Wann immer wir heute den Namen McCarthy hören, kommt uns unweigerlich der schaurige Begriff »unamerikanische Umtriebe« in den Sinn – und umgekehrt. Der »McCarthyism und seine verhängnisvollen Folgen für Karriere und Leben zahlreicher Kreativer wurde – mit sicherem zeitlichen Abstand, versteht sich – in zahlreichen großen und kleinen Filmen thematisiert. Was hierzulande jedoch kaum jemand zu wissen scheint: Joe McCarthy hatte mit dem House Un-American Activities Committee, dem berüchtigten Ausschuss des Repräsentatenhauses gegen unamerikanische Umtriebe gar nichts zu tun.
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Im April dieses Jahres legte der US-Senat unter dem Titel Wall Street and the Financial Crisis: Anatomy of a Financial Collapse den definitiven Bericht über die Finanzkrise 2008 vor. Was in der 635-seitigen Schwarte steht, weiß ich nicht, soll auch hier gar nicht interessieren, sondern nur dass ihn ein Gremium namens United States Senate Homeland Security Permanent Subcommittee on Investigations oder kurz Permanent Subcommittee on Investigations erarbeitet hat. Und genau diesem 1952 eingerichteten Ausschuss stand 1953/54 fünfzehn Monate lang der Senator aus Wisconsin Joseph McCarthy vor.
Auch wenn, wenigstens im Web, der eine oder andere McCarthy in den falschen Ausschuss steckt, für Amerikaner mit einem Minimum an Schulbildung liegt das Versehen auf der Hand: Joe McCarthy war Senator und hätte als solcher in einem Ausschuss des House of Representatives gar nichts verloren gehabt. Die komplexen Namen der jeweiligen Ausschüsse geben Auskunft über ihre Zugehörigkeit, die des amerikanischen Oberhauses nennen sich allesamt Senate Committees, eine aktuelle Liste davon ist bei Wikipedia einzusehen; die des Unterhauses nennen sich House Committees. Und wie überall auf der Welt beschäftigen sie sich mit Problemen, mit denen sich nicht gleich das ganze Parlament befassen soll.
Wie nun kommt diese Verbindung McCarthys mit »unamerikanisch« zustande, wenn der Senator noch nicht einmal in dem berüchtigten Ausschuss saß? Nun, vermutlich weil der gute Senator aus Wisconsin in seinem Ausschuss, dem Senate Subcommittee on Investigations letztlich nichts anderes machte als seine Kollegen in dem Ausschuss, dessen griffiger Name hängen geblieben ist.
Tatsache ist, dass Joe McCarthy bereits 1950 zum Gesicht der amerikanischen Angst vor einer kommunistischen Unterwanderung und damit des Kalten Krieges wurde. Er begann damals öffentlich zu behaupten, der amerikanische Staatsapparat sei mit Kommunisten und sowjetischen Spionen durchsetzt, Behauptungen, die sich zwar kaum je belegen ließen, die aber vielen Amerikanern einleuchteten, die sich nicht erklären konnten, warum sich die Früchte eines gewonnenen Krieges nicht in dem Maße genießen ließen, in dem das ihrer Vorstellung nach möglich sein müsste.1 Vor allem im Außenministerium, so behauptete er im Februar 1950 erstmalig, wimmle es vor Kommunisten, wobei es mal 205, mal 57, mal 81 waren.2
Seine Behauptungen kamen im richtigen Augenblick: Mao hatte 1949 den Bürgerkrieg gewonnen. Im selben Jahr hatte Stalin eine erste eigene Atombombe getestet. Die Verurteilung eines ehemaligen Beraters von Präsident Roosevelt, Alger Hiss, der im Außenministerium arbeitete und an der Einrichtung der Vereinten Nationen mitgearbeitet hatte, wegen Meineids bei einem Spionageprozess gegen ihn, war Wasser auf McCarthys Mühlen.3 McCarthy und Amerika kremplten die Ärmel hoch. Noch 1950 wurde der Begriff McCarthyism geprägt, also zwei Jahre vor der Gründung des Permanent Subcommittee of Investigations, dessen Vorsitz McCarthy ein Jahr später ergattern konnte. Der Begriff, der für uns heute die politische Haltung eines Jahrzehnts definiert, exisierte also bereits, bevor die Kommunistenhatz so richtig los ging. Desgleichen signalisierte seine Prägung an sich schon, dass Amerika weder durch die Bank McCarthys Hysterie teilte, noch seine Methoden für gut hieß. Wie auch immer, er steht noch heute allgemein für verwegene, verhetzende und unbegründete Anwürfe gegen politische Gegner.
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Einen kleinen Abriss über amerikanische Angst vor den Roten, bietet folgender, hier und da unfreiwillig komischer Film.
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- Ich beziehe mich hier auf Bookrags. [↩]
- Booksrags [↩]
- Alger Hiss saß fünf Jahre; er verbrachte den Rest seines Lebens damit, seine Unschuld zu beweisen. Selbst nach dem Fall der Sowjetunion fanden sich in Moskau keine Belege für seine Spionagetätigkeit. [↩]