Nachdem wir bereits festgestellt haben, dass der Mann a) orange, b) ein Psychopath und c) ein pathologischer Lügner ist, lassen Sie uns auf das praktisch wichtigste Schlagwort des womöglich/vermutlich nächsten – womöglich letzten? – Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika eingehen: seine angebliche Immunität, die ihn seiner – der weltweit einzig maßgeblichen – Ansicht nach vor jedweder Strafverfolgung für jedwede Delikte während seiner Amtszeit schützt.
Während Joe Biden in seinen Wahlreden – geradezu rührend, wie man sagen möchte – auf die Verbesserung der amerikanischen Lebensqualität, auf mehr Steuergerechtigkeit und eine effektivere Klimapolitik drängt, fällt der trümmligen Orange nichts Besseres ein, als in einer Tour greinend auf all die Ungerechtigkeiten hinzuweisen, die ihm, dem armen politischen Paria, widerfahren sind. Teil seiner larmoyanten Mantras ist das Bestehen auf eine »totale Immunität« des amerikanischen Präsidenten, da dieser, so sein Argument dahinter, ohne eine solche »totale Immunität« nicht effektiv regieren könne. Nehmen wir nur eines von zahllosen (er wiederholt das ja Tag für Tag) Beispielen dafür von seiner eigenen Plattform Truth Social:
Wie alle seine Äußerungen in Großbuchstaben hingeplärrt bedeutet dies:
»EIN PRÄSIDENT DER VEREINIGTEN STAATEN MUSS VOLLE IMMUNITÄT HABEN, OHNE DIE ER UNMÖGLICH RICHTIG FUNKTIONIEREN KÖNNTE.«
Augenblick mal, möchte man sagen: Hält er sich tatsächlich für den ersten Präsidenten der USA? Ich meine, 44 Präsidenten vor ihm sind ohne die volle Straffreiheit ausgekommen und konnten »richtig funktionieren«. Oder hält er sich tatsächlich für den einzigen, der »richtig funktionieren« konnte? Schon eher. Oder geht es einfach nur darum, dass er weiß, dass er zu weit gegangen ist, dass er eine Grenze überschritten hat:
»JEDER FEHLER, AUCH WENN ER GUT GEMEINT WAR, WÜRDE AM ENDE DER AMTSZEIT FAST UNWEIGERLICH ZU EINER ANKLAGE DURCH DEN POLITISCHEN GEGNER FÜHREN.«
Zunächst mal: Wieder mal die Projektion des Psychopathen: Er unterstellt dem politischen Gegner genau das, wovon er selbst träumt: nämlich den Gegner nach seiner Wiederwahl zu vernichten. Aber lassen wir das mal außen vor. Okay, er ist zu weit gegangen. Aber wie pervers ist das doch, jemandem einen Fehler anzukreiden, der in gutem Glauben gemacht wurde! Und der gute Glaube quillt dem Mann doch aus allen Poren. Nichts, was bei ihm nicht »gut gemeint« wäre. Schließlich handelt er ausschließlich im Interesse der Rettung Amerikas. Nein, nein, der Mann ahnt, dass es ihm an den Kragen geht, auch wenn er nicht wirklich – was einem Psychopathen wohl nicht möglich ist – eine Schuld bei sich sieht. Er weiß, dass er zu weit gegangen ist:
»SOGAR VORKOMNISSE, DIE “ZU WEIT GEHEN”, MÜSSEN UNTER DIE VOLLE IMMUNITÄT FALLEN, ODER ES KOMMT ZU EINEM JAHRELANGEN TRAUMA, WENN MAN GUT UND BÖSE ZU UNTERSCHEIDEN VERSUCHT.«
WTF? Bis dato, so scheint mir, hat doch wohl eher das Böse an sich zum Trauma geführt. Wann hat die Unterscheidung zwischen Gut und Böse je zu einem Trauma geführt. Nein, im Ernst? Ich denke, man war sich immer relativ sicher in dem Wissen, was gut und was böse ist. Das Beispiel Richard Nixon zeigte das recht deutlich. Der Mann war einer der 44 Präsidenten vor ihm und funktionierte durchaus ohne die volle Straffreiheit, aber als er zu weit ging, war er dran. Sein Tun und Handeln war doch glatt ein Skandal. Damals. Trump hat erheblich mit dazu beigetragen, dass halb Amerika diese Unterscheidung zwischen richtig und falsch nicht mehr zu treffen vermag. Damals war das noch klar. Jedem! Und Watergate nimmt sich doch geradezu harmlos aus gegen die Ereignisse des 6. Januars 2020: das Ausspionieren des politischen Gegners im Vergleich zu einem Putschversuch? Und trotzdem ist Letzteres irgendwie kein so rechter Skandal mehr. Weil man da erst über Recht und Unrecht diskutieren muss?
»ES MUSS GEWISSHEIT GEBEN.«
Eben! Sie gehört wiederhergestellt! Wie gesagt: Donald Trump hat mehr als jeder andere dazu beigetragen, dass die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwinden, dass oben unten ist und unten oben, wenn man es nur oft genug sagt, und es diese Gewissheit nicht mehr gibt.
»EIN BEISPIEL: MAN KANN DIE POLIZEI NICHT VON EINER STARKEN UND WIRKSAMEN VERBRECHENSBEKÄMPFUNG ABHALTEN, NUR WEIL MAN SICH VOR DEM GELEGENTLICHEN “UNSAUBEREN POLIZISTEN” ODER “FAULEN APFEL” SCHÜTZEN WILL. MANCHMAL MUSS MAN EBEN MIT “GROSSARTIG, ABER NICHT GANZ PERFEKT” LEBEN.«
Dass er sich hier mit einem auf Abwege geratenen Polizisten und dem sprichwörtlichen faulen Apfel in einen Topf wirft, entbehrt nicht einer gewissen traurigen Ironie.
»ALLE PRÄSIDENTEN MÜSSEN VOLLSTÄNDIGE UND TOTALE PRÄSIDIALE IMMUNITÄT HABEN, SONST VERSCHWINDEN AUTORITÄT & ENTSCHLOSSENHEIT EINES PRÄSIDENTEN DER VEREINIGTEN STAATEN FÜR IMMER IN DER VERSENKUNG. HOFFENTLICH WIRD DAS EINE EINFACHE ENTSCHEIDUNG. GOTT SEGNE DAS OBERSTE GERICHT!«
Also Carte Blanche für alle Präsidenten, auch ehemalige, und was auch immer sie tun – von Flächenbombardierungen Vietnams – was »in Ordnung geht« – bis hin zum politischen Umsturz im eigenen Land – was eben nicht in Ordnung geht. Wie diese Straffreiheit für alles und jedes im Fall Donald Trump aussehen wird bzw. was für Folgen sie hätte, hat Trumps Anwalt vor Gericht klar gemacht:
»Heute sagte Trumps Anwalt John Sauer vor Gericht, Trump könnte als Präsident Amerikaner ermorden und dafür nach seinem Ausscheiden aus dem Amt nicht belangt werden, was für neue Schlagzeilen sorgte, die jeden schockieren werden, der noch zu schockieren ist. Dies ist heute Abend die Schlagzeile in Amerika: ein ehemaliger Präsident hätte, so Trumps Anwalt heute vor Gericht, Immunität für die Ermordung von Rivalen, auch die Ermordung von Rivalen in Amerika. Er bestätigte das. Dies ist keine Übung; man behauptet das jetzt vor Gericht – ein ausgesprochen öffentlicher, ausgesprochen belastender, ausgesprochen gefährlicher Teil der Verteidigung des ehemaligen Präsidenten. Argumente, mit denen man den derzeit geplanten Bundesprozess gegen den Angeklagten Trump zu verhindern versucht, der wegen mutmaßlicher strafbarer Handlungen mit dem Ziel, eine Wahl zu kippen, was wie allseits bekannt am 6. Januar zu Gewalttätigkeiten führte, angeklagt werden soll.«
»Eben diese Lizenz zu morden fordert Trumps Team vor Gericht.«
»Die Richterin: ›Wenn Sie rechtlich richtig liegen‹, sagte sie dem Anwalt, ›dann könnte ein Präsident die Seals Amerikaner ermorden lassen und niemals dafür belangt werden.‹«
Das war die Frage. Man muss nicht Jura studiert haben, um zu verstehen, dass das nicht legal sein kann, dass das in einer Demokratie nicht in Ordnung ist. Die Antwort muss lauten: ›Nein.‹ Aber hören Sie selbst. Trumps Anwalt hat diesen Test nicht bestanden. Hier ist ein Teil dieses vernichtenden Austauschs:
›Wäre ein Präsident, der das Seal Team 6 mit der Ermordung eines politischen Rivalen beauftragt und dafür nicht des Amtes enthoben wird, strafrechtlich zu verfolgen?‹
›Wenn er zuerst in einem Amtsenthebungsverfahren verurteilt würde …‹
›Ihre Antwort lautet also: Nein.‹«
Wichtig ist dabei, sich darüber im Klaren zu sein, dass ein republikanischer Kongress seinen Möchtegern-Diktator nie und nimmer des Amtes entheben würde. Trump ginge also tatsächlich straffrei aus. Und mehr oder weniger die Hälfte der Amerikaner nähme das mit Jubel auf.
»Vielleicht sagen Sie zu Ihren Freunden und Nachbarn: ›So sind wir nicht. Sie hoffen vielleicht, dass diese Rhetorik seine Kampagne zum Scheitern bringt, ich meine, wer um alles in der Welt könnte tatsächlich zu so etwas stehen und befürworten? Die Antwort ist leider: mehr Menschen, als Sie vielleicht denken.‹
›Diktator am ersten Tag, wissen Sie was? Wir werden bohren, Baby, bohren!‹
›Hey, wie viele hier … Also, normalerweise würde man das in Amerika ja wahrscheinlich nicht machen, aber wenn man bedenkt, was man diesem Mann angetan hat, wie viele hier unterstützen den Diktator am ersten Tag?‹«
Also, wem das keine Sorgen macht … Und dieser Mob sieht verdächtig nach dem Gesindel aus, das hierzulande als »Impfgegner« auf die Straße geht und Journalisten als Schmierfinken beschimpft. Aber bleiben wir in Amerika:
»Alles, was er sagt, ist entweder Projektion oder Geständnis. Es ist ein Geständnis, wenn er sagt, ich bin zu weit gegangen, ja, ihr müsst mir Immunität gewähren, ich weiß, dass ich die Grenze überschritten habe. Ich weiß, dass ich den Rest meines Lebens im Gefängnis verbringen werde, wenn der amerikanische Rechtsstaat so funktioniert, wie er sollte.«
»Es ist Projektion und Geständnis, es ist Projektion dessen, wie eine zweite Amtszeit Trumps aussehen würde, aber es ist auch ein Geständnis dessen, was bereits in der ersten Amtszeit passiert ist, wenn er sagt, er braucht diese Immunität, weil er weiß, dass er gegen das Gesetz verstoßen hat, dass er die Grenze überschritten hat … Wir können das gar nicht oft genug sagen, sein Kommentar gestern Abend auf Fox ging so: ›Hey, ich bitte ja nicht nur um totale Immunität für mich, ich tue das für alle Präsidenten.‹ Nun, die vorherigen 44 Präsidenten hatten das nicht nötig, keiner von ihnen war jemals zuvor strafrechtlich belangt worden! Es gilt nur für Donald Trump.«