Vor ein paar Tagen sprach ich hier noch von den Bedeutungsänderungen, die einem Wort so widerfahren können. Jetzt, wo ich mir die Mühe mache, das – der ollen Fraktur wegen – nur unter ziemlichen Anstrengungen zu lesende Vorwort zu Fahrenkrügers Bailey fürs fürdere Studium abzutippen, finde ich gleich ein nettes Beispiel dafür. Fahrenkrüger erklärt im Vorwort den Gebrauch seines Dictionnaires:
Einige Kenntnisse muß freilich der Sucher mitbringen, wenn er beim Aufschlagen das rechte deutsche Wort, das gerade zur Stelle passt, herausfinden will. Mir liegt eben ein Schauspiel von Beaumont und Fletcher zur Hand, und mein Auge trifft folgende Stelle, die ich hier zum überflüssigen Beispiel aushebe.
Come, I warrant ye.
Am not I with ye, sweet? Are her clothes packt up,
And all her linen? Give your maids direction:
You know my time’s but short, and I’m commanded.
Give your maids direction! Wie ist hier das Wort Direction zu übersetzen? Man schlage das Lexikon auf, und man findet sieben deutsche Wörter: die Richtung, Der Gang; die Einrichtung, Anordnung; Anweisung, Vorschrift; Adresse. — Welches paßt nun zu der gedachten Stelle? Am besten unstreitig das Vorletzte. Gebt euren Mägden Vorschrift. Man nehme eins der sechs andern, und man wird entweder Unsinn, oder etwas Schielendes sagen. Wer aus Jugend oder Stumpfsinn sich hierin nicht zurecht finden kann, der muß noch kein Lexikon brauchen, oder auf das Sprachenlernen Verzicht thun.
Beim Lesen seiner Frage »Welches paßt nun zu der gedachten Stelle?« habe ich unwillkürlich Anweisung eingesetzt. Ich war also entsprechend erstaunt, als er den Satz mit »Gebt euren Mägden Vorschrift« übersetzt. Mit anderen Worten, meine Lösung wäre »entweder Unsinn, oder etwas Schielendes« gewesen. Zu seiner Zeit jedenfalls. »Vorschriften machen« ist alles, was mir in diese Richtung so einfällt. Das ist aber doch… Ist es wirklich was ganz anderes? Ich werfe rasch mal meinen Grimm an und finde bei »Vorschrift« u.a.
d) in dieser freien anwendung dann in allgemeinem unerschöpflichem gebrauch; beachtenswert sind die fälle, wo es sich ausdrücklich um mündlich gegebene regeln und anweisungen handelt, und die, wo das regelgebende unpersönlich, ein abstractum oder gott ist: beide hörten weniger auf die ihnen ertheilten vorschriften als auf das rollen des wagens HOLTEI erz. schr. (1861) 21, 133; in Leporellos kleidern … giebt er (don Giovanni) Masetto und seinen begleitern vorschriften O. JAHN Mozart (1856) 4, 392; denken sie sich, der Wilten will mir vorschriften machen, ich soll nicht den verheirateten frauen den hof machen W. V. POLENZ Grabenhäger (1897) 2, 7;
Tatsächlich: jemandem Vorschriften geben – wer hätte das gedacht? Gut dass so eine Bildungslücke rasch gefüllt ist – sofern man sich in einem Wörterbuch zurecht findet; andernfalls man laut Fahrenküfer glatt »auf das Sprachenlernen Verzicht thun« sollte. Eine harte Vorschrift. Ich würde das den Lesern meiner Slangwörterbücher nicht zum Geleit geben wollen.
Anm.: Das Beispiel stammt, nur ganz nebenbei, aus Beaumont & Fletchers Rule a Wife And Have a Wife (Ist das Interweb nicht großartig? Um die Stelle zu finden, hätte man früher Tage vertan.)