Was diese Wörter gemeinsam haben? Nun, mehr als Sie vielleicht denken. Oder weniger. Je nachdem. Dummerweise muss einer, der hierzulande englisch-deutsche Wörterbücher zu machen versucht, alles selber machen. Jedenfalls wenn es um die Umgangssprache geht. Um die sich heute praktisch alles dreht. Weniger auf der englischen Seite übrigens als leider auf der deutschen. Weil der Deutsche die Beschäftigung mit seiner »Umgangssprache« nun mal für unter seiner Würde befindet. Was letztlich wieder zu einem Umgangsdeutsch geführt hat, das auf depperten Lehnübersetzungen basiert. Weil Übersetzer aus Film, Funk & Fernsehen praktisch nichts zum Nachschlagen haben und deshalb Wörter statt Sinn ins Deutsche zerren. Aber darum sollte es hier eigentlich gar nicht gehen…
Stutenbissigkeit? Sie wissen es alle, das ist ein angebliches Phänomen unter miteinander konkurrierenden Frauen. Ich kann da nicht mitreden. Will es auch gar nicht. Tatsache ist, dass es sich bei dieser »Stutenbissigkeit« um einen tatsächlich existenten Begriff aus der Rosspsychologie handelt. Oder Soziologie? Um die allwissende Wikipedia zu zitieren: »Eine Stute übernimmt in der Herde die Rolle der Leitstute und ist unter anderem für die Frühwarnung vor sich nähernden Raubtieren verantwortlich. Diese Rolle erfordert ein hohes Maß an Verantwortung und Aufmerksamkeit und wird daher meist von erfahrenen, auch älteren Stuten übernommen. Um den Anspruch auf diese Rolle zu erhalten oder zu bestätigen, kommt es gelegentlich zu Rangauseinandersetzungen unter den Stuten. Diese werden meist durch Bisse ausgetragen …«
Wie ich darauf komme? Die Zeit hatte neulich ein schönes Porträt von Alice Schwarzer, in der von ihren – angeblichen, ich kann da nicht mitreden – Fehlern die Rede war: »Erstens: die Stutenbissigkeit. Sie lässt keine Frau neben sich gelten, sie schafft es nicht, den Stab weiterzureichen, eine Nachfolgerin aufzubauen. Sie empört sich dauernd gegenüber irgendwelchen Frauen, zerstreitet sich mit ihnen und will anderen Frauen ständig etwas vorschreiben.«
Die Stelle fiel mir wieder ein, als ich mich heute morgen mit dem alten bayerischen Schimpfwort »Bißgurn« zu befassen hatte. Das ist in Oberbayern eine »zänkische Frau«, ein »streitsüchtiges Weib«. Und auch wenn das kaum ein Bayer wissen dürfte, es setzt sich zusammen aus »Biss« bzw. »bissig« und »Gurre«, die Stute oder – genauer gesagt – die Schindmähre. Aber letztlich ist es die bissige Stute.
Und dann gibt es in Bayern, ich sagte ja eben, dass nicht jeder etymologisch Bescheid weiß, die »Bißgurkn« – ein typischer Fall von Volksetymologie mit anderen Worten: Wer mit »-gurn« nichts anfangen kann, der macht eben daraus das kanglich Nächstliegende, in diesem Fall eben eine »-gurkn« (Gurke). Nun hat zwar die »Gurke« auch einige Bedeutungen, die sich auf Personen beziehen, darunter das »nicht eben perfekte Mädchen«,1 aber es ist eben nur eine Volks- und damit eine irrige Etymologie.
Wie auch immer, die »Gurke« ist etwas »Minderwertiges«, nicht nur in Bezug auf Personen, wir kennen das alte Auto, das billige Fahrrad, das ausgelatschte Schuhwerk, der alte PC. Und entsprechend spricht man in den letzten Jahren zunehmend von »gurkig«, wenn etwas über die Eigenschaften einer Gurke verfügt.
»Gurkig« bedeutet minderwertig, zweitrangig, schlecht. Das Wort ist in den Wörterbüchern noch nicht vertreten, auch in den einschlägigen nicht, aber das Web ist voll davon. Einganz zufälliger Griff in Google bringt u.a.:
»Auch spielte Hempel bei einem Punt-Fake die entscheidende Rolle: statt einem Punt landete er einen gurkigen Pass in den Händen eines Goldenen, …« WWW
»Marion durfte nicht ein Spiel spielen. T‑mac durfte eins machen, aber mit seinem gurkigen Wurf und seinem relativ langsamen Antritt…« WWW
»Dann müssen diese komischen Leute wenigstens nicht mehr um irgendeinen Platz in irgendeiner gurkigen Sendung kämpfen.« WWW
»Der Drops galt als verlutscht, und die Journalisten-Floskel vom ›wer solche gurkigen Auftritte mit drei Punkten belohnt, wird definitiv …« WWW
»Ich sitz bis nächste Woche noch an diesem gurkigen Leihcomputer, deswegen kann ich die Feinheiten nicht 100%ig ausmachen.« WWW
»… zum Beispiel die gurkigen Architekten.« WWW
»Meine Frau hat mit ihrer analogen Plaste-Canon und einem gurkigen Tamron 28–80 auch tolle Bilder gemacht und würde ihre aktuelle digitale Kompakte in …« WWW
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass die nochmal so gurkig spielen wie heute und das nötige Potenzial haben sie ja auch.« WWW
Und »luschig«? Nun, »luschig« ist in dieser Hinsicht synyonym zu »gurkig«. Es bedeutet zunächst minderwertig, zweitklassig, schlecht. Inklusive »luschig spielen«. »Luschig« hat im Gegensatz zu »gurkig« allerdings noch weit mehr Bedeutungen, von »nichtsnutzig, albern«, »matt, flau« über »allzu locker« bis hin zu der Adverbialbedeutung »verflucht, verflixt«: »Luschig kalt heute!«
An den Haaren herbeigezogen, meinen Sie jetzt? Da hätte ich ja mit jedem Synonym für »schlecht, minderwertig« ankommen können. Nicht ganz, denn »luschig« leitet sich letztlich von der »Lusche« ab, die ebenfalls wieder einige Bedeutungen mit der »Gurke« gemeinsam hat, aber letztlich wie die »Gurre« ein weibliches Tier bezeichnet. Wenn auch in diesem Fall canem foenimam, den weiblichen Hund. Irgendwie scheinen die einfach kein Bein auf den Boden zu bringen, diese weiblichen Viecher, jedenfalls nicht im Volksmund.
- meine Umschreibung [↩]