Aus Mark Twains Hammer von einer Satire aus dem Jahre 1905 spricht das schiere Entsetzen über die ruchbar gewordenen Gräuel, die im Namen des belgischen Königs Leopold II. im Kongo begangen wurden – nur um dem bärtigen Megalomanen die Taschen zu füllen. Twain vermittelte den Horror des Geschehens im Kongo in Form eines fiktiven Monologs, in dem der König seine Handlungsweise auf völlig zynische Weise zu rechtfertigen versucht. Ich stelle mir das Ganze umgeschrieben und auf heutige Menschenschinder angepasst vor, sei es der größenwahnsinnige Völkermörder in Moskau, sei es der blutrünstige menschliche Abschaum in Teheran …
… oder Donald Trump, der es einem nun wirklich einfach machten würde, ließe sich doch aus zentnerweise zynischem Schwachsinn zitieren …
In dieser dritten Tranche von Leopolds zorniger Tirade bezeichnet sich der gute alte Leopold – wie heute der Donald – als politisch verfolgt. Gerade dass er nicht die Hände hebt, um sich symbolisch Handschellen anlegen zu lassen. Aber das hätte damals wohl auch nicht funktioniert. Wie dem auch sei, während Trump von der einen — offensichtlich geistesgestörten — Hälfte des amerikanischen Volkes eingesetzt und damit über jede Kritik erhaben sieht, betrachtet Leopold sich als ein von Gott eingesetzter und damit über jede Kritik erhabener Souverän. Beide halten sie Kritik an ihrer Person für Häresie.
Mark Twain
König Leopolds Selbstgespräch
Eine Verteidigung seiner Herrschaft im Kongo
1905
in der Übersetzung von Bernhard Schmid © 20231
[Fortsetzung von hier]
Ja, sie plaudern alles aus, diese Schwätzer! Schreiben, ich würde den Eingeborenen unglaublich beschwerliche Steuern auferlegen – Steuern, die reiner Diebstahl seien; Steuern, die sie in Form von Kautschuk, den sie unter immer härteren Bedingungen zu sammeln hätten, sowie durch die entgeltlose Beschaffung und Bereitstellung von Nahrungsmitteln entrichten müssten – und dabei kommt alles heraus: Wenn sie aufgrund von Hunger, Krankheit, Verzweiflung oder der Strapazen ihrer unaufhörlichen und rastlosen Arbeit ihren Pflichten nicht nachkommen, ihre Häuser verlassen und aus Angst vor der Bestrafung in den Wald fliehen, sehen sie sich auf Weisung meiner belgischen Landsleute von meinen aus feindlichen Stämmen rekrutierten schwarzen Soldaten gejagt, abgeschlachtet und ihre Dörfer niedergebrannt. Nur einige Mädchen behält man für sich zurück. Sie verraten einfach alles: dass ich, durch jede nur denkbare Form von Mord, eine Nation von hilflosen Wesen auslösche, nur um mir die Taschen zu füllen. Was sie nie sagen, obwohl sie es sehr wohl wissen, ist, dass ich mich auch rastlos und tatkräftig für die Sache der Religion eingesetzt und Missionare (wenn auch nur von der »genehmen Sorte«, wie sie es nennen), hingeschickt habe, um sie auf den rechten Weg zu bringen und zu Ihm zu führen, der ganz Gnade und Liebe und allzeit rastloser Wächter und Freund aller Leidenden ist. Sie sagen nur, was gegen mich spricht; sie sagen nie, was für mich spricht.
Sie schreiben, dass England eine Untersuchungskommission zu den Grausamkeiten im Kongo verlangt und ich eine solche bestallt habe, um diese lästige Nation und ihre unselige Congo Reform Assocation aus Earls, Bischöfen, John Morleys, Universitätsgranden und anderen feinen Pinkeln zum Schweigen zu bringen, die sich mehr für die Angelegenheiten anderer Leute als für ihre eigenen interessiert. Hat ihnen das den Mund gestopft? Von wegen, sie wiesen lediglich darauf hin, die Kommission setze sich ausschließlich aus meinen »Kongo-Schlächtern« zusammen, »eben den Männern, deren Handlungen untersucht werden sollten«. Das käme, so meinten sie, der Ernennung einer Kommission von Wölfen zur Untersuchung von Übergriffen auf einen Schafstall gleich. Unmöglich, einen dieser vermaledeiten Engländer zufriedenzustellen!*
* [Anmerkung von Mark Twain] Laut den dort tätigen Missionaren, zeigte sich die Kommission — jüngsten Informationen zufolge — alles in allem durchaus an der Förderung von Reformen interessiert. Ein Kommissionsmitglied war ein führender kongolesischer Beamter, ein anderer ein Beamter der belgischen Regierung, der dritte ein Schweizer Jurist. Der Bericht der Kommission gelangt jedoch nur über den König selbst an die Öffentlichkeit und wird so ausfallen, wie der es für angezeigt hält; und er ist auf absehbare Zeit nicht zu erwarten, obwohl seit der Untersuchung bereits sechs Monate vergangen sind. Es gibt jedoch reichlich Belege dafür, dass schreckliche Missstände festgestellt und auch eingeräumt wurden; die Aussagen der Missionare, obwohl von den Verteidigern des Königs selbst zusammengetragen, wurden dabei weitgehend bestätigt. Ein Zeuge einer dieser Anhörungen der Kommission schreibt dazu: »Männer aus Stein wären gerührt von den Geschichten, die im Laufe der Untersuchung der schrecklichen Methoden beim Sammeln des Gummis durch die Kommission bekannt werden.« In der einen von der Kommission besuchten Sektion wurden denn auch gewisse Reformen angeordnet, aber letzten Meldungen zufolge wurden die Bedingungen nach der Abreise der Kommission schlechter als vor ihrer Ankunft. Nun gut, hat der König also selbst gegen sich ermittelt. Eine Etappe jedenfalls ist geschafft. Der nächste Schritt ist die Untersuchung der Verhältnisse im Kongostaat durch die Großmächte, die für die Gründung des Kongostaates verantwortlich sind. Die Vereinigten Staaten sind eine davon. Eine solche Untersuchung wird von Lyman Abbott, Henry Van Dyke, David Starr Jordan und anderen prominenten Bürgern in einer Petition an den Kongress befürwortet. – M. T.
[Fortsetzung folgt]