hat­te, näm­lich das Gespann mit der Stim­men­mehr­heit zu Prä­si­dent und VP zu erklä­ren.8 2017 hat­te Biden anstands­los, wenn auch ver­mut­lich zäh­ne­knir­schend, das Team Trump/Pence zum Sie­ger über das Team Clinton/Kaine erklärt. Die Fra­ge, ob Mike Pence, der Trump immer­hin vier Jah­re lang gera­de­zu hün­disch gedient hat­te, die­sen Pflich­ten nach­kom­men wür­de, stand schon Ende des Vor­jah­res im Raum: »Wer­den Mike Pen­ces ver­fas­sungs­recht­li­che Pflich­ten ihm die poli­ti­sche Zukunft rui­nie­ren? Vier Jah­re lang hat er ver­sucht, sich als Trumps Nach­fol­ger zu posi­tio­nie­ren, doch nun hat er gegen den Wider­stand sei­nes Chefs den Vor­sitz über Bidens Amts­an­tritt zu über­neh­men.«9 Mike Pence kam die­ser Ver­pflich­tung nach und erklär­te das Team Biden/Harris zu Prä­si­dent und VP. Und Trump in sei­ner psy­cho­pa­thi­schen Art sah in Pen­ces Pflicht­be­wusst­sein nicht nur einen Ver­rat, son­dern den Ver­rat schlecht­hin. Und wer immer Trumps Mei­nung dem Mob gesteckt hat­te, die­ser brüll­te den Zorn sei­nes Sek­ten­füh­rers vor lau­fen­den Kame­ras skan­die­rend hin­aus in die Welt: 

Mob: Hängt Mike Pence! Hängt Mike Pence!
Sie erin­nern sich an die Sprech­chö­re: Hängt Mike Pence! Hängt Mike Pence?
Nun, mit Jack Smith’s Ermitt­lun­gen ver­trau­ten Quel­len zufol­ge sag­te Trumps ehe­ma­li­ger per­sön­li­cher Assis­tent, Nick Luna, Bun­des­er­mitt­lern gegen­über, Trump hät­te, als er erfuhr, man hät­te sei­nen Vize­prä­si­den­ten schnell in Sicher­heit brin­gen müs­sen, mit einem ›Na und?‹ reagiert.
Außer­dem habe Luna den­sel­ben Quel­len zufol­ge Ermitt­lern gegen­über aus­ge­sagt, Trump hät­te durch­aus ›zuge­las­sen, dass einem sei­ner bis dahin engs­ten Ver­bün­de­ten etwas zustieß‹

»Mike Pence«, so twit­ter­te Trump noch am sel­ben Nach­mit­tag, »hat­te nicht den Mut, zu tun, was zum Schutz unse­res Lan­des und unse­rer Ver­fas­sung hät­te getan wer­den müs­sen, näm­lich den [Bundes]Staaten die Mög­lich­keit zu geben, einen kor­ri­gier­ten Sach­ver­halt abzu­seg­nen und nicht den betrü­ge­ri­schen oder unge­nau­en, den sie zuvor bestä­ti­gen soll­ten.«10

Mike Pence hät­te also mit der Bekannt­ga­be des Wahl­er­geb­nis­ses war­ten sol­len, bis die auf Geheiß sei­nes Prä­si­den­ten »kor­ri­gier­ten« Resul­ta­te ein­tru­del­ten. »In der Zeit zwi­schen der Wahl und dem Auf­ruhr dräng­te Trump die loka­len Wahl­be­am­ten, die Wahl­er­geb­nis­se in ihren Bun­des­staa­ten rück­gän­gig zu machen, übte Druck auf … Mike Pence aus, die Bestä­ti­gung der Stim­men zu stop­pen, und behaup­te­te fälsch­li­cher­wei­se, die Wahl sei gestoh­len wor­den — eine Behaup­tung, die von Rich­tern wie­der­holt zurück­ge­wie­sen wur­de.«11 Natür­lich hät­te Pence als Senats­prä­si­dent und Vor­sit­zer der Aus­zäh­lung mau­ern kön­nen, etwa mit Trumps Geg­rei­ne, wie unfair das doch alles gelau­fen sei. Tat­sa­che ist, dass Pence wohl noch den Fun­ken Anstand hat, der sei­nem Herrn und Meis­ter so völ­lig abgeht, er hät­te sich also wohl geniert, das so offen­sicht­lich kor­rek­te Ergeb­nis anzuschwärzen. 

In sei­nen Memoi­ren So Help me God12 wirft Mike Pence Donald Trump­vor allem vor, sei­ne Fami­lie und all die Men­schen in Gefahr gebracht zu haben, die am 6. Janu­ar 2021 am Capi­tol ihrer Arbeit nach­gin­gen oder ihren Dienst taten. Die Auf­stän­di­schen, so Pence, »waren gekom­men, jum gegen das Wahl­er­geb­nis zu pro­tes­tie­ren und den Kon­gress dar­an an der Erfül­lung sei­ner Pflich­ten zu hin­dern, näm­lich die Stim­men der Wahl­män­ner zu öff­nen und zu zäh­len. Dass sie auch nach ihm gesucht hat­ten, habe er erst spä­ter erfahren. 

Sein Buch beginnt mit den Wor­ten »Ich war Prä­si­dent Trump gegen­über immer loy­al.« Vier Jah­re, so schreibt er, hät­ten sie bei­de eng zusam­men­ge­ar­bei­tet und nach Ablauf ihrer Amts­zeit hät­ten sie sich freund­schaft­lich getrennt, »aber als der Prä­si­dent sich wie­der der Rhe­to­rik beflei­ßig­te, die er vor die­sem tra­gi­schen Tag gepflegt hat­te, und öffent­lich all die von uns kri­ti­sier­te, die die Ver­fas­sung ver­tei­digt hat­ten, kam ich zu dem Schluss, dass es wohl das Bes­te sei, wenn sich unse­re Wege trennten.«

Inter­es­sant frei­lich ist, dass Pence in sei­nem Buch nicht ein ein­zi­ges Mal Bidens fai­ren Wahl­sieg bestä­tigt. Und dass er seit­her zwar gesagt hat, er wür­de Trump nicht unter­stüt­zen, ohne dabei aus­drück­lich zu sagen, dass er den Mann nicht wäh­len wür­de, spricht wohl Bän­de. Biden jeden­falls, das hat er aus­drück­lich gesagt, käme für ihn nicht in Fra­ge. Da ist bei allem Rück­grat der reli­giö­se Ultra in ihm wohl doch stär­ker als der ver­fas­sungs­kon­for­me Patriot. 

Anmer­kun­gen

  1. Wiki­pe­dia. ↩︎
  2. Reli­gious Free­dom Res­to­ra­ti­on Act (Gesetz zur Wie­der­her­stel­lung der Reli­gi­ons­frei­heit) »Ver­bie­tet jeder Behör­de, jedem Minis­te­ri­um oder Beam­ten der Ver­ei­nig­ten Staa­ten oder eines Bun­des­staa­tes (dem Staat), die freie Reli­gi­ons­aus­übung einer Per­son selbst dann wesent­lich zu ein­zu­schrän­ken, wenn die­se Ein­schrän­kung aus einer all­ge­mein anwend­ba­ren Vor­schrift resul­tiert, mit der Aus­nah­me, dass der Staat die Reli­gi­ons­aus­übung einer Per­son dann ein­schrän­ken kann, wenn er nach­weist, dass die Anwen­dung die­ser Ein­schrän­kung auf die Per­son: (1) ein zwin­gen­des staat­li­ches Inter­es­se för­dert und (2) das am wenigs­ten ein­schrän­ken­de Mit­tel zur För­de­rung die­ses zwin­gen­den staat­li­chen Inter­es­ses ist.« H.R.1308 — 103rd Con­gress (1993–1994). ↩︎
  3. Nick Gass, »India­na Gov. Mike Pence endor­ses Donald Trump«. Poli­ti­co. 05/06/2016. Es ging dabei ins­be­son­de­re um die Schlie­ßung von Car­ri­er Air­con­di­tio­ner, einem Unter­neh­men, das – heu­te in Mexi­ko und Chi­na – Kli­ma­an­la­gen her­stellt. ↩︎
  4. Donald Trump Access Hol­ly­wood tape ↩︎
  5. Trump sag­te damals: »Ich den­ke, dass bei­de Sei­ten schuld sind. Man muss sich bei­de Sei­ten anse­hen. Ich den­ke, dass es auf bei­den Sei­ten Schuld gibt, und ich habe kei­nen Zwei­fel dar­an… Sie hat­ten da auf bei­den Sei­ten sehr gute Leu­te.« POLITICO Staff, »Trump’s comm­ents on white supre­macists, ‘alt-left’ in Char­lot­tes­ville«. 08/15/2017. ↩︎
  6. Brett Samu­els, »Pence makes ‘dam­ning state­ment’ with refu­sal to back Trump«. The Hill. 03/20/24. ↩︎
  7. Brett Samu­els, »Pence makes ‘dam­ning state­ment’ with refu­sal to back Trump«. The Hill. 03/20/24. ↩︎
  8. »Der Prä­si­dent des Senats ver­kün­det das Ergeb­nis der Wah­len in den Bun­des­staa­ten und ruft dann zu Ein­sprü­chen auf. Um aner­kannt zu wer­den, muss ein Ein­spruch schrift­lich ein­ge­reicht wer­den und von min­des­tens einem Mit­glied der Kam­mer und einem Sena­tor unter­zeich­net sein. Wird ein Ein­spruch aner­kannt, zie­hen sich das Reprä­sen­tan­ten­haus und der Senat in ihre jewei­li­gen Kam­mern zurück, um nach dem in 3 U.S.C. §15 fest­ge­leg­ten Ver­fah­ren über die Begrün­det­heit etwa­iger Ein­sprü­che zu bera­ten. Nach­dem Auf­zeich­nung und Aus­zäh­lung all­ler Stim­men erklärt der Prä­si­dent des Senats, wel­che Per­so­nen zum Prä­si­den­ten und Vize­prä­si­den­ten der Ver­ei­nig­ten Staa­ten gewählt wur­den.« Mar­tin Long­man, »Will Mike Pence’s Con­sti­tu­tio­nal Duties Sink His Poli­ti­cal Future?« Washing­ton Month­ly, Decem­ber 23, 2020. ↩︎
  9. Mar­tin Long­man, »Will Mike Pence’s Con­sti­tu­tio­nal Duties Sink His Poli­ti­cal Future?« Washing­ton Month­ly, Decem­ber 23, 2020. ↩︎
  10. Jill Col­vin, »What we know about how Pence’s day unfold­ed on Jan. 6«. AP, June 16, 2022. ↩︎
  11. Col­leen Long, Zeke Mil­ler, Lind­say White­hurst e.a., »Trump indic­ted for efforts to under­mi­ne the 2020 elec­tion«. PBS. Aug 1, 2023. ↩︎
  12. Mike Pence. So Help Me God. New York: Simon & Schus­ter, 2022. ↩︎

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