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Trump-Wör­ter­buch #55: Gefühl­te Wirtschaft

Wirt­schaft ist für uns Nor­mal­ver­brau­cher eben­so ein Buch mit sie­ben Sie­geln wie für all die stu­dier­ten Volks­öko­no­men, die zwar eine Men­ge abwech­selnd popu­lä­rer Theo­rien haben und vie­le der Mecha­nis­men ver­ste­hen, aber unterm Strich die Poli­tik auch nicht hava­riefrei durch das Gewu­sel natio­na­ler und inter­na­tio­na­ler Ereig­nis­se zu lot­sen ver­mö­gen. Und wo schon die Zen­tral­ban­ken herz­lich macht­los gegen die But­ze­män­ner »Infla­ti­on« und »Rezes­si­on« zu sein schei­nen, kann der Wäh­ler nur den Kopf ein­zie­hen ob der unfehl­ba­ren Heil­mit­tel, mit denen sich Links und Rechts bom­bar­die­ren. Und da man mit ein­ge­zo­ge­nem Kopf über­haupt nichts mehr mit­be­kommt, lässt sich die Wirt­schaft fürs Stimm­vieh über­haupt nur »gefühlt« verstehen.

Zah­len spre­chen für sich, heißt es, und das mag auch rich­tig sein, aber dazu müss­te man sie sich eben auch tat­säch­lich anse­hen. Und das gar nicht so ein­fach. So fin­den sich im WWW eine Men­ge seriö­ser Ver­su­che, die wirt­schaft­li­che Situa­ti­on unter Trump und Biden zu ver­glei­chen.1 Sie alle kom­men in etwa zum sel­ben Schluss: Bei­de ver­buch­ten Erfol­ge, bei­de ver­buch­ten Miss­erfol­ge, aber unterm Strich schnei­det Biden etwas bes­ser ab, mit im Augen­blick wei­ter stei­gen­der Ten­denz. Und den­noch trau­en die Leu­te Trump – offen­sicht­lich »gefühlt«, da die Zah­len kei­ne Rol­le spie­len – in Sachen Wirt­schaft mehr zu als Biden.

Ganz oben­an bei der gefühl­ten wirt­schaft­li­chen Situa­ti­on steht die Infla­ti­on. Da hilft es auch nicht, dass zah­len­mä­ßig die Löh­ne im Zeit­raum Trump/Biden mini­mal stär­ker gestie­gen sind als die Infla­ti­on. Tat­sa­che ist, dass der Anteil ihres Ein­kom­mens, den Ame­ri­ka­ner für ihre Lebens­mit­tel aus­ge­ben müs­sen, so hoch ist wie seit 30 Jah­ren nicht mehr.2 Trumps locke­rer Umgang mit Zah­len, etwa wie wenn er von einem »Kama­la-Preis-Anstieg« spricht, der die ame­ri­ka­ni­sche Durch­schnitts­fa­mi­lie statt 8.500 Dol­lar3 angeb­lich 28.000 Dol­lar im Jahr kos­tet, ist da Öl ins Feu­er.4 Wen inter­es­siert schon, dass kein Mensch sich erklä­ren kann, wie er auf die­se Zahl kommt,5 wen inter­es­siert, dass er »Biden« dabei aus tak­ti­schen Grün­den durch »Kama­la« ersetzt. Wie auch immer, Tat­sa­che ist, dass es nie­man­dem groß nüt­zen wird, wenn sein Ein­kom­men etwas mehr steigt als die Infla­ti­on; die Infla­ti­on frisst die Lohn­er­hö­hung so gut wie auf.

Man könn­te dar­auf hin­wei­sen, dass Trump eine halb­wegs intak­te Wirt­schaft und Biden eine Covid-Rui­ne geerbt hat und dass Trump eine lust­lo­se, aber funk­tio­nie­ren­de Wirt­schaft mit Steu­er­erleich­te­run­gen und mas­si­ven Staats­aus­ga­ben ankur­bel­te. Objek­tiv gese­hen surf­te er auf den Aus­läu­fern der längs­ten öko­no­mi­schen Expan­si­ons­pe­ri­ode der ame­ri­ka­ni­schen Geschich­te.6 Sinn­los, heu­te dar­auf hin­zu­wei­sen, dass sei­ne viel gerühm­ten Steu­er­erleich­te­run­gen vor allem den obe­ren Ein­kom­mens­klas­sen »half« und die Ein­kom­mens­sche­re wei­ter öff­ne­ten7 und dass die Staats­aus­ga­ben der Regie­rung Trump alle Rekor­de bra­chen,8 die Staats­schul­den um 39% stie­gen und das Ver­hält­nis von Staats­schuld und BIP so hoch war wie seit dem Zwei­ten Welt­krieg nicht mehr. Was übri­gens eine unge­heu­re Belas­tung für die Regie­rung Biden dar­stellt, von der nie­mand spricht.9 Aber wer will’s hören? Man soll­te jedoch sehr wohl dar­auf hin­wei­sen, dass Trump, sei­ne groß­mäu­li­gen Ver­spre­chen, die Staats­aus­ga­ben zu kür­zen und die Staats­schuld zu besei­ti­gen, schlicht nicht gehal­ten hat. Die ein­zi­ge Mög­lich­keit, die er hät­te, sei­nen Bun­des­haus­halt in den Griff zu bekom­men, bestün­de dar­in, im rah­men einer wei­te­ren Redu­zie­rung des Staats all die teu­ren Pro­ble­me, wie etwa das Bil­dungs­mi­nis­te­ri­um, an die Bun­des­staa­ten zurück­zu­ge­ben. Und sich mit Alas­ka-Öl auf Kos­ten von Umwelt und Kli­ma dumm und duss­lig zu ver­die­nen.10 Das Fazit der Washing­ton Post: »Wäh­rend Trumps Amts­zeit stie­gen Löh­ne und Gehäl­ter der ein­fa­chen Arbeit­neh­mer um 15,4 Pro­zent – fast dop­pelt so stark wie die Infla­ti­on. Das gab den Men­schen das Gefühl, vor­an­zu­kom­men. Im Gegen­satz dazu haben die Löh­ne der ein­fa­chen Arbei­ter unter Biden kaum mit dem Preis­an­stieg von 19 Pro­zent Schritt hal­ten kön­nen.«11

Das wirkt sich auch im Bereich der Ungleich­heit bei den Ein­kom­men aus. Die Unter­schie­de zwi­schen den Ein­kom­men ver­schie­de­ner Grup­pen ging unter Biden zwar beträcht­lich zurück, aber je weni­ger der Ein­zel­ne ver­dien­te, des­to weni­ger merk­te er das ange­sichts des Preis­an­stiegs. Ob das unterm Strich Har­ris oder Trump nüt­zen wird, lässt sich kaum sagen. 

Covid, das nur zwi­schen­durch, ist bei alle­dem ein zwei­schnei­di­ges Schwert, das sich letzt­lich für und wider die bei­den Kon­tra­hen­ten ein­set­zen lie­ße. Alle hier zitier­ten Arbei­ten sind den jewei­li­gen Anga­ben zufol­ge »Covid-berei­nigt«, soweit das irgend­wie geht. 

Was Arbeits­plät­ze angeht, so hat­te Trump vor der Pan­de­mie bereits 6,7 Mil­lio­nen neu geschaf­fen, von denen Covid Mil­lio­nen ver­schlang. Letz­te­re sind natür­lich abzu­zie­hen von den 15,7 Mil­lio­nen Jobs, die Biden geschaf­fen hat. Unterm Strich haben heu­te 6 Mil­lio­nen Men­schen mehr Arbeit als vor Covid. Dabei ist zu beach­ten, dass die Arbeits­platz­si­tua­ti­on unter Trump bereits vor Coro­na wie­der abzu­flau­en begann, wäh­rend sie unter Biden nach wie vor in Bes­se­rung begrif­fen ist.12 Was nicht stimmt, ist Trumps Behaup­tung, dass »prak­tisch 100% von Bidens Net­to-Jobs an Migran­ten« gegan­gen sei­en. Auch wenn die Zahl der im Aus­land gebo­re­nen Arbeit­neh­mer weit schnel­ler gestie­gen als die der in den USA gebo­re­nen.13 Und wie immer wirft Trump dabei »Migran­ten« und »im Aus­land gebo­ren« in einen Topf, ver­gisst natu­ra­li­sier­te Zuwan­de­rer und vor all die Tat­sa­che, dass im frag­li­chen Zeit­raum eine Men­ge gebür­ti­ge Ame­ri­ka­ner in Ren­te gegan­gen sind.14 Laut der Washing­ton Post hat Biden in Sachen Arbeits­plät­ze, wenn auch nur knapp, die Nase vorn.15

Inter­es­sant ist eine Auf­schlüs­se­lung der Arbeits­markt­zah­len nach Coun­tys: Das Wirt­schafts­wachs­tum kommt nicht allen im glei­chen Maß zugu­te. Ein geo­gra­phi­scher Ver­gleich der Washing­ton Post von »2019 (ein star­kes Trump-Jahr) und 2023 (ein star­kes Biden-Jahr)« zeigt Gewin­ner und Ver­lie­rer bei­der Prä­si­dent­schaf­ten in Sachen Arbeits­lo­sig­keit in den Coun­tys auf. »Unter Biden schnit­ten ins­ge­samt mehr Land­krei­se bes­ser ab, aber Land­krei­se in bestimm­ten Swing Sta­tes, ins­be­son­de­re Michi­gan und Neva­da, schnit­ten unter Trump bes­ser ab.«16

Was Arbeits­plät­ze im Fer­ti­gungs­be­reich und den Bau neu­er Fer­ti­gungs­be­trie­be in den USA anbe­langt, so hat Biden defi­ni­tiv die Nase vor­ne. Seit dem Amts­an­tritt des Teams Biden/Harris im Janu­ar 2021 wur­den mehr als 775.000 Arbeits­plät­ze im ver­ar­bei­ten­den Sek­tor geschaf­fen. Ein Trend, der sich, falls das Gesetz zum Abbau der Infla­ti­on der bei­den greift, wei­ter fort­set­zen wird. Wäh­rend Trumps Amts­zeit war das Beschäf­ti­gungs­wachs­tum im ver­ar­bei­ten­den Sek­tor bereits vor Covid prak­tisch zum Still­stand gekom­men.17 Alles in allem sind heu­te im ver­ar­bei­ten­den Sek­tor so vie­le Men­schen beschäf­tigt wie seit der Gro­ßen Rezes­si­on (2008) nicht mehr.18

Was die Kin­der­ar­mut anbe­langt, so ging die­se gegen Ende von Trumps Amts­zeit leicht zurück, erreich­te 2021 einen Tiefst­stand, als Biden Fami­li­en mit Kin­dern wei­te­re Steu­er­erleich­te­run­gen zusprach. Als die­se aus­lie­fen, schnell­te die Zahl wie­der auf die Wer­te vor Pan­de­mie zurück. Hier soll­te klar­ge­stellt wer­den, dass der von Trump kon­trol­lier­te Kon­gress sich gegen eine Ver­län­ge­rung des Pro­gramms sperr­te.19

Die Zahl der Geschäfts­grün­dun­gen ist wie­der auf dem Niveau vor der Pan­de­mie. Über­haupt hat ein Rekord­an­teil von Ame­ri­ka­nern ein eige­nes Geschäft.20 Das liegt wohl nicht zuletzt dar­an, dass zahl­rei­che Arbeit­neh­mer, die sich wäh­rend der Pan­de­mie plötz­lich auf der Stra­ße sahen, sich ent­schlos­sen, es auf eige­ne Faust zu versuchen. 

Der Medi­an­wert eines eige­nen Zuhau­ses ist von ca. 320.000 Dol­lar zum Zeit­punkt von Trumps Amts­an­tritt auf 420.000 Dol­lar im ers­ten Quar­tal 2024 gestie­gen. Das ist nicht schlecht, wenn man eines besitzt, aber für die meis­ten zur Mie­te leben­den Ame­ri­ka­ner dürf­te ein eige­nes Heim damit in wei­te Fer­ne gerückt sein.21 Und auch wenn die Kos­ten für Hypo­the­ken »nur« um 2,5% und nicht – wie Trump behaup­tet – um 4% gestie­gen sind,22 Stim­mung macht das nicht. 

Aber Stim­mung ist nun mal alles, und was die Ver­brau­cher­stim­mung angeht, so ist Trump Har­ris immer noch um Län­gen vor­aus. Die wirt­schaft­li­che Stim­mung war bes­ser bei sei­nem Amts­an­tritt, und er schraub­te sie noch nach oben. Die Men­schen hat­ten ein gutes Gefühl. Biden und damit Har­ris macht der Infla­ti­ons­schock von 2022 zu schaf­fen. Frag­lich, ob sich die Stim­mung bis zur Wahl noch erholt. 

Anmer­kun­gen

  1. »Trump biden eco­no­my com­pared« ↩︎
  2. Jes­se New­man and Hea­ther Had­don, »It’s Been 30 Years Sin­ce Food Ate Up This Much of Your Inco­me.« Wall Street Jour­nal. Feb. 21, 2024. ↩︎
  3. The Asso­cia­ted Press, »FACT FOCUS: Trump blends fal­se­hoods and exag­ge­ra­ti­ons at rambling NJ press con­fe­rence«. abc News, August 16, 2024. ↩︎
  4. Glenn Kess­ler, »Trump’s new absur­di­ty: ‘Kama­la pri­ce hikes’ cost a typi­cal fami­ly $28,000«. The Washing­ton Post. August 18, 2024. ↩︎
  5. Ebda. ↩︎
  6. Vic­to­ria Gui­da, »Trump Is Mis­lea­ding You With Covid-Era Sta­tis­tics. So Is Biden.« Poli­ti­co, 04/19/2024. ↩︎
  7. Chuck Marr, Saman­tha Jaco­by and Geor­ge Fen­ton, »The 2017 Trump Tax Law Was Ske­wed to the Rich, Expen­si­ve, and Fai­led to Deli­ver on Its Pro­mi­ses«. Cen­ter on Bud­get and Poli­cy Prio­ri­ties. June 13, 2024. ↩︎
  8. Hea­ther Long and Jeff Stein, »The U.S. defi­cit hit $984 bil­li­on in 2019, soaring during Trump era«. The Washing­ton Post. Octo­ber 25, 2019. ↩︎
  9. Allan Slo­an, Pro­Pu­bli­ca, and Ceza­ry Pod­kul, »Donald Trump Built a Natio­nal Debt So Big (Even Befo­re the Pan­de­mic) That It’ll Weigh Down the Eco­no­my for Years«. Pro­Pu­bli­ca, Jan. 14, 2021. ↩︎
  10. Sie­he das Inter­view mit Elon Musk: »We’­re gon­na make so much money!« ↩︎
  11. Hea­ther Long and Aden Bar­ton, »Trump’s eco­no­my vs. Biden’s — in 17 charts«, The Washing­ton Post. July 18, 2024. ↩︎
  12. JEC, »Biden Con­ti­nues the Trend of Strong Eco­no­mic Growth and Job Crea­ti­on Under Demo­cra­tic Pre­si­dents« ↩︎
  13. Tami Luh­by, »Fact check: Trump fal­se­ly claims almost all new jobs under Biden have gone to ‘ille­gal ali­ens’«. CNN. Mon June 17, 2024. ↩︎
  14. Vic­tor Reklai­tis, »Have 100% of new jobs gone to migrants, as Trump clai­med? Here are the facts«. Mar­ket­Watch, Aug. 16, 2024. ↩︎
  15. Hea­ther Long and Aden Bar­ton, »Trump’s eco­no­my vs. Biden’s — in 17 charts«, The Washing­ton Post. July 18, 2024. ↩︎
  16. Ebda. ↩︎
  17. »Then and Now: US Manu­fac­tu­ring Under The Trump and Biden-Har­ris Admi­nis­tra­ti­ons«. Blue­Green Alli­ance, August 20, 2024. ↩︎
  18. U.S. Bureau of Labor Sta­tis­tics, »All Employees, Manu­fac­tu­ring [MANEMP], retrie­ved from FRED,« Fede­ral Reser­ve Bank of St. Lou­is; August 21, 2024. ↩︎
  19. Jacob Boga­ge, »GOP split could doom bipar­ti­san child tax cre­dit bill«. The Washing­ton Post. May 2, 2024. ↩︎
  20. Abha Bhat­ta­rai, »Ame­ri­can entre­pre­neur­ship is on the rise«. The Washing­ton Post. Sep­tem­ber 14, 2023. ↩︎
  21. Aar­t­hi Swa­mi­nathan, »Trump says mor­tga­ge rates have qua­dru­pled sin­ce Biden took office. Is he right?«. Mar­ket Watch, July 20, 2024. ↩︎
  22. Tom Kertscher, »Have mor­tga­ge rates qua­dru­pled sin­ce Pre­si­dent Joe Biden took office?«. Wis­con­sin Watch. July 19th, 2024. ↩︎

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