Weiter geht’s in meiner brummigen kleinen Nörgelkolumne über alte & nicht so alte Trends in beim Übersetzen. Heute soll es mal um Fluch & Segen des Internets gehen. Es bietet dem versierten Übersetzer auf der einen Seite eine Menge Möglichkeiten, seine Lösung zu überprüfen, auf der anderen Seite stellt es dem weniger versierten Übersetzer eine Menge Fallen, in die dieser dann auch prompt gern tappt…
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Über das Internet und seine Möglichkeiten als wirtschaftlicher Fluch & existenzielle Bedrohung für den professionellen Übersetzer werden wir uns irgendwann auch noch unterhalten müssen, aber bleiben wir erst mal bei den technischen Aspekten. Beginnen wir von den beiden Aspekten, die ich mir heute vornehmen will, mit dem positiven. Wenn ich mal von mir ausgehen darf: Ich habe mir mittlerweile angewöhnt, einen gewissen Prozentsatz meiner Lösungen durch Googeln zu überprüfen, nicht eigentlich auf Richtigkeit sondern darauf, wie häufig meine Lösungen sind, wie idiomatisch, wie abgedroschen oder darauf, ob es sie überhaupt gibt. In der Regel kommen dabei recht interessante Ergebnisse zum Vorschein, die dann auch in der einen oder anderen Datenbank landen, damit ich sie beim nächsten Mal, wenn schon nicht im Kopf, so doch an den Fingerspitzen habe.
So stelle ich dabei witzigerweise immer wieder mal fest, dass der erste Zehnerpack von Fundstellen für eine Phrase, die ich eingebe, aus dem 19. Jahrhundert stammt. Was mich erstaunt. Und was mich denn auch gleich nachhaken und einige der alten, meist in Fraktur gesetzten Schwarten aufschlagen lässt. Nicht selten greife ich dann auch zu einer anderen, eher zeitgenössischeren Lösung. Nicht zu irgendeinem modischen Quatsch, sofern der Ausgangstext ihn nicht hergibt, aber eben zu Lösungen, bei denen nicht reihenweise Sachen aus fernen Jahrhunderten hergehen. Insofern ist das Web wirklich eine famose Sache. Wenn man dazu dann noch weitere Hilfsmittel wie die aktuelle Gutenberg-DVD oder die Digitale Bibliothek zu Rate zieht, ist man stilistisch auf der sicheren Seite.
Manchmal sehe ich so auch zu meinem großen Erstaunen, dass eine Lösung, die ich eher für abgefahren bis völlig ungebräuchlich gehalten hätte, in aller Munde zu sein scheint; sie gehörte nur eben nicht zu »meinem« Wortschatz. Auch solchen Sachen gehe ich in der Regel begeistert nach. Schließlich geht es darum, seinen Horizont zu erweitern. Es gibt nichts Schlimmeres als den Lektor, der sich hinsetzt und einen Text auf seinen Tellerrand zurechtredigiert, anstatt sich nach dem Horizont des Autors zu strecken, dem ich als Übersetzer mähsam habe gerecht werden wollen.
Wie auch immer, ich kann die Methode dem Anfänger wie den gestandenen Kollegen nur wärmstens empfehlen. Wer auch nur den geringsten Sinn für Sprache hat, der wird das ohnehin so halten. Schon weil es ungeheuren Spaß macht.
Zu den Ergebnissen, auf die man bei dieser Methode stößt, gehört zunehmend auch das, was auf Übersetzungsseiten so hergeht. Und diese bieten eine der großen Fallen, in die der Anfänger dann gerne tappt. Ich nehme mal an, weil er in seiner Ratlosigkeit Komplettlösungen für seine Übersetzungen sucht, anstatt seine Lösungen lediglich am Usus messen zu wollen, wie ich es oben beschrieben habe. Und gerade der Umstand, dass diese Seiten durchaus interessante und brauchbare Lösungen bieten, macht sie auch gefährlich, da daneben auch gleich der größte Quatsch steht. Und wie soll man unterscheiden, wenn keine Erfahrung hat oder nicht erst mal in ordentlichen Wörterbüchern nachschlägt?
Ein eher harmloses Beispiel bietet der Screenshot, den ich eben geknipst habe. Während abservieren, abblitzen lassen und loswerden wollen je nach Kontext ordentliche Lösungen für das Phrasal Verb to blow off sind, ist bei abblasen eher Vorsicht geboten und abstoßen schlichter Quatsch.