»Geordnete Auflösung des Euro-Gebiets«? Ich will mich noch nicht mal damit befassen, ob das bis zur Auflösung Europas an sich und zur Ausrufung eines Königreichs Bayern führen soll. Nach allem, was wir jetzt hinter uns haben? Tretet den Steuerhinterziehern rund ums Mittelmeer in den Arsch, nicht zu vergessen allen anderen in allen anderen Staaten Europas, und die Karre ist aus dem Dreck.
Nein, im Ernst. Man muss doch den Arsch offen haben, und zwar sperrangelweit, wenn man wieder zurück will zu dümmster Kleinstaaterei. Und diese Rückkehr fängt mit der Rücknahme des Euro-Experiments an…
»Germans have not taste for peace.« Wissen Sie, woher das kommt? Dass der Deutsche »keinen Sinn für den Frieden« habe? Tacitus hat das geschrieben, anno dunnemals, in seiner Germania:
»Si civitas, in qua orti sunt, longa pace et otio torpeat, plerique nobilium adulescentium petunt ultro eas nationes, quae turn bellum aliquod gerunt, quia et ingrata genti quies et facilius inter ancipitia clarescunt magnumque comitatum non nisi vi belloque tueare …«1
Man kann das jetzt komplizieren:
In dieser Stelle ist der Satz: »si civitas longa pace torpeat, plerique nobilium adolescentium bis: quia magnum comitatum non nisi vi belloque tueare« entscheidend, die Streitfrage aber folgende:
Hat Tacitus durch die plerique nobilium adolescentium die principes oder die comites bezeichnen wollen?
Ersteres behaupten die älteren, letzteres einige neuere Ausleger.
Liest man den ganzen Satz von: blabla … Nur der Nachsatz: »exigunt blabla … hat die Meinung hervorgerufen, daß auch der Vordersatz sich auf die comites beziehe blabblabla … Tacitus sagt: Wenn daheim langer Frieden, suchen die meisten edlen Jünglinge fremde Völker auf; wo eben Krieg ist, weil 1) dem Volke Ruhe unbehaglich, 2) in Gefahren Ruhm zu erwerben und blablabla …2
Oder man kann es kurz machen – wie eben der Rest der Welt: Die Deutschen haben keinen Sinn für den Frieden. Scheißegal, ob damit die Germanen von 100 n. Chr. gemeint sind oder die Deutschen von 2013 im Jahre des Herrn. Und wer will es ihm verdenken, dem Rest der Welt? Nach zwei Weltkriegen, an deren Ausbruch wir recht tatkräftig & maßgeblich beteiligt waren.
Augenblick, was das heißt? Das Lateinische da? Ha!
Wenn das Gemeinwesen, in dem sie geboren sind, in langem Frieden und Untätigkeit erlahmt ist, suchen sehr viele adlige Jünglinge von sich aus die Stämme auf, die im Augenblick einen Krieg führen, weil einerseits die Ruhe dem Volk unwillkommen ist und sie dann inmitten von Gefahren leichter zu Ruhm gelangen, sich ein großes Gefolge auch nur durch Gewalt und Krieg erhalten lässt.3
Oder heißt es:
Wenn der Stamm, in dem sie geboren sind, durch langen Frieden und durch Nichtstun einrostet, suchen die meisten der jungen Adligen von selber die Stämme auf, die zu der Zeit irgendeinen Krieg führen, weil unwillkommen diesem Volke die Ruhe ist, sie leichter in Gefahren berühmt werden und du ein großes Gefolge nur durch Gewalt und Krieg halten könntest4
Wir können so weitermachen, mit Eindeutschungen der Germania, meine ich. Aber der angelsächsischen Welt genügt nun mal: Germans have no taste for peace. Und da wir auch noch das Pech haben, kein englisches Wort zu haben, das die Germanen von den Deutschen unterscheidet, heißt das eben Die Deutschen haben keinen Sinn für den Frieden.
Sie brauchen bloß englisches Fernsehen zu gucken5, dann haben Sie jeden Abend die selben Klischees: wir Deutschen sind humorlos, laut, das Navi im Mercedes schreit: NÄCHSTÄÄÄ! LLLLINKS! Und wir haben zwei Kriege angefangen. Und dass es uns augenblicklich viel zu gut geht im Gegensatz zum Vereinigten Königreich. Was ein Glück, dass wir gute Autos bauen!
Mal im Ernst: Ich weiß nicht, ob ich hier über ein Übersetzungsproblem blogge oder ein politisches. Was ich sagen will: Diese Art von depperten Klischees genügen doch nun wirklich.6 Und scheiß drauf, sollen die Leute ihre politisch unkorrekten Vorstellungen haben. Ich bin da voll dafür. Sie töten nämlich keine Menschen. Wir haben ein Europa geschaffen, in dem sich — so wie es jetzt ist — nie wieder Menschen in Gräben gegenüberliegen und sich Löcher in Helm & Kopf zu schießen versuchen.
Wollen wir das wirklich rückgängig machen? Nur weil eine Reihe von Leuten den Hals nicht vollkriegen kann? Im Ernst, hören wir auf, an Hartz-IVlern rumzumaulen und treten reichen Steuerhinterziehern in den Sack. Bis in den letzten Winkel Europas. Wetten, dass da Billarden zusammenkämen? Wieso meint dieses Gesindel, mit Millionen auf dem Konto immer noch verhungern zu müssen? Mit welchem verdammten Recht entziehen diese Wenigen dem Gemeinwesen Europa die Summen, die es zum Paradies machen könnten? Ächtet diese antisozial-gierigen Arschgeigen, anstatt Parteien zu wählen, die uns zurück in innereuropäische Schützengräben führen wollen.
Und ich sage das als popliger Übersetzer, dem bei der Zitatsuche anlässlich einer Übersetzung wieder mal aufgefallen ist, wie schnell fatale Missverständnis aufkommen können…
- Tacitus, Germania, 14.2 [↩]
- Felix Dahn, Geschichte der Völkerwanderung von Eduard von Wietersheim Zweite vollständig umgearbeitete Auflage besorgt von Dr. Felix Dahn Prof. an der Universität Breslau [↩]
- gottwein [↩]
- Publius Cornelius Tacitus, Agricola • Germania. Dialogus de oratoribus. Übersetzt und erläutert von Karl Büchner. Stuttgart: Kröner: Kröner 1985. [↩]
- Sie müssen dazu nur Ihre Antenne ein bissel verdrehen. Sie kriegen eine Menge britisches Fernsehen öffentlich-rechtlich & damit kostenlos rein. [↩]
- Sie hören im englischen Rundfunk auch täglich, dass Amerikaner nicht nur humorlos sind — wie wir Deutschen –, sondern obendrein auch noch dumm. Und dass Franzosen stinken. [↩]