SlangGuy's Blog ...

In aller Herr­gotts­frü­he schon “lose Kanonen”

Als Über­set­zer ist man grund­sätz­lich nicht son­der­lich glück­lich dar­über, pau­sen­los eng­li­sche Wen­dun­gen statt über­setzt Wort für Wort ins Deut­sche gezerrt zu sehen. Das liegt zum einen natür­lich dar­an, dass die­ses Sys­tem im Prin­zip kei­nes Über­set­zers bedarf (Hinz & Kunz kön­nen das), zum ande­ren natür­lich hat es zur Fol­ge, dass all die­se Pseu­do­über­set­zun­gen bei den Analpha­be­ten-Gene­ra­tio­nen der­art ein­schla­gen, dass sie in kür­zes­ter Zeit für rich­ti­ges, ja tol­les Deutsch gehal­ten wer­den. Wenn die­ser Tage alles „kei­nen Unter­schied macht“, anstatt „kei­ne Rol­le zu spie­len“, wie die kor­rek­te Über­set­zung für „to make no dif­fe­rence“ bis vor eini­ger Zeit lau­te­te, dann hält ein Volk von Dumpf­ba­cken, „kei­nen Unter­schied machen“ auch noch für toll und rich­ti­ges Deutsch über kurz oder lang für „retro“ und damit out.

So hat man denn als Über­set­zer, jeden­falls aus dem Eng­li­schen, wie ich dazu­sa­gen soll­te, immer ein wach­sa­mes Auge auf alles, was sich hier so ein­bür­gert oder gera­de ein­zu­bür­gern ver­sucht. Und man wehrt sich oft so lan­ge wie nur irgend mög­lich, eine sol­che Wen­dung denn auch zu über­neh­men oder wägt jeden­falls sorg­fäl­tig ab, wem man sie in den Mund legt.

Nun springt mich heu­te Mor­gen auf der Web­site der SZ die Wen­dung „lose Kano­ne“ an: „Horst See­ho­fer ist eine lose Kano­ne an Deck. Die Kanz­le­rin hat ihn nicht im Griff.” So Franz Mün­te­fe­ring über die Zuver­läs­sig­keit des baye­ri­schen Minis­ter­prä­si­den­ten und CSU-Vor­sit­zen­den Horst See­ho­fer als Part­ner in der gro­ßen Koalition.

Ich ver­zie­he schmerz­lich das Gesicht über der duf­ten­den Tas­se Kaf­fee. Natür­lich sieht man sofort die eng­li­sche „loo­se can­non“ durch, einen Begriff, der bis­lang von Fall zu Fall anders, aber nie so ganz ein­fach zu über­set­zen war.

Der zusam­men­zucken­de Über­set­zer weckt den ohne­hin stets bes­ten­falls ein­ge­nick­ten Wör­ter­buch­ma­cher: He, viel­leicht schaut dabei was für dei­ne Daten­bank raus!

Nun, „loo­se can­non“ ist kein Pro­blem, es ist eine alte Wen­dung aus der See­fahrt: ein Geschütz, das aus wel­chen Grün­den auch immer bei hohem See­gang unkon­trol­liert auf dem Bat­te­rie­deck her­um­rutscht und somit eine Gefahr für Leib und Leben der Besat­zung dar­stellt. Das wur­de schon in der ers­ten Hälf­te des 19. Jhs. auf Per­so­nen über­tra­gen, denen man Unbe­re­chen­bar­keit, Unkon­trol­lier­bar­keit oder gar Ver­ant­wor­tungs­lo­sig­keit unter­stellt, Leu­te also, auf die kein Ver­lass ist und die damit eine Gefahr bzw. ein Risi­ko darstellen.

Als „loo­se can­nons“ bezeich­net man tra­di­tio­nell Leu­te, die aus der Rei­he tan­zen, die nicht spu­ren, nicht kon­form gehen, die nicht lini­en­treu oder ein­fach immer & wie­der nur pein­lich für die eige­nen Rei­hen sind. Dir­ty Har­ry Cal­la­han etwa ist der Pro­to­typ aller „loo­se-can­non cops“, Prin­zes­sin Di galt als “loo­se can­non” des bri­ti­schen Königshauses.

Man könn­te letzt­lich auch sagen„jeder ist eine „loo­se can­non“, der kein Robo­ter im Sin­ne des jewei­li­gen Para­dig­mas ist, das ihn als sol­che bezeich­net. Jemand, der sei­nen Emo­tio­nen folgt, jemand, bei dem nicht alles, was er sagt, aus dem Par­tei­buch kommt. Letzt­lich jemand, der von einem Fett­näpf­chen ins ande­re tritt. Eine „loo­se can­non“ lässt man defi­ni­tiv nicht mit der Pres­se sprechen.

Die „lose Kano­ne“ scheint hier­zu­lan­de kei­ne Tra­di­ti­on zu haben. In mei­ner umfang­rei­chen digi­ta­len Biblio­thek konn­te ich jeden­falls nichts fin­den, und selbst Goog­le bie­tet am 21.04.2009 nur 96 Fund­stel­len, die sich größ­ten­teils auf das Mün­te-Zitat bezie­hen. Das ist eine ech­te Gele­gen­heit, soll­te der Begriff denn nun doch Schu­le machen.

Immer­hin gibt es eini­ge inter­es­san­te Fun­de, die eine gewis­se Linie ergeben:

Erst mal der Spie­gel vom 11.3.1999: “ ‘Es gibt in Deutsch­land kei­ne Kul­tur der natio­na­len Macht­aus­übung’, behaup­tet Del­mas. Und das bedeu­tet, daß die Macht, die Deutsch­land auf­grund sei­ner schie­ren Schwer­kraft ver­kör­pert, gele­gent­lich zum Ent­set­zen der Nach­barn wie eine lose Kano­ne über das Deck des euro­päi­schen Schiffs rol­len kann.’ ” Hier ist der Begriff noch nicht Meta­pher, son­dern erst mal ein Vergleich.

In der Ber­li­ner Zei­tung vom 7. Juni 2005 heißt es: “Ein Frak­ti­ons­vor­sit­zen­der Merz, der eine Kanz­le­rin Mer­kel mit der Waf­fe der Frak­ti­ons­mehr­heit in Schach hal­ten kann? Unvor­stell­bar. ‘Er ist unbe­re­chen­bar, eine lose Kano­ne’, sagt ein Ver­trau­ter Merkels.”

In der Ber­li­ner Zei­tung vom 30. Juni 2007 heißt es: “Lafon­taine war immer eine lose Kano­ne an Deck”. Das Ori­gi­nal?: „Der war immer eine lose Kano­ne an Deck, aber lan­ge Zeit auf unse­rem Schiff.“ Bun­des­fi­nanz­mi­nis­ter und SPD-Par­tei­vi­ze Peer Stein­brück in der Ber­li­ner Zei­tung über Lin­ke-Par­tei­chef Oskar Lafon­taine, der zuvor auch schon SPD-Vor­sit­zen­der gewe­sen war.

Auf stern.de – 17.12.2007 – kommt es des Öfte­ren vor: “Man muss auf sie zuge­hen, um sie ein­zu­be­zie­hen. Wenn nie­mand erfährt, wie die Rus­sen abstim­men wol­len, schlin­gern sie als ‘lose Kano­ne’ im Kon­fe­renz­ge­bäu­de her­um dann sind böse Über­ra­schun­gen mög­lich.” (Das Kom­ma fehlt schon im Original.)

In der Taz vom 3.11.2008 lese ich: “Unter einer ‘loo­se can­non’ ver­stan­den See­leu­te zur Zeit der Segel­schiff­fahrt eine nicht fest­ge­zurr­te Kano­ne, die im Sturm über Deck rollt und beträcht­li­chen Scha­den anrich­ten konn­te. Die Hes­sen-SPD scheint der­zeit eine sol­che lose Kano­ne an Bord zu haben: Sie heißt Jür­gen Walter.”

Und am 9.4. 2008: auf die Sexua­li­tät, als eine Sache, bezo­gen: “Frü­her dach­te man, Sexua­li­tät sei ein­fach da, und man kön­ne sie nicht steu­ern. Heu­te sieht man sie nicht als eine lose Kano­ne, die in alle Rich­tun­gen schießt, son­dern als Teil unse­rer Ganzheit.”

Das ist alles in allem noch rela­tiv dürf­tig. Nicht dass ich dar­auf hof­fe, dass hier wie­der eine Wen­dung ein­ge­bür­gert wird, anstatt dass hier­zu­lan­de jemand den Kopf auf- und sich Gedan­ken macht.

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Ich mei­ne, war­um drü­cken wir nicht alle ein­fach bei Goog­le auf „Die­se Sei­te übersetzen“?

Lose Kano­ne-Ver­ein, die oben in Groß­bri­tan­ni­en abfeuert

Juli 2007, …

Die natio­na­le Schür­ha­ken-Liga in Groß­bri­tan­ni­en wird von der lose Kano­ne-Ver­ein in Lon­don bewir­tet, das die­ses am 12. bis 18. August ist. Eini­ge Städ­te, die sich die­sen Aus­flug des NPL-Welt­strom­kreis­aus­flugs, den sie Paris Frank­reich sind‑, Mon­te Car­lo Mona­co, Mani­la Phil­ip­pi­nen, Toron­to Kana­da vor dem Höhe­punkt in Las Vegas anschlie­ßen wer­den, US-Schlüs­se an Dezember.

Das Ereig­nis in der Kanon­ever­ein wird auf dem NPT-Tur­nier im Fern­se­hen über­tra­gen, wird die­ses außer­halb der US gehal­ten und sie sind Sen­dung es um die Kugel. Die Rekla­me­an­zei­gen und die Gewin­ne an Ј500,000 für den groß­ar­ti­gen Preis appel­lie­ren sicher die Fach­leu­te. Es gibt Raum für 450 Spie­ler, Auf­ent­halts­raum für das luxu­riö­se Mit­glied, Gast­stät­ten, die ein schreck­li­cher Platz für das Machen der Fotos und für die Spie­ler sind.

Der Ver­ein­di­rek­tor, ist er Roy, den Hough­ton jeder­mann Nach­richt geben, das ver­bin­den möch­te, obgleich sie zuerst regis­trie­ren müs­sen ver­si­chert zu wer­den, dass sie den Auf­stel­lungs­ort betre­ten kön­nen. Mit pas­sen­dem Abkom­men zum Gesetz von Groß­bri­tan­ni­en muss ganz in der Lage sein, in der Gast­mit­glied­schaft für die lose Kano­ne 48 Stun­den vor dem Anfang des Ereig­nis­ses zu registrieren.

Ent­spre­chend Sam-Rät­sel ist er der Prä­si­dent der NPL-Fern­se­hen­ab­tei­lung, „das Joint­ven­ture der lose Kano­ne-Ver­eins mit NPL ist sehr ange­nehm die Tat­sa­che, dass wir den ers­ten inter­na­tio­na­len Schür­ha­ken bewir­ten wer­den, der in Euro­pa im Fern­se­hen über­tra­gen wird.

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Ich mei­ne, es unter­schei­det sich dies kaum von dem, was ich bereits in redi­gier­ten Manu­skrip­ten von mir gefun­den habe…

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