Während Trump die Debatte zum »monumentalen Sieg«1 erklärt, aber auch bereits angekündigt hat, dass es kein zweites TV-Duell geben werde,2 steht für den überwiegenden Teil der Amerikaner Kamala Harris als Siegerin fest. Dennoch hat sich unterm Strich, da die Wahl sich in notorisch »unsicheren Kantonen« entscheidet, wenig geändert am Kopf-an-Kopf-Rennen ums Weiße Haus. Nachdem wir uns mit den drei großen und wahlentscheidenden Themen befasst haben, sehen wir uns noch einige Punkte an, die bei der zu erwartenden Knappheit des Resultats ebenfalls eine Rolle spielen könnten.
Hinsichtlich der Situation im Nahen Osten sollten wir zunächst festhalten, dass sowohl jüdische als auch Muslime und Amerikaner arabischer Herkunft wählen werden. Traditionell interessiert amerikanische Wähler die US-Außenpolitik herzlich wenig. Diesen November jedoch könnte die Ausnahme die Regel bestätigen.3 Amerikas Unterstützung Israels gehört zu den Grundzügen amerikanischer Politik. Andererseits zeigen Umfragen unter jüngeren Wählern, dass man Israel sehr wohl kritisch gegenübersteht. Dafür sprechen auch die zahlreichen Demonstrationen für die Palästinenser an den Colleges. Dass das Wahlergebnis einen großen Wechsel in der amerikanischen Nahostpolitik bringen wird, steht ebenso zu bezweifeln, wie ob der Kandidatenwechsel bei den Demokraten hier eine große Rolle spielt. Die Frage ist nur, für wie viele Wähler sich die Nahostfrage als entscheidend erweist.
An den bekannten Positionen der beiden Gegner zum Thema hat sich nichts geändert. Harris verweist auf die Frage, wie sie das Patt bei den einschlägigen Verhandlungen nach fast 40.000 getöteten Palästinensern lösen würde, auf den blutigen Überfall der Hamas auf Festivalbesucher am 7. Oktober 2023. So betont sie Israels Recht auf Selbstverteidigung, nur das Wie dürfe dabei nicht unter den Tisch fallen. Es seien »viel zu viele unschuldige Palästinenser, Kinder, Mütter getötet worden«. Das ist so banal, möchte man sagen, wie die folgende Aussage, dass der Krieg beendet werden und die etwa 100 restlichen Geiseln freikommen müssten. Sie erklärt ihre Unterstützung für eine Zweistaatenlösung mit Sicherheit sowohl für die Israelis als auch die Palästinenser und spricht von einer Verpflichtung zum Wiederaufbau des Gazastreifens.
Falls einer der beiden Kontrahenten einen konkreten Plan für die Beilegung des Kriegs in Nahost haben sollte, so behielt er ihn am Dienstag für sich. Trump jedenfalls hatte noch weniger zu bieten. Selbstverständlich wäre es mit ihm als Präsidenten nie dazu gekommen: »Wäre ich Präsident, [der Krieg] hätte nie angefangen.« Und weil es ihm konstitutionell unmöglich ist, bei einem Thema zu bleiben, erklärt er auch gleich, dass Putin nie in der Ukraine eingefallen wäre. Aber dazu kommen wir im nächsten Punkt. »… aber wenn sie [Harris] über Israel redet, auf einmal mag sie die Israelis nicht mehr, sie wollte sich noch nicht mal mit Netanjahu treffen, als der im Kongress war … Sie weigerte sich, da mitzumachen … Sie mag Israel nicht. Wenn sie Präsidentin ist, denk ich mal, wird in von heute an zwei Jahren kein Israel mehr geben, und ich bin ziemlich gut, was Vorhersagen angeht, und ich hoffe, ich liege mit dieser falsch. Sie mag Israel nicht, aber auf ihre Art mag sie auch die arabische Bevölkerung nicht, weil die ganze Gegend in die Luft gehen wird. Araber, Juden, Israel. Israel wird es verschwinden. Mit mir wäre das nie passiert. Iran war pleite unter Donald Trump. Jetzt haben die 300 Milliarden, weil die [die Demokraten] meine Sanktionen aufgehoben haben. Unter mir hatten die kein Geld für Hamas oder Hisbollah oder irgendeine der anderen 28 Sphären des Terrors … Die waren pleite, jetzt sind die eine reiche Nation und die werfen mit Geld nur so um sich.«
Da ist insofern etwas dran, als Trumps Sanktionen gegen Iran der Wirtschaft dort massiven Schaden zugefügt haben. Nicht dass der Staat »pleite« gewesen wäre, wie er behauptet. Das Problem dabei ist nur, dass man unter Biden die Sanktionen nicht zurückgenommen, sondern sogar verschärft hat. Nur haben die Mullahs gelernt, die Sanktionen zu umgehen, vor allem durch Ölexporte nach China.4
Es stimmt übrigens auch nicht, dass Harris sich nicht mit Netanjahu getroffen hat; sie war nur nicht bei seinem Auftritt vor dem Kongress.
Und wo Trump bereits das Thema Ukraine bei der Gaza-Frage angesprochen hat, lassen wir ihm hier gleich das Wort: »Wäre ich Präsident, wäre es erst gar nicht dazu gekommen. Wäre ich Präsident, Russland hätte niemals, ich kenne Putin sehr gut, er wäre nie, und es bestand da überhaupt keine Gefahr, ganz nebenbei gesagt, vier Jahre lang, und [nie] wäre [der] in die Ukraine gegangen und hätte dort Millionen von Leuten getötet, wenn Sie das zusammenzählen, [das ist] weit schlimmer als den Leuten klar ist, was da drüben passiert.«
Und konfus, wie er nun mal ist, löst er beide Probleme gleich auf einen Schlag: »Was da im Nahen Osten passiert, das wäre nie passiert, ich regle das, und zwar schnell und mache auch mit dem Krieg zwischen der Ukraine und Russland Schluss. Wenn ich designierter Präsident bin, ich erledige das, bevor ich überhaupt Präsident bin.«
Harris ihrerseits nutzte den Schlagabtausch zum Russland-Ukraine-Krieg dazu, Trump seine bestens dokumentierte Schwäche für Despoten vorzuhalten: »Es ist ja bekannt«, sagte sie, »dass diese Diktatoren und Autokraten es gar nicht erwarten können, dass Sie wieder Präsident werden, weil ihnen klar ist, wie leicht Sie mit Schmeicheleien und Gefälligkeiten zu manipulieren sind.«
Worauf Trump mit seinem Erfolg bei der NATO kontert, die er dazu gebracht habe, mehr zu dem Bündnis beizusteuern. Biden, so sagt er, weigere sich da ja und die Vize-Präsidentin habe dazu nicht den Mut.
Sie spricht von seinen »Liebesbriefen« an Kim Jong-un und stichelt damit, dass viele führende Militärs, die Trump von ihrer Arbeit mit ihm kannten, ihr anvertraut hätten, dass er »eine Schande« sei »und wir einen Präsidenten brauchen, der nicht konsistent schwach ist und falsch liegt, was die Sicherheit unseres Landes angeht, und der weiß, wie wichtig es ist, unser Militär hoch und in höchsten Ehren zu halten.«
Und was Putin und die Ukraine angeht, so weist sie darauf hin, dass er Putins Vorgehen dort als »brillant« bezeichnet hatte und er selbst Putin gesagt hätte, er könne »dort machen, was immer zum Teufel er will«.
Auf die Bitte, konkret ihre Pläne bezüglich der weiteren Unterstützung für die Ukraine zu erläutern und wie sie mit Putin umgehen würde, sagt sie: »Der Grund warum Donald Trump sagt, der Krieg in der Ukraine wäre binnen 24 Stunden vorbei, ist der, dass er sie einfach aufgeben würde, und so sind wir Amerikaner nun mal nicht. Wir müssen zunächst einmal verstehen, was da passiert ist. Ich habe mich mit Selenskyj getroffen, einige Tage bevor Russland dort eingefallen ist, mit Gewalt territoriale Grenzen zu verschieben versuchte, und das einer der wichtigsten internationalen Regeln und Normen, der Bedeutung von Eigenstaatlichkeit und territorialer Integrität, zum Trotz. Ich habe mich mit Präsident Selenskyj getroffen, habe US-nachrichtendienstliche Erkenntnisse mit ihm geteilt, wie er sich verteidigen könne. Einige Tage später war ich an der Ostflanke der NATO in Polen und Rumänien, und durch die Arbeit von mir und anderen haben wir 50 Staaten zur Unterstützung der Ukraine zusammengebracht, die jedes Recht auf Verteidigung hat … Wäre Donald Trump Präsident, Putin würde heute in Kiew sitzen … den Blick auf das übrige Europa gerichtet, allen voran Polen.«
Und hier folgt eine geniale Rechts-Links-Kombination hinsichtlich des Wahlkampfs in dem Swing State, in dem die Debatte stattfindet, und Trumps Eitelkeit: »Warum sagen Sie den 800.000 Amerikanern polnischer Herkunft hier in Pennsylvania nicht, wie flink Sie aufgeben würden um einer Schmeichelei und einer Freundschaft mit einem … Diktator willen, der Sie zum Frühstück verspeisen würde.«
Zum Thema Afghanistan bzw. Amerikas chaotischen Rückzug militärischen Rückzug aus dem Land, äußert Trump sich konkreter als Harris. Auf die Frage, sie sich dafür verantwortlich fühle, weicht sie aus: »Ich teilte Präsident Bidens Entscheidung, aus Afghanistan abzuziehen. Vier Präsidenten sagten, sie würden das tun, Joe Biden hat es getan. Mit dem Ergebnis, dass der amerikanische Steuerzahler heute keine 300 Millionen Dollar täglich bezahlt … Donald Trump hat, als er Präsident war, einen der schwächsten Deals ausgehandelt, den man sich vorstellen kann. Er nennt sich einen Dealmaker, sogar sein Sicherheitsberater sagte, das es ein schwacher, ein schrecklicher Deal war, und der kam so zustande, dass er, die afghanische Regierung umgehend, direkt mit einer terroristischen Organisation namens Taliban verhandelte.«
Weiter wiederholte sie, ohne auf die Frage einzugehen, Trumps mangelndes Bewusstsein für die Bedeutung der Rolle und die Verantwortung des Präsidenten und Oberbefehlshabers des Militärs. So warf sie ihm vor, die Taliban nach Camp David eingeladen zu haben, einen ehrwürdigen Ort der Diplomatie. Das stehe in einer Reihe mit seiner ständigen Herabwürdigung gefallener Soldaten und der »Arbeit, die wir leisten müssen, um die Stärke und den Respekt der Welt für die Vereinigten Staaten von Amerika aufrechtzuerhalten«.
Trump konterte damit, sich die direkt an die Taliban gewandt zu haben, weil sie es waren, die »unsere Soldaten töteten, viele davon mit Heckenschützen … Denen [den Demokraten] geben sich damit nicht ab, weil sie, wissen Sie, die verhandeln mit den falschen Leuten. Aber ich habe mich da eingeschaltet, und Abdul, das ist der Chef der Taliban,5 … und dem habe ich gesagt, hör auf damit, mach so weiter, und du bekommst Probleme. Und er sagt zu mir, warum schickst du mir ein Foto von meinem Haus. Ich sag ihm, da musst du selber dahinterkommen, Abdul. Und dann haben die 18 Monate lang keinen der unseren getötet. Wir haben, Mike Pompeo6 hat eine Abmachung ausgehandelt. Es war eine ausgesprochen gute Abmachung. Der Grund, dass sie so gut war, war der – wir waren dabei abzurücken, wir wären da schneller rausgekommen, aber wir hätten die Soldaten nicht verloren, wir hätten nicht die vielen Amerikaner zurückgelassen, und wir … hätten nicht nagelneues schönes militärisches Gerät im Wert von 85 Milliarden zurückgelassen, und die, um das abzuschließen, die haben das vermasselt. Die Abmachung sah vor, dass die dies und das und das und das und das machen müssten, aber das haben die nicht. Wir haben die Vereinbarung beendet, weil die nicht machten, was sie machen sollten … und die Leute da, die legten, meiner Ansicht nach, den schlechtesten Abzug in der Geschichte unseres Landes hin, und, übrigens, das war der Grund, weshalb Russland die Ukraine angegriffen hat, weil die gesehen haben, wie inkompetent sie und ihr Boss sind.«
Anmerkungen
- Gabrielle Canon, »Trump attacks migrants and claims victory over Harris at first rally since debate«. The Guardian, Fri 13 Sep 2024. Siehe»LIVE: Donald Trump speaks after presidential debate in Arizona«. The Times und The Sunday Times, 12.09.2024. ↩︎
- »Trump says ›there will be no third debate‹«. Associated Press, 13.09.2024. ↩︎
- Ian Lesser, »Could the Middle East Affect the US Election?«. German Marshall Fund of the United States, January 19, 2024. ↩︎
- Jackie Northam, »Fact checking Trump’s claims about Iran in the debate«. All Things Considered, NPR, September 12, 2024. ↩︎
- Mullah Abdul Ghani Baradar, auch Mullah Baradar Akhund genannt, ist ein afghanischer Führer der Taliban und deren Mitbegründer. ↩︎
- der damalige Außenminister. ↩︎