Beim Ausmisten meines wuchernden Lesezeichen-Ordners bin ich auf eine interessante Webseite gestoßen, die der amerikanischen Lyrikerin Emily Dickinson (1830–1886) gewidmet ist. Auf dieser Seite gibt es unter dem Namen Emily Dickinson Lexicon ein Wörterbuch zu ihrem Werk. Es enthält über 9000 Einträge mit Wörtern und deren Varianten, die in Dickinsons Werk nur irgendwie der Erklärung bedürfen.
Warum man das braucht?
Nun, es hat bei der Lektüre, schon gar beim Übersetzen, eines alten Werks wenig Sinn, sich in einem modernen Wörterbuch kundig zu machen. Es muss schon ein zeitgenössisches sein. Wörter und Wendungen ändern im Verlauf von 100 und mehr Jahren durchaus ihren Sinn, die einen mehr, die anderen weniger. Man kann das aber nicht wissen, wenn man nicht jedes Wort tatsächlich in einem Wörterbuch jener Zeit nachschlägt.
Bei Emily Dickinson ist dies besonders wichtig und interessant, weil die Sprachwissenschaft nicht nur eine besondere Leidenschaft war, sondern ihr “Lexicon” über Jahre hinweg ihr “einziger Gefährte”, wie sie in einem Brief schreibt. Und bei diesem Wörterbuch handelte es sich um Webster’s American Dictionary of the English Language, bei dem sich das Emily Dickinson Lexicon denn auch bedient. Nur so kann der Leser sichergehen, auch tatsächlich verstanden zu haben, was Dickinson sagen wollte. Im Alter von 14 Jahren erstand Dickinson mit der jüngsten Ausgabe des Webster’s auch die letzte Fassung, an der Noah Webster (1758–1843) selbst Hand angelegt hat.
Die Beziehungen zwischen Dickinson und Webster gehen übrigens weit über den Umstand, dass sie sein Wörterbuch benutzt hat, hinaus. So hat etwa Samuel Fowler Dickinson, der Großvater der Dichterin, zusammen mit Noah Webster das Amherst College gegründet, wo sowohl ihr Vater wie auch ihr Bruder als Schatzmeister tätig waren. Und Websters Enkeltochter und Biographin Emily Ellsworth Fowler Ford war eine enge Freundin der Dichterin.
Wer sich — mit dem Rüstzeug dieser großartigen Website versehen — an die Lektüre der Dichterin machen will, findet ihr lyrisches Werk wie auch ihre Briefe hier – in der großartigsten Bibliothek der Welt. Er wird feststellen, dass Emily Dickinson selbst eine kreative Lexikologin war…