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Ing­wer oder Ras­sis­mus à L’Anglais

»Feu­er­mel­der«, »Puf­fleuch­te«, »Karot­ten­kopf« – Rot­haa­ri­ge haben es wohl nir­gend­wo leicht, wenigs­tens als Kin­der nicht. Aber wäh­rend sich über­all sonst auf der Welt die Hän­se­lei von Rot­haa­ri­gen mit dem Ende der Kind­heit zu geben scheint, geht sie in Groß­bri­tan­ni­en dann erst so rich­tig los. In kei­nem ande­ren Land sind Rot­haa­ri­ge so oft The­ma in Film, Funk, Fern­se­hen und Pres­se. Selbst Poli­ti­ker genie­ren sich nicht, ihre Oppo­nen­ten, sofern pas­send, mit dem einen oder ande­ren abfäl­li­gen Aus­druck für »rot­haa­rig« zu titu­lie­ren. Bei uns sahen sich Rot­haa­ri­ge noch nicht ein­mal wäh­rend der Hexen­ver­fol­gung beson­de­ren Schi­ka­nen aus­ge­setzt.1 Das bri­ti­sche Volk, so möch­te man dage­gen mei­nen, führt gegen sei­ne rot­haa­ri­gen Mit­men­schen Krieg.

Der schwarz­ame­ri­ka­ni­sche Stan­dup-Komi­ker Regi­nald D. Hun­ter, der in Eng­land gro­ßen Erfolg und prak­tisch ein zwei­tes Zuhau­se gefun­den hat, ist aus Geor­gia und sowas wie ein Fach­mann in Sachen Ras­sis­mus. Auf die Fra­ge, wie es sich denn damit sei­ner Ansicht nach in Eng­land ver­hal­te, mein­te er tro­cken: »Natür­lich gibt es Ras­sis­mus in Eng­land – ihr seid bloß nicht son­der­lich gut dar­in. Ihr Bri­ten geht auf Rot­haa­ri­ge los. Rot­haa­ri­ge sind noch nicht mal eine Ras­se!«2 Und der ehe­ma­li­ge Chef der bri­ti­schen Libe­ral­de­mo­kra­ten Charles Ken­ne­dy mein­te mal zu Talk­mas­ter Frank Skin­ner auf die Fra­ge, ob es Rot­haa­ri­ge in der Poli­tik schwe­rer hät­ten: »Rot­haa­ri­ge weni­ger, eine Glat­ze ist pro­ble­ma­ti­scher.«3 Er wälzt sei­ne Pro­ble­me als Rot­haa­ri­ger auf die nächs­te dis­kri­mi­nier­te Grup­pe ab! Das sagt so eini­ges. Zumal er damals noch im Amt war; mitt­ler­wei­le mein­te er auch schon mal: »Immer auf die Rot­haa­ri­gen.«4 Und aus­ge­rech­net die ehe­ma­li­ge Minis­te­rin für Gleich­heit Har­riet Har­man titu­lier­te den rot­haa­ri­gen Schatz­kanz­ler Dan­ny Alex­an­der 2010 als »gin­ger rodent« (rot­haa­ri­gen Nager, wobei der im Eng­li­schen die Ten­denz zu »Unge­zie­fer« hat);5 der mein­te dar­auf, er sei stolz dar­auf »gin­ger« zu sein.6

Stolz hin oder her, »gin­ger« – so nennt man auf den bri­ti­schen Inseln Rot­haa­ri­ge. Was an sich nicht als abfäl­lig gilt; das ist schon eher beim kür­ze­ren »gin­ge« oder der alter­na­ti­ven Schreib­wei­se »ginga« der Fall. In Anleh­nung an »homo­pho­bia« spricht man in den Medi­en gern von »gin­ger­pho­bia«, also »Roten­hass«, oder in Ana­lo­gie zu Bil­dun­gen wie »ageism« von »gin­ge­rism« – das wären dann die Vor­ur­tei­le gegen Rot­haa­ri­ge. Und die­se wie­der­um sehen sich als »car­rot tops« und »car­rot heads« titu­liert.

Was immer nun hin­ter der Dis­kri­mi­nie­rung Rot­haa­ri­ger ste­cken mag, die Bri­ten trei­ben sie wei­ter als jede ande­re Nati­on. Da wird schon mal eine gan­ze Fami­lie mehr­mals vom Pöbel aus der Gegend zum Umzie­hen gezwun­gen,7, nach­dem die Kin­der ver­prü­gelt wur­den, die Haus­wand beschmiert, Fens­ter ein­ge­wor­fen. 2003 bekam einer ein Mes­ser ins Kreuz, nur weil er rot­haa­rig war.8 2009 häng­te ein rot­haa­ri­ge Schü­ler sich nach lan­gen Tor­tu­ren durch Mit­schü­ler auf.9 Eher harm­los nimmt sich dage­gen der Skan­dal um eine Piz­za­lie­fe­rung auf, bei der Piz­za­bä­cker Domi­nos statt an einen »Ross Wajgt­knecht« an ein »Gin­ger Kid« lie­fer­te.10

Frau­en bekom­men wie so oft dop­pelt drauf. In die­sem Fall ver­bin­det sich die Haar­far­be aus wel­chen Grün­den auch immer mit der Sexua­li­tät. »Ein ros­ti­ges Dach lässt eben auf einen feuch­ten Kel­ler schlie­ßen.« Wink-wink, nudge-nudge. Da heißt es eben nicht nur »Duracell« oder »cop­per knob«, son­dern in der Regel »gin­ge min­ge«, was ich mal mit »Fuchs­mu­schi« über­set­zen will.»Can I have a sli­ce of gin­ge min­ge, plea­se?« Dahin­ter steht die alte Auf­fas­sung, »that the rug matches the car­pet« oder »the col­lar matches the cuffs«. Auf einem bri­ti­schen Come­dy-Forum beklagt sich eine Betrof­fe­ne: »D’ya know, when you’­ve got red hair and [are] young and beau­tiful … men are outra­ge­ous about it. Gin­ge min­ge is nor­mal, idle chit chat befo­re you’­ve even had a for­mal intro­duc­tion!«11 Eine Kell­ne­rin bekam 2007 £18000 Schmer­zens­geld, weil sie am Arbeits­platz ihrer roten Haa­re wegen stän­dig – ver­bal – beläs­tigt wurde.

Ist also »gin­ger« an sich neu­tral? Ver­mut­lich nicht für jeman­den, der von Kin­des­bei­nen an damit auf­ge­zo­gen wird: »Gro­wing up with red hair, I’ve heard many asso­cia­ted nick­na­mes — ›fla­me brain,‹ ›litt­le red,‹ ›car­rot top,‹ ›big red‹ and sim­ply, ›red‹ to name a few. All make me unea­sy, but the one that comes the clo­sest to a fight­ing word is ›gin­ger.‹ As soon as it rolls off the ton­gue, you know it isn’t meant as any­thing clo­se to a com­pli­ment.« So ein Betrof­fe­ner auf der Web­site gingerism.com, die die Dis­kri­mi­nie­rung Rot­haa­ri­ger dokumentiert.

Apro­pos »sim­ply red«: Mick Huck­nall, Sän­ger der Band Sim­ply Red, ist der Ansicht, dass er sich sei­ner Haar­far­be immer wie­der Vor­ur­tei­len aus­ge­setzt sah. Sei­ner Ansicht nach soll­te »gin­ge­rism« als eine Form von Ras­sis­mus ein­ge­stuft wer­den.12

  1. Wiki­pe­dia []
  2. Er sag­te das in irgend­ei­ner bri­ti­schen »panel show« – ich glau­be, es war Have I Got News For You; ich zitier­te aus dem Gedächn­tis. []
  3. In der Frank Skin­ner Show. Auch hier zitie­re ich nach dem Gedächt­nis. []
  4. Have I Got News For You []
  5. Mail ONline []
  6. BBC []
  7. BBC []
  8. BBC []
  9. Tele­graph []
  10. The Guar­di­an []
  11. www.comedy.co.uk []
  12. Mail Online []

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