E.B. Tylor – Linguistische Aspekte des Slang (10)
Macmillan’s Magazine, Vol. XXIX (1873–74) pp. 502–513
Übersetzung © Bernhard Schmid
(Fortsetzung von hier)
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Lateinische Wörter, gute wie schlechte, sind auf mancherlei Art in den Slang eingesickert. Sheriff und Anwaltsgehilfe nahmen ihre Fachbegriffe aus Cursitor Street und Old Bailey mit hinaus auf die Straße, so dass ipsal dixal heute für ipse dixit steht und ein davy eine eidesstattliche Erklärung, ein affidavit, ist. Selbst der Dieb fordert sein quota, seinen Anteil an der Beute, oder gibt sich womöglich damit zufrieden, »if his comrade will tip him some quids«. Das Wort quids für Geld, »Nervus Rerum« (ein quid steht für einen Sovereign), sehen wir akademisch in der folgenden französischen Passage abgehandelt, die wir bei Francisque-Michel zitiert finden:
“Siméon. – Que veut dire conquibus?
Thomas. – J’entends des escus.«
Das Verbum to fake in der Bedeutung »machen», »tun«, leitet sich zweifelsohne über den einen oder anderen Umweg vom lateinischen facere ab (womöglich über das anglo-normannische faict, done, faked). Man erinnert sich an »pals fake away«, den Refrain eines gemeinen Gassenhauers vor einigen Jahren; das Wort wurde natürlich auf die Art von Tun angewandt, wie es Schurken zu eigen ist, also »betrügen« und »stehlen«. Abgeleitet davon ist fakement, ein falscher Bittbrief oder ein betrügerisches Dokument anderer Art, wie gefallene Schulmeister sie zum Verdienste ihres Lebensunterhalt in Vagabundenherbergen verfassen – to screeve (von scriver aus der Sprache französischer Juristen) . Weniger abstoßend in ihren Beziehungen sind Latinismen wie nostrum für ein Medikament, von »unserem eigenen« Rezept, oder conk für die Nase, zweifelsohne vom Fontänenscheitel eines klassischen Brunnens. Und andere haben einen ganz entschieden gefälligen Humor wie etwa die Klasse der Schuljungen-Bildungen, von denen omnium gatherum als Beispiel dienen mag. Ich mag die arglose Gravität, mit der der alte Noah Webster in seinem so respektablen wie humorlosen Wörterbuch die Wendung driving tandem (in Bezug auf ein Gespann) mit der Bemerkung kritisiert, tandem beziehe sich »streng genommen auf die Zeit und nicht die Länge einer Linie«.
Gewiss dürfen wir hier Sprache nicht an ihrer literarischen Würde messen. Der englische Slang nahm seinen Tribut von der Sprache der großen arischen Nationen, der klassischen wie der modernen, aber kein arischer Dialekt sagte dem englischen Vagabunden mehr zu als der der niedersten und wildesten aller arischen Horden, nämlich der Zigeuner, die sich im Mittelalter von Osten her über Europa ausbreiteten. Ihr Name für einen Mann – einen Zigeuner, versteht sich – ist rom; chabo ist der Jüngling, der Sohn. Borrow, der mehr als jeder andere über dieses Gebiet weiß, hat wahrscheinlich recht, wenn er sagt, dass rum chap, heute durch und durch englischer Slang, bei den Zigeunern ursprünglich nichts weiter als einen Zigeunerburschen bezeichnete; auch in Deutschland nennen die Zigeuner sich Romanitschave i.e. »Menschenkinder«. Das Wort rum bedeutete, als es im englischen Cant Einzug hielt, fine oder good; entsprechend bezeichnete rum booze oder a rum bung einen »guten Schnaps« respektive einen »gefüllten Geldbeutel«. Unter den Wörtern, die die Zigeuner in den Slang anderer Nationen eingebracht haben, befinden sich einige ausgesprochene Kuriositäten. So ist jockey zweifelsfrei das Wort, womit die Zigeuner bzw. deren Pferdehändler eine Peitsche bezeichnen; chukni bedeutet insbesondere jenes schreckliche Instrument, das wir als jockey-whip (Reitpeitsche) kennen. Ein pal ist ein »Bruder« (Roman pal, plal). Der Begriff bosh für eine »Fiedel«, ein Wort, das nur bei den untersten Ständen in Gebrauch ist, kommt ebenfalls von den Zigeunern. »Can you roker Romany, and play on the bosh?« bedeutet: »Sprichst du Zigeunersprache und kannst auf der Fiedel spielen?« Einige dieser Nichtsesshaften-Wörter, die man heute mit Verachtung straft, haben durchaus eherenhafte Verwandte in den heiligen Sprachen Indiens. So geht das Wort chouriner (»jemanden erstechen«) im französischen Argot – der Chourineur in den »Geheimnissen von Paris« leitet sich davon ab – über die Zigeuner zurück auf chhurî, das Sanskritwort für ein Messer. Wenn Londons Gemüsehändler einen Wolkenbruch als dowry of parny bezeichnen, meinte der Zigeuner, bei dem sie die Phrase gelernt haben, damit einen »Fluss« (doriove, Fluss, pani Wasser); letzteres (Sanskrit, pûnîya) ist dasselbe Wort wie das, das Anglo-Inder mit brandy-pawnee importiert haben. Diese Wörter aus der Zigeunersprache stehen linguistisch auf derselben Stufe wie die, die unsere Soldaten in den letzten Jahren aus Indien mitgebracht haben wie etwa batty für Sold, Vergütung (Sanskrit, bhâti, Bezahlung) und loot (Sanskrit lota), die Beute. Wenn jemanden nach einem Beispiel für ein Slangwort fragen sollte, das die Engländer aus China eingeführt haben, so bekommt er als erstes ausnahmslos »first-chop« zu hören. Nun ist es durchaus zutreffend, dass wir diesen Begriff in chinesischen Häfen aufgeschnappt haben, aber chop ist kein chinesisches Wort dafür; es handelt sich dabei vielmehr um Hini chápa, »Stempel« oder »Siegel«, vor allem ein Stempel, wie man ihn beim Zoll erhält; so bezeichnet man im chinesischen Handelsdialekt eine Schiffsladung Tee als chop; und man schätzt die Qualität von Tee und Dingen ganz allgemein als first-chop, second-chop, &c. ein.
(Fortsetzung folgt)