Wer sich beruflich mit Sprache – zumal mit Umgangssprache – befasst, der weiß, dass man durchaus ins Schwitzen kommen kann, neuen Wörtern hinterher zu laufen. Umso dankbarer ist man für alle einschlägigen Hilfsmittel, schon gar die kostenlosen. Zwei davon möchte ich hier kurz vorstellen. Ich spreche von zwei Websites, die ich wenigstens einmal die Woche ansteuere, die eine englisch, die andere deutsch.
Bei der ersten, der englischen, handelt es sich um Paul McFedries’ Seite Wordspy. McFedries sammelt seit Jahren alles, was ihm an Neubildungen so unterkommt, und das ist so einiges. Und er bereitet seine Beute im Gegensatz zu ähnlichen Sites auf vorbildliche Weise auf. Wer jemals hinter neuen Wörtern her war, hat das womöglich vor Internetzeiten ähnlich gemacht wie ich, d.h. Time oder – die z.Z. zum Verkauf stehende – Newsweek abonniert, mit dem Textmarker gelesen, die neuen Sachen auf Karteikarten notiert, Zettelkasten geführt… War schließlich größtenteils auch noch die Zeit vor dem PC.
Es gab seinerzeit natürlich noch andere Hilfsmittel; hin und wieder fällt mir das ganz vorzügliche Dictionary of New English von Clarence L. Barnhart in die Hand – oder besser gesagt abwechselnd eine der drei Ausgaben, die es davon im Lauf der Jahre gab. In denen gab es neben den Definitionen auch Zitate und Erstbelege. Und nicht weniger gründlich geht Wordspy zu Werke. Und das mit allen Vorteilen des Internets.
Nehmen wir einfach mal die letzten zehn Einträge: downager, solastalgia, lucrepat, collaborative consumption, churnalism, recombobulate, sleeveface, meh-sayer, jihobbyist, und weil’s uns Deutsche betrifft von mir auch auch noch Chermany. Alle Neubildungen sind definiert, mit mehreren Zitaten versehen und mit einem mehr oder weniger vorläufigen Erstbeleg. Selbst wenn man die Wörter nicht gleich mit auf die Straße nahmen möchte, bequemer geht’s einfach nicht…
Etwas ähnliches macht hierzulande Lothar Lemnitzer von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften mit seiner Wortwarte, die vor kurzem eine neue Adresse erhalten hatte. Einige Beispiele gefällig? Bitteschön: dauerriskant, Duftbriefmarke, Einthemapartei, Finanzmerkmal, Scoringagentur, silikongedämpft, Wertevernichtungsprogramm, levelartig, Außentrauung, Bundesknöchel, Bürostuhlakrobatin, Echtfoto, Slowbiking. Ich denke mal, der Unterschied ist auf den ersten Blick zu sehen. Das Gewicht liegt hier weniger auf der Umgangssprache .… Alles ist erheblich deutscher, damit weniger unterhaltsam, aber nichtsdestoweniger Tag für Tag ebenso informativ wie interessant. Also was soll’s…
Beide Sites zeigen übrigens wunderbar den Zusammenhang zwischen Wortneubildungen und dem Zeitgeschehen und demonstrieren damit, dass neue Wörter nicht von ungefähr im leeren Raum entstehen. Aber davon ein andermal mehr.