Wer sich ein bisschen fürs Englische und seine Dialekte – »accents« klingt natürlich etwas nobliger – interessiert, der wird wissen, dass sie für den Lernenden bzw. den Ausländer nicht immer ganz einfach zu verstehen sind. Ein gutes Beispiel ist der Film Trainspotting, bei dem für den amerikanischen Markt besonders dialektlastige Teile synchronisiert wurden, wenn der Film nicht überhaupt gleich mit Untertiteln lief. Aber die Amerikaner sind bekanntlich besonders faul und notorisch unwillig, sich auf »Ausländisches« einzulassen. Die Leute aus Edinburgh und ihr spezifisch schottischer Akzent können da überhaupt nichts dafür. Aber wie sehen Engländer selbst ihre Dialekte?
Nun, sagen wir es gleich grob vorneweg: »Scouse«, wie man den Dialekt aus Liverpool nennt – die Leute selbst sind Scousers – , macht Sie zur überlebensgroßen Type; nicht zuletzt die Beatles haben zur Salonfähigkeit dieses Dialekts beigetragen. Am Samstag habe ich ein ausführliches Interview mit Sir Paul gehört – der hört sich trotz Wohnsitz in London und Schottland immer noch wie ein Scouser an. In Newcastle würden Sie »Geordie« sprechen; Eric Burdon war aus Newcastle, und der Akzent der Geordies klingt für den Rest der Insel heute recht cool; das »Cockney« des Londoners vermittelt eine gewisse Portion Straßenwitz; auch Schottisch wurde mit Trainspotting zunehmend cool. Außerdem scheint mit den Schotten nicht gut Kirschen zu essen; keiner macht sich groß lustig über sie. Der schlimmste Dialekt, den Sie dieser Jahre in England haben können, ist laut einer Umfrage für 98% der Briten der der »Brummies«, der Einwohner Birminghams. Sprechen Sie »Brummie« hält man Sie automatisch für um einige Grade dümmer, als Sie womöglich sind, man macht sich lustig über Sie, und 76% der englischen Luftpassagiere würden – kein Scherz! – kräftig schlucken, würden Sie einen Piloten mit dem Akzent eines Brummie über die Lautsprecher hören.
»Von allen Dialekten der britischen Inseln«, so weiß die Homepage der ehrwürdigen BBC, »scheint keiner mehr Spott auf sich zu ziehen als der in und um Birmingham.« Und man stellt auch gleich die Frage nach dem Warum? Schwer zu sagen, heißt es. Brummie sei »weder guttural, noch schwer zu verstehen.« Und im Gegensatz zu Newcastle und Glasgow gebe es noch nicht einmal sonderlich viele spezifisch regionale Wörter, nicht genug, um damit bei Auswärtigen anzuecken. Und auch die Bewohner selbst haben nichts an sich – außer ihrer Sprache, versteht sich –, was einen vor den Kopf stoßen könnte. »Was den Rest der Briten so kolossal zu irritieren scheint, ist schlicht und ergreifend der Klang.«
Das liege vor allem an der Intonation. Eine Eigenheit des Dialekts sei zum Beispiel das Abflachen der Intonation am Ende des Satzes; die Tonhöhe falle ab, so dass der Satz sich einfach verliere. Ganz anders ist das bei den benachbarten »Scoursers«, die mit der Intonation gegen Ende ihrer Sätze zu nach oben gehen. In anderen Dialekten endet der Satz mal so, mal so. Und »Scouse« gewinne durch die Tonhöhe einen besonderen Appeal. Das Abflachen sämtlicher Sätze bei den Brummies, so die BBC, konnotiere eine gewisse Verzagtheit, um nicht zu sagen Verzweiflung. Und das Problem beschränke sich beim Brummie nicht nur auf das Satzende, sondern gelte gleich für den ganzen Satz. Insgesamt gehe einem dieser Mangel an Satzmelodie ganz unweigerlich rasch auf den Zahn. »In Birmingham schlägt der Sprecher eine Note an, meist eine tiefe, und bleibe dabei – egal was passiert.« Und das führe denn auch zum Stereotyp des einfältigen Brummie.1
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Schauen Sie sich doch folgende kleine Reportage dazu an:
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Der Telegraph bricht eine Lanze für die Brummies.
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Ein bisschen Hintergrundwissen zum Thema Dialekt und Akzent, die aus linguistischer Sicht natürlich nicht identisch sind.
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Und für Studierte, die es ganz genau wissen wollen, gibt es hier etwas: Linguistic-based Sentiment Analysis: Problems, Lexical Resources and Evaluation
- Ich habe auch mal in einer amerikanischen Datingshow eine Frau sagen hören, der Deutsche, mit dem man sie losgeschickt habe, höre sich seiner fehlenden Satzmelodie wegen »hirnlos« an. [↩]