Die vierte Lieferung der ersten deutschen »Slang«-Sammlung geht von »bekleckern« bis »bluten«, ersteres nun sicher heute noch nicht mal mehr Umgangssprache, zweiteres sehr wohl immer noch Umgangssprache für bezahlen. Auch »berappen« und »blechen« finden sich auf diesen zwei Seiten bereits in diesem Sinn, beide solide deutsche Umgangssprache, auch heute noch. Das alles wie immer im Mosaik meiner Bemühungen, ein Bild dessen zu vermitteln, was wir – heute und historisch – als »Slang« bezeichnen. Das modische Element, das wesentlich den Slang ausmacht, fehlt natürlich allen dreien.
Das ganze Unterfangen hier ist vor allem unter dem Aspekt zu sehen, dass in Übersetzungen – ich komme noch zu Beispielen aus der Praxis – für solide englische Umgangssprache immer noch zu oft deutsche Schriftsprache übersetzt, mit anderen Worten ein falsches sprachliches NIveau angesetzt wird. Nicht dass das Meiste nicht längste in den Wörterbüchern stünde, aber viele Leute scheinen einfach ein ganz persönliches Problem mit der Umgangssprache zu haben – und projizieren dieses Problem mit ihrer Verweigerung in ihre Übersetzungen, die sehr wohl darunter leiden, weil sie ein falsches Bild vom Original geben. Also lesen Sie einfach mal rein, wundern Sie sich, wie alt ein Gutteil unserer Alltagssprache bereits ist.
Das Vorwort zu Arnold Genthes, Deutsches Slang habe ich bereits hier vorgestellt.
Arnold Genthe, Deutsches Slang
Eine Sammlung familiärer Ausdrücke und Redensarten
Straßburg: Verlag von Karl J. Trübner, 1892.
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[Seite 7]
beklackern, bekleckern, v. tr., sich beschmutzen, (bes. die Kleidung beim Essen).
beklieren, v. tr., mit schlechter Schrift, mit Fingern etc. eine Fläche besudeln (s. klieren).
bekneipen, v. refl., sich betrinken.
belämmert, part., in Verlegenheit gebracht; übervortheilt, angeführt, betrogen.
bemäkeln, v. tr., kleinlich etwas tadeln (s. mäkeln).
bemogeln, v. tr., jem. betrügen, hintergehen (s. mogeln).
Bemse, f., starke Ofenhitze.
bemuttern, v. tr., jem. unnützerweise bevormunden.
benebelt, a., bezecht.
berappen, v. tr., bezahlen.
Heinz Küpper weiß dazu:
Fußt auf dem Rappen, einer in Freiburg (Breisgau) geprägten Münze, deren Adlerkopf vom Volk als Rappe (= Rabe) gedeutet oder verspottet wurde. 1800 ff.1
Josef Müller dagegen leitet das Verb vom schweizer Rappen ab:
berappen … Allg. schw.: scherzh. bezahlen, blechen, latzen (eigentl. einen Rappen, schweizerische Münze mit einem R. geben, [Bd. 7, S. 86] eine geringe M. geben); du moss (dat, alles) b. Allg.2
berappen 1 schw.: = PfWB bezahlen, scherzh., berappe [allg., gehobene Schichten, vgl. Otterstetter 230]; vgl. PfWB berappsen. De Franz eß e Figgediewes, er achelt sich satt. Doch geht’s ans Berabbe, dann butzt er die Platt … — Ein jüngeres, den pfälzischen Auswanderern des 18. Jh. unbekanntes Wort. …
2 schw.: eine Mauer b. ‘mit Mörtel rauh verputzen’, berappe (bərabə) …3
berühmt, a., Red.: das ist nicht Berühmtes = nichts Besonderes, nichts Hervorragendes.
besabbern (besabbeln), v. tr. u. refl., sich mit Speichel naß machen.
Bescheerung, f., Red.: da hast di die Bescheerung; da siehst du, was du angerichtet hast.
beschmuddeln, v. tr., etwas beschmutzen.
beschnuppern, v. tr., etwas beriechen.
beschummeln, beschuppen, beschupsen, v. tr., jem. betrügen, hintergehen.
Besen, m., Dienstmädchen.
Bettel, m., unbedeutende, wertlose Sache; z. B. der ganze Bettel.
beurgrunzen, v. tr., etwas näher besichtigen, beurteilen.
bewahre, interj., abgekürzt aus »Gott bewahre!« durchaus nicht! keineswegs!
bibbern, v. int., zittern.
Bibi, m., Herrenhut.
Biereifer, m., großer Eifer, Fleiß.
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Bierfisch, m., Bierschnecke, f., unreiner Körper im Glase Bier.
Bieridee, f., unsinniger, toller Gedanke.
Bierrede, f., humoristische, witzige Rede.
Bierreise, f., 1. Wanderung durch verschiedene Kneipen; 2. Reife überhaupt.
Bierwitz, m., toller Unsinn.
Biest, n., Tier; ein großer Biest (s. Tier), ein berühmter Mann.
Bimbam, Red.; heiliger Bimbam! Ausruf des Erstaunens, Schreckens etc.
Bimmel, f., Glocke, Klingel.
bimmeln, v. int., läuten, klingeln (bezeichnet das helle Läuten einer Glocke).
Binde, f., Red.; einen hinter die Binde gießen, schnell trinken (bes. einen Schnaps).
bitten, v. tr., Red.: nein, ich bitte Sie! (Ausdruck der Verwunderung).
blaaken, v. intr., rußen; z. B. die Lampe blaakt bei zu hoch geschraubtem Docht.
Blase, f., Gesellschaft, Clique.
Blech, n., Unsinn; z. B. redet doch nicht solches Blech!
blechen, v. tr., bezahlen, Geld ausgeben, mit dem Nebenbegriff des Unwilligen.
blechen, de suo solvere, geld lassen, hergeben, poln. placić: der kerl musz tüchtig blechen; möchte noch hingehen, wenn sie nur brav blechten, aber auch da fehlts immer mehr. Wieland bei Merck 2, 130; da heiszts immer, vater, thu den beutel auf! sblechen nimmt kein end. Fr. Müller 1, 281; ist mir mancher schöne thaler nebenaus gegangen. das unerhörte blechen! Göthe 8, 77; wer nicht kann blechen, der lasse das zechen.4
blechen 1. Blasmusik machen MGladb-Rheind. —
2. zahlen, namentlich wenn man glaubt, zuviel zahlen zu müssen. Do hammer schro (fis) bl. mosse. He hät alles geblech Rip, Allg. aus ‑blechen: ytblękə Klev-Frasselt bezahlen.ver ‑blechen: sein Geld v., vertun Neuw-Datzeroth.5
blechen
1. Dafür soll er mir blechen. d.h. büssen, Genugthuung, Schadenersatz geben. Frz.: Il me la payera plus cher qu’au marché. (Lendroy, 375.)2. Er muss blechen. – … Von denen, die Strafgelder zahlen müssen oder bedeutende Verluste zu erleiden haben. Also Geld geben müssen, d.i. ungern. Vom altdeutschen plehhan = öffnen, den Beutel öffnen müssen. Vielleicht auch von der Bezeichnung des Geldes als Blech. (S. Beutel.) Engl.: It will cost him sauce. Frz.: Cracher au bassin. (Starschedel, 35.)
3. Wer nicht kann blechen, der lasse das Zechen. – Simrock, 1132; Eiselein, 82.6
Blechschädel, m., Red.: ich habe einen gehörigen Blechschädel, der Kopf ist mir eingenommen (Z. B. bei Katzenjammer).
blubbern, v. tr., schnell, unartikuliert sprechen.
blühend, a., Red.: blühender Unsinn, großer Unsinn (bes. in der Rede).
Blümchenkaffee, m., sehr dünner Kaffee.
blümerant, adv., wirr, Red.: mir wird ganz blümerant, unwohl.
Blümerant passt eigentlich wunderbar in meine kleine Reihe mit Betrachtungen zu »trümmlig«. Es hat einen gewissen angestaubten Charme, ist aber durchaus noch im Schwange, vermutlich mit einem Hauch Ironie. »Mir wird ganz anders«, könnte man auch sagen oder »Mir wird schwarz vor den Augen«, »jemandem schwinden die Sinne«. Bezeichnend ist vielleicht gerade ein Zitat von Max Raabe: »Ich bin ja oft in Hamburg. Dort gibt es ein, zwei schräge Lokale, die ihre Jukebox mit Hans Albers aufgefüllt haben. Ich geh dann immer hin und werfe mein Geld für dieses Lied ein und jedes Mal wird mir wieder ganz blümerant.«7 Im Anreißer des Artikel heißt es über den Mann: »Bluejeans trug er das letzte Mal mit 15 Jahren, statt iPod hört er Grammofon.«
blümerant (verderbt aus dem franz. bleu-mourant, »blaßblau«), in übertragener Bedeutung soviel wie schwach. schwindelig.8
blümerant Adj.: 1. ‘mattblau’, a. 1767: bleumourant Nordertuch (Tuch aus Holland) [SSp., Rechn. d. Waisenhauses zum Roten Schild]. — 2. ‘unwohl, schwindelig’. Mer werd ganz blimerant (blimərand) se Mut [Lu’haf]. Mer esch’s ganz blimerant vor de Ääge [ [Ort in der Karte anzeigen] BZ-Dernb]. — Aus frz. bleu mourant. —3
blümerant Rhfrk, Mosfrk; … Adj.:
1. bl. blo fast blau … 2. hervorstechend, bedenklich, sonderbar, unverständlich … Et es me ze bl., wo de N. et Geld herkrit. —
3. et es mer ganz bl. für de Auen schwindelig, flau, ohnmächtig Allg. Auch et es mir bl. …5
Es ist die blaue Farbe auch diejenige Farbe, welche am schwersten zubereitet werden zu können scheint, und mithin viel Aufmerksamkeit bei ihrer Zubereitung erfordert. Nachdem sie lichter oder dunkler ist, bekommt sie verschiedene Zunahmen, da sie 1) Bleich= oder Blaß=<5, 590>blau, bei dem gemeinen Mann blümerant, L. Coeruleum obscurum, Fr. Bleu blanc, Bleu naissant, Bleu pàle oder Bleu mourant.9
bluten, v. int., bezahlen, Geld ausgeben mit dem Nebenbegriff des Unwilligen.
Fortsetzung folgt …
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- Digitale Bibliothek Band 36: Wörterbuch der deutschen Umgangssprache, S. 3360 (vgl. Küpper-WddU, S. 94) © Marianne Küpper. [↩]
- RhWB = Rheinisches Wörterbuch. Bearb. und hrsg. von Josef Müller, ab Bd. VII von Karl Meisen, Heinrich Dittmaier und Matthias Zender. 9 Bde. Bonn und Berlin 1928–1971. [↩]
- Pfälzisches Wörterbuch. Begründet von Ernst Christmann. Fortgef. von Julius Krämer. Bearb. von Rudolf Post. Unter Mitarb. von Josef Schwing und Sigrid Bingenheimer. 6 Bde. und ein Beiheft. Stuttgart 1965–1998. [↩] [↩]
- DWB = Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. 16 Bde. in 32 Teilbänden. Leipzig 1854–1961. Quellenverzeichnis Leipzig 1971. [↩]
- Rheinisches Wörterbuch. Bearb. und hrsg. von Josef Müller, ab Bd. VII von Karl Meisen, Heinrich Dittmaier und Matthias Zender. 9 Bde. Bonn und Berlin 1928–1971. [↩] [↩]
- Deutsches Sprichwörter-Lexicon von Karl Friedrich Wilhelm Wander [↩]
- diepresse.com [↩]
- Meyers Großes Konversationslexikon. Ein Nachschlagewerk des allgemeinen Wissens. Sechste, gänzlich neubearbeitete und vermehrte Auflage. Leipzig und Wien 1905–1909. [↩]
- Oekonomische Encyklopädie von J. G. Krünitz [↩]