Straßenmusik. Für viele nichts weiter als eine bessere Form des Bettelns, so viel steht fest, und, sicher, manchmal sind Qualität oder Voraussagbarkeit der Darbietung fast schon krass. Aber hin und wieder kommt man auch an einem Musikanten vorbei, der einem was Erstaunliches mit auf den Weg zum Supermarkt gibt. Und ab und an bleibt man gefesselt stehen oder lässt sich im Vorbeigehen etwas von seinem sauer verdienten Hartgeld aus dem Kreuz leiern. Ha, aber eine »Queen of the Underground«, also die geht bei uns ab. Zumindest in unserer Stadt.
Wie sollte es auch anders sein, ist doch das Musizieren in der Nürnberger U‑Bahn, so wie’s aussieht, streng untersagt. Und genau darauf bezieht sich der selbstverliehene Titel »Queen of the Underground«, auf die Londoner U‑Bahn. Nicht dass die Londoner »tube« da seit jeher schon liberaler gewesen wäre. Mitnichten.»Busking« (Straßenmusizieren) war auch dort strikt untersagt. Aber seit einiger Zeit hat sich das geändert. Man kann sich als »busker«, so heißen Straßenmusikanten im Vereinigten Königreich, bei London Transport bewerben. Doch, doch. Für gut genug befunden, ja, es gibt tatsächlich eine Qualitätskontrolle in Form eines Vorspielens, bezahlt man 20 Mücken und bekommt bei Gefallen die Lizenz zum Musizieren. Böse Zungen meinen, das sei denn auch der Grund für die plötzliche Liberalität: dass London Transport an den Lizenzen klotzig verdiene. Aber darum soll es hier nicht gehen. Ich wollte nur erklären, warum es in London so etwas wie eine »Queen of the Underground« tatsächlich geben kann.
Wie ich darauf komme?
Nun, BBC2 oder Radio2, wie der Brite sagt, hatte dieses Jahr die famose Idee, einige Londoner Straßenmusikanten ins Studio zu ziehen – an den Haaren & ob sie wollten oder nicht, wie es ironisch, nehm ich mal an, jedesmal hieß. Interview und zwei Songs live; man kann nur hoffen, dass die Betroffenen davon profitierten. Ganz besonders wünsche ich das Hadar Manor, deren Stimme es mir sofort angetan hatte. Und als ich noch während der Darbietung »auf Web« ging, fand ich nicht nur ihre Homepage sondern auch eine CD – Crossing London – die ich mir gleich mal kommen ließ. Und als der Briefträger sie bei mir ablieferte, habe ich sie auch gleich dreimal hintereinander gehört.
Bevor Sie jetzt das Video abspielen, sollte ich eines sagen: Der Song »Queen of the Underground« ist der erste auf dem Album. Aber Straßenmusikantin hin oder her, es ist ein Song, der einem nicht sofort ein- und aufgeht. Weil die Produktion fehlt, die man heute gewohnt ist. Und er fällt insofern aus dem Rahmen, dass er – bis auf eine versteckte Zugabe ganz hinten – der einzige eher »unproduzierte« Song des Albums ist. Unabhängig von der CD spricht das prima gemachte Video natürlich für sich.
Wer ein bisschen mehr hören möchte, gehe doch mal auf Hadars MySpace-Site. Und da es die CD auch als mp3s auf der deutschen amazon-Site gibt, kann man sich das Ganze auch halbwegs ordentlich vorhören.
Wer sich nun vielleicht gefragt hat, wie so eine junge Frau, eine so hübsche obendrein, so ganz allein in der Londonder U‑Bahn zurechtkommt, der sollte vielleicht wissen, dass die geborene Israelin zuhause in Israel bereits als Teen Leutnant beim Heer war, bevor sie mit einer Gitarre auf dem Rücken nach London kam.
Wie auch immer, das Album ist von 2009 und hat ihr offensichtlich leider nicht den verdienten Durchbruch gebracht. Mit anderen Worten, sie arbeitet nach wie vor auf der Straße. War das nun schon die große Chance gewesen & sie hat sie verpasst? Ich meine, vier Jahre ohne Nachfolgealbum sind eine lange Zeit. Sie schreibt, sie richte sich gerade zuhause ein kleines Studio ein. Vermutlich würde es helfen, wenn ein bekannter Name einen ihrer Songs covern würde. So mancher englische Star hat als Straßenmusikant angefangen. Ich muss dabei immer an Billy Bragg denken und »A New England« und Kirsty McColls Hitversion davon. So hätte ich mir Amy Winehouse mit Hadars »Cook a Man« vorstellen können. Das ist wohl mein Lieblingssong auf der Platte, auch wenn ich noch nicht so recht weiß, wie finster das eigentlich gemeint ist.
Ich kann nur hoffen, dass Hadar noch einige starke Songs in sich hat. Dann schafft sie den Absprung vielleicht ja doch noch. Presse hatte sie durchaus. Aber das alles ist eben schon eine Zeitlang her.
Wie auch immer, falls sie es noch schaffen sollte, dann sind alle, die ihre CD »Crossing London« gekauft haben, fein raus. Sie haben nämlich etwas, was man von einem Star nicht mehr kriegen wird. Sie verschickt die Scheibe nämlich persönlich und man bekommt zu seiner – jedenfalls zu meiner – großen Freude ein kleines Briefchen mit Dankeschön & Kussis mit. Dafür hat ein Star dann vermutlich keine Zeit mehr …