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Ugs-Pro­jekt 8: angefressen

Dass man sich einen Bauch, eine Wam­pe oder einen Ran­zen anfrisst, ist im gan­zen deut­schen Sprach­raum bekannt. Und auch dass die Schne­cken wie­der mal den Salat ange­fres­sen haben. Und der Rost das schö­ne Chrom­teil am Old­ti­mer. Dass man auch als Mensch ange­fres­sen sein kein, schien mir bis­lang eher größ­ten­teils im Süden, sagen wir mal in Öster­reich, all­ge­mein geläu­fig zu sein. SlangGuy’s Wör­ter­buch der deut­schen Umgangs­spra­che 

»Das sag ich dir als Freund, aber als Bul­le bin ich ziem­lich ange­fres­sen«, mein­te ges­tern Wall­ner von der SOKO Rhein-Main zu sei­nem Kol­le­gen Cem, der dem Team eine Zeu­gin vor­ent­hal­ten hat­te. Aus­ge­strahlt wur­de die Sen­dung erst­mals 2006. Nicht dass Frank­furt so furcht­bar weit im Nor­den wäre, aber bis­her hat­te ich »ange­fres­sen« nur in süd­li­chen SOKO-Rei­hen, vor allem in der Wie­ner, gehört. (Wo ist die eigent­lich abgeblieben?) 

Das Bild ist rela­tiv klar. Der Grimm defi­niert folgendermaßen: 

anfres­sen, ade­de­re, ambe­de­re, come­de­re, arro­de­re: der hund hat das fleisch, die kat­ze den bra­ten, die maus den käse ange­fres­sen, an das fleisch, den bra­ten gefres­sen; ein von den rau­pen ange­fres­se­nes blatt; der rost friszt das eisen, das schei­de­was­ser die haut an; die säu­len ste­hen noch auf­recht, obgleich durch zeit und wit­te­rung sehr ange­fres­sen. Göthe 37, 181. 

Und auch die über­tra­ge­ne Bedeu­tung von »anfres­sen« ist seit lan­gem belegt: 

figür­lich, schon hat­te die üppi­ge flam­me der thie­r­i­schen lie­be den hohen sinn, die fes­te klug­heit des wei­bes ange­fres­sen. Klin­ger 5, 380; er dach­te an einen unschul­di­gen, vom ver­dach­te ange­fres­se­nen freund. J. Paul uns. loge 2, 34; ihr seid nichts nutz hier, eure freun­de haben euch ange­fres­sen, ihr geht drauf, wenns so fort geht. Lenz 1, 221.

Nicht ganz klar ist mir im Augen­blick, was frü­her da war. »Etwas frisst einen echt an.« Es nagt etwas an einem; etwas frisst einen nach und nach auf. Auf der ande­ren Sei­te dür­fen wir nicht ver­ges­sen, dass »ange­fres­sen« auch satt hei­ßen kann. Somit bedeu­tet »von etwas ange­fres­sen sein« auch, einer Sache über­drüs­sig sein, etwas satt haben. Was da nun zuerst kam, dass man »die Faxen dicke« hat oder dass einen etwas »auf­frisst«, kön­nen wir spä­ter mal klä­ren. Ich könn­te mir aber den­ken, dass den Leu­ten auf den ers­ten Blick das Bild vom »Nagen« eher ein­leuch­tet, als das »voll« sein. 

Und das Adjek­tiv hat nicht nur nega­ti­ve Konnotationen… 

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ange­fres­sen

(1) Adj. ver­är­gert; ärger­lich; ent­rüs­tet: »ziem­lich ange­fres­sen«; »total ange­fres­sen«; »voll ange­fres­sen«; »doch etwas ange­fres­sen«; »auf jn ange­fres­sen sein«; »von jm ange­fres­sen sein«. 

»Schaaf war ein­fach voll­kom­men zu Recht total ange­fres­sen wegen der roten Kar­te. Das bin ich auch.« »Olli Kahn ist ziem­lich ange­fres­sen, er ver­mu­tet Ver­schwö­rung gegen ihn.«  WWW »Er war doch etwas ange­fres­sen, das mei­ne Anwäl­tin kei­nen Rechts­mit­tel­ver­zicht erklär­te.« WWW »Hal­lo Leu­te, nach­dem ich heu­te die aktu­el­le JLC-News bekom­men habe, bin ich dann doch etwas ange­fres­sen.« WWW »Voest­al­pi­ne lehnt SPÖ-Jung­ta­lent ab. Die ober­ös­ter­rei­chi­sche SPÖ ist ›total ange­fres­sen‹, zumal der voest-Pres­se­spre­cher aus dem ÖVP-Umfeld kommt.« »Wenn Ihr auf Euren Part­ner ziem­lich ange­fres­sen seid.« »Hat­te auch so eine net­te Kol­le­gin. Die war von Anfang an von mir ange­fres­sen. … Immer und immer wie­der muss­te ich mir blö­de Sprü­che anhö­ren und dann auch noch so Gela­ber: ›Du bist ja Chefs Lieb­ling usw.‹« WWW » Es ist nicht ihr Tag: Ange­la Mer­kel wirkt gereizt. … Nicht so ange­fres­sen, Frau Mer­kel!« Pas­sau­er Neue Pres­se »Eigent­lich woll­te ich nicht so ange­fres­sen fra­gen, aber was soll’s, jetzt ist es end­lich raus. Will er mir jetzt mal ne Ant­wort geben, oder nicht?« WWW »Reagie­ren Sie doch nicht so ange­fres­sen!« WWW

sinn­verw.: genervt; ange­pisst; jm stinkt etw/jd; grantig. 

ange­fres­sen

(2) Adj. einer Sache / Per­son über­drüs­sig; (von einer Ver­hal­tens­wei­se) ange­wi­dert / ange­ekelt. Wen­dun­gen: »echt ange­fres­sen sein« ; »voll ange­fres­sen sein«.

»Immer das­sel­be. Bin echt ange­fres­sen.« WWW »Das The­ma ist voll ange­fres­sen und durch­ge­kaut.« WWW 

sinn­verw.: frus­triert; gefrus­tet; etw dick[e] haben. 

ange­fres­sen

(3) Adj. (see­lisch) durch etw belas­tet; unter etw lei­dend. Wen­dun­gen: »«

»Ein Freund von mir ist durch Mob­bing total ange­fres­sen, wie kann ich Ihm helfen?« 

sinn­verw.: kaputt; jd geht auf dem Zahnfleisch. 

ange­fres­sen

(4) Adj. begeis­tert; hin­ge­ris­sen; im Ban­ne von. Wen­dun­gen: »total ange­fres­sen von etw / jm«. 

»Ich hab mir vor fast 2 wochen auch ein Sea-Mon­key-Exe­cu­ti­ve-Set geschenkt (man gönnt sich ja sonst nichts) und muss sagen dass ich total ange­fres­sen bin von den klei­nen. Ich könn­te ihnen stun­den­lang zuschau­en«  WWW »Ange­fres­sen ist Fischer, seit er den­ken kann: ›Schon als Bub bin ich jeweils fast aus­ge­flippt, wenn Pan­zer durchs Städt­chen gefah­ren sind.‹ Als Rekrut lenk­te er Last­wa­gen bei den Pon­to­nie­ren, bald dar­auf kauf­te er sich einen Mili­tär…« WWW »»Sie sind alle total ange­fres­sen von alten Mili­tär­fahr­zeu­gen, von ihrer Geschich­te und von ihrer Tech­nik», begrün­det Peter Fischer das gros­se Enga­ge­ment[.]« WWW »Und doch bin ich im April 02 wie­der nach Kenya geflo­gen. Ich bin inzwi­schen total ange­fres­sen. Ich lese nur noch Bücher über Kenya und Afrika.« 

sinn­verw.: weg sein von etw.

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Voll ange­fres­sen… von den klei­nen Viechern.

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