Was mir so bei der Überarbeitung meiner Übersetzung von Tom Wolfes Acid Test unterkam. (2)
In Dolly Busters Krimi Hard Cut, den ich mal in der Hoffnung auf einschlägigen Wortschatz aus der Grabbelkiste gezogen habe, las ich vor einiger Zeit: »Ihr Slip zeichnete sich unter ihrem Kostümrock ab, und das besänftigte mich ein wenig.« Damit reglementiert Porno-Superstar Lilly DeLight einen zarten Anflug weiblichen Konkurrenzneids auf eine »bildschöne und elegante Frau mit Umgangsformen auf internationalem Niveau. Gepflegt, patent, mit aristokratischem Flair und einer spürbar leicht dosierten Prise rassigen Sexappeals.«
Nun, die VPL – oder visible panty line – dürfte spätestens – Korrigieren Sie mich, bitte! – mit Woody Allens Annie Hall zum benannten & damit erst so recht diskutierbaren Phänomen geworden sein. Freund Rob macht Alvy auf eine Frau aufmerksam: »The one with the V.P.L.« »V.P.L.?«, meint Alvy ratlos. »Visible panty line«, erklärt Rob.
Aber rein chronologisch gesehen war Tom Wolfe der erste, bei dem mir das Phänomen begegnete, und zwar eben im Acid Test, der ein Dutzend Jahre vor Allens Film erschienen ist. Auch wenn es mir bei der ersten Lektüre natürlich nicht aufgefallen war. Wolfe beschreibt Ken Kesey bei der Acid Test, einer Art Reifeprüfung, folgendermaßen: »He’s just wearing the white ballet tights and his wrestler’s build. A pair of jockey shorts show faintly under the leotards – just the right touch… here in the Rat Shack…« Und nicht nur fällt dem scharfen Auge des Journalisten die Tatsache, dass die Unterhose sich durch die Trikothose abzeichnet auf, er bringt sie auch gleich mit der heruntergekommenen Umgebung der alten Garage in San Franciscos Tenderloin in Verbindung: die sich abzeichnende Unterwäsche hat seiner Ansicht nach einen asseligen Touch.
Die Ansicht, es sei irgendwie unkorrekt, Unterwäsche durch die Überbekleidung hindurch zu erkennen, hat sich ja nun bekanntermaßen längst zur Obsessionen ausgewachsen & zum zwanghaften Tragen eines Kleidungsstücks geführt, das anne dunnemals nur bei Nachtclubtänzerinnen zu finden war – dem String.
Dieser Zwang hat freilich auch im Verein mit anderen modischen Zwangsmaßnahmen dazu geführt, dass man das wulstfreie Kleidungsstück nun, wenn schon nicht unterhalb der Kleidung, so doch oberhalb – als windiges Fadenkreuz nämlich zwischen Hosenbund & Schlampenstempel – zu sehen bekommt.
Offensichtlich genügt es eben nicht, nicht an VPL zu leiden, man muss nun auch noch ausdrücklich darauf hinweisen, dass man etwas dagegen tut, indem man eben gleich aller Welt das Gegenmittel selbst sehen lässt.
Anders gesagt, schließt sich hier ein absurder Kreis: Die angebliche Asseligkeit sichtbarer Slipwülste unter der Kleidung führt im Präventivschlag zur öffentlichen Zurschaustellung des schuldigen Kleidungsstücks selbst.