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Trump-Wör­ter­buch #67: Hand­ver­le­se­nes Chaos

Die Wahl im Sin­ne der Stimm­ab­ga­be in den USA hat hier und da bereits begon­nen. Eben­so wie die Ver­su­che, sie ins größt­mög­li­che Cha­os zu stür­zen und damit das Wahl­er­geb­nis im Vor­feld schon aus­zu­he­beln. Den MAGA-Repu­bli­ka­nern, denen zumin­dest gefühlt, die Fel­le davon­zu­schwim­men schei­nen, ist alles, aber auch wirk­lich alles lie­ber, als den Beweis zu füh­ren, dass ihr poli­ti­sches Pro­gramm das Bes­se­re ist. Trump mag psy­chisch Tag für Tag aus dem Leim zu gehen, aber der mora­li­sche, phi­lo­so­phi­sche und poli­ti­sche Bank­rott, für den er steht, bleibt bestehen. Und nach allem, was wir bis­her über sei­ne Machen­schaf­ten erfah­ren haben, ist sein Zer­fall womög­lich eher eine Fra­ge der per­sön­li­chen Eitel­keit, um nicht zu sagen Sym­ptom sei­ner Krank­heit, als die poli­ti­sche Sor­ge, weil MAGA ins­ge­heim längst viel wei­ter ist, als der Rest Ame­ri­kas das wahr­ha­ben will.1

Trumps Wir­ken hat längst so viel Sand ins Getrie­be des gesam­ten demo­kra­ti­schen Sys­tems der USA gestreut, dass man den, wenn über­haupt, auf Jahr­zehn­te nicht mehr los­wer­den wird. Sei­ne Rich­ter am Obers­ten Gerichts­hof haben mit der Abschaf­fung von Roe v. Wade für Angst, Unsi­cher­heit und Cha­os in den Bun­des­staa­ten gesorgt; ihr Ent­scheid, der Prä­si­dent sei, was Amts­hand­lun­gen ange­he, straf­recht­lich immun, wird Trump und ähn­lich gear­te­ten Nach­fol­gern womög­lich die gerech­te Stra­fe erspa­ren. Jetzt haben wei­te­re MAGA-Getreue zugeschlagen.

In Geor­gia haben Trumps Leu­te nun zum nächs­ten Schlag gegen das offen­bar ver­hass­te Sys­tem aus­ge­holt. Wir erin­nern uns: Geor­gia gehört zu den unsi­che­ren von Ame­ri­kas Kan­to­nen, den Swing-Sta­tes und gehört mit sei­nen sech­zehn Wahl­män­ner­stim­men in die­ser Kate­go­rie zu den Top Ten. Und dann gehört Geor­gia zu den Indi­ka­tor-Staa­ten: Acht der letz­ten zwölf Sie­ger dort wur­den schließ­lich Prä­si­dent. Biden hat­te dort 2020 mit einer knap­pen Mehr­heit gewon­nen, der ers­te Sieg der Demo­kra­ten dort sein 1992.2 Ein Sieg, der Donald Trump zu dem his­to­ri­schen Anruf ver­an­lass­te, in dem er Geor­gi­as Innen­mi­nis­ter Brad Raf­fen­sper­ger – unter Andro­hung von Kon­se­quen­zen – auf­for­der­te, ihm 11780 Stim­men auf­zu­trei­ben, um die Zahl der Wahl­män­ner zu sei­nen Guns­ten zu mani­pu­lie­ren.3 Wäre da nicht Raf­fen­sper­gers Chef­be­ra­te­rin – Jor­dan Fuchs – gewe­sen, die den Anruf in der Über­zeu­gung, dass Trump am Wahl­er­geb­nis zu dre­hen ver­such­te, auf­ge­zeich­net, die gan­ze Geschich­te wäre sicher nicht vor Gericht gekom­men. Trumps Anruf, wie der »Ukrai­ne-Anruf« ein »Ver­bre­chen gegen die Demo­kra­tie«,4 brach­te ihm denn auch eine Ankla­ge ein, von der mitt­ler­wei­le ein Vor­wurf nach dem ande­ren abzu­brö­ckeln scheint. Aber das ist nicht, was uns hier interessiert.

Für uns ist inter­es­sant, dass Trump, der nun mal nicht ver­lie­ren kann, sei­ner­zeit eine hän­di­sche Aus­zäh­lung sämt­li­cher Stim­men ver­lang­te, die jedoch Bidens Sieg bestä­tig­te. Nach der Zer­ti­fi­zie­rung des Ergeb­nis­ses sprach man alle sech­zehn Wahl­män­ner (Sie erin­nern sich: Der Sie­ger bekommt den gan­zen Staat.) Joe Biden zu. Trump sprach dar­auf von »sys­te­mi­schem Betrug« und ver­lang­te eine wei­te­re Zäh­lung, dies­mal eine maschi­nel­le. Die­se wür­de schon zei­gen, wer da gewon­nen hat­te. Wäh­rend die­ser Aus­zäh­lung ver­such­te er, noch im Dezem­ber, durch einen Anruf in Raf­fen­sper­gers Dienst­stel­le Ein­fluss auf das Ergeb­nis zu neh­men. Am 2. Janu­ar 2021 kam es schließ­lich zu dem Anruf bei Raf­fen­sper­ger selbst: »Leu­te, ich brau­che 11000 Stim­men, nun seid doch nicht so!« Im Febru­ar lei­tet die Chef­an­klä­ge­rin des Ful­ton Coun­ty, Fani Wil­lis, Ermitt­lun­gen in der Sache ein5 und erhebt Anklage.

Was auch immer von die­ser übrig­blei­ben mag, Tat­sa­che ist, dass jetzt das Sta­te Elec­tion Board, das für die Wah­len im Bun­des­staat zustän­di­ge Gre­mi­um, eine Rege­lung ver­ab­schie­de­te, der­zu­fol­ge a) die Stimm­zet­tel hän­disch aus­zu­zäh­len sind und b) jeder berech­tigt ist, eine wei­te­re Suche nach »Unre­gel­mä­ßig­kei­ten« zu ver­lan­gen, die man noch ein­mal defi­niert. Die Abstim­mung des Boards ver­lief 3–2, und es wird nicht wei­ter ver­wun­dern, dass die drei Leu­te, die für die­se kaum zu bewäl­ti­ge Tor­tur für alle Betei­lig­ten stimm­ten, erst jüngst von Trump bei einer Wahl­ver­an­stal­tung nament­lich und ein­zeln gelobt wur­den.6 Die Drei, so sag­te er, kämpf­ten »wie Pit­bulls für Ehr­lich­keit, Trans­pa­renz und den Sieg«. Drei­mal dür­fen Sie raten, wem die neue Rege­lung zugu­te­kom­men wird. Tipp: Sie hat kei­ner­lei prak­ti­schen Sinn außer den, die Zer­ti­fi­zie­rung hin­aus­zu­zö­gern. Sie haben es erraten!

Sie nützt allein Don Donald und sei­nem MAGA-Kult. Ein­mal mehr arbei­tet er mit den Sopra­no-Metho­den, die ihm sei­ner­zeit sein Men­tor, der Mafia-Anwalt Roy Cohn, ein­ge­bläut hat. Mal abge­se­hen davon, dass laut den Offi­zi­el­len die­se Art der Zäh­lung bin­nen zwei Tagen nur in den kleins­ten Wahl­be­zir­ken mög­lich wäre und Zäh­lun­gen von Hand nie so akku­rat sein könn­ten wie maschi­nel­le, gibt es auch so eini­ge Stim­men, deren Ansicht nach die Ent­schei­dung des Elec­tion Boards des­sen Kom­pe­tenz überschreite. 

Wenn man in Betracht zieht, dass 2020 eine ähn­li­che Aus­zäh­lung in einem ver­gleich­ba­ren Bezirk, dem Mari­co­pa Coun­ty in Ari­zo­na, über zwei Mona­te dau­er­te, kann man sich vor­stel­len, wor­um es hier geht: das größt­mög­li­che Cha­os anzu­rich­ten. Alles in allem könn­te, so knapp wie das Ren­nen ist, so eine Ver­zö­ge­rung der Zer­ti­fi­zie­rung des Ergeb­nis­ses die gan­ze Wahl kip­pen. »Soll­te der Gou­ver­neur nicht in der Lage sein, die Wäh­ler­stim­men sei­nes Staa­tes zu bestä­ti­gen, kann er auch kein Zer­ti­fi­kat dar­über an den Kon­gress schi­cken. Sein Wahl­män­ner­gre­mi­um kann nicht zusam­men­tre­ten, theo­re­tisch. Was dazu füh­ren könn­te, dass Geor­gi­as sech­zehn Wahl­män­ner­stim­men nicht mit­ge­zählt wer­den. Und was pas­siert, dank eines recht prak­ti­schen neu­en – Trump-freund­li­chen – Bun­des­ge­set­zes, wenn Geor­gia sei­ne sech­zehn Stim­men nicht schickt? Man zieht die­se sech­zehn Stim­men von der Gesamt­sum­me ab, man zwar von der Spit­ze. Wenn also Kama­la Har­ris den Staat Geor­gia für sich ent­schie­den hät­te und Geor­gia sei­ne Wahl­män­ner nicht in den Kon­gress schi­cken kann, wür­de man die­se sech­zehn Stim­men, ihre sech­zehn Stim­men strei­chen und sie sähe sich um gan­ze sech­zehn Stim­men gebracht.«7

Bun­des­ge­setz schreibt vor, dass alle Wahl­män­ner­stim­men bis 11.12. zer­ti­fi­ziert in Washing­ton zu sein haben. Das Wahl­män­ner­gre­mi­um selbst tritt am 14.12 zusammen. 

Selbst wenn der dor­ti­ge Jus­tiz­mi­nis­ter, selbst Repu­bli­ka­ner, mit sei­ner Ansicht, die Rege­lung sei unge­setz­lich, durch­kommt, kann es dau­ern, bis sie auf­ge­ho­ben wird. Die Demo­kra­ten haben bereits gegen eine ande­re Rege­lung geklagt, die es Coun­tys erlau­ben wür­de, die Zer­ti­fi­zie­rung hin­aus­zu­schie­ben, die Anhö­rung dazu ist für den ers­ten Okto­ber anbe­raumt, aber auch das kann sich hin­zie­hen. Und es ist letzt­end­lich, dass das alles vor dem Obers­ten Bun­des­ge­richt lan­det. Und was das bedeu­tet, dürf­te jedem klar sein. 

Geor­gia hat 159 Coun­tys, aber letzt­lich geht um das Ful­ton Coun­ty und den länd­li­chen »Black Belt«, wo es his­to­risch schon immer zur mas­si­ven Unter­drü­ckung von Wäh­ler­stim­men kam. Joy Reid spricht von Metho­den der alten »Dixie­kra­ten«, einer kurz­le­bi­gen Par­tei, die für die Bei­be­hal­tung der Ras­sen­tren­nung war und 1948 einen Kan­di­da­ten für die Prä­si­dent­schafts­wahl stell­te.8

Alles in allem könn­te man sich wirk­lich fra­gen, ob die Gewiss­heit dar­über, dass alles im Cha­os enden wird und er nicht ver­lie­ren kann, Trump eine eher ruhi­ge Kugel schie­ben bzw. Golf spie­len lässt. Dass er sich so auf­regt, hat womög­lich tat­säch­lich mehr mit sei­ner gekränk­ten Eitel­keit zu tun. Immer­hin hat er eine Debat­te gegen eine Frau ver­lo­ren. Eine Schwar­ze obendrein. 

Anmer­kun­gen

  1. Die Stimm­ab­ga­be hat am 21. Sep­tem­ber in Min­ne­so­ta, South Dako­ta und Vir­gi­nia begon­nen. Wei­te­re Staa­ten fol­gen in Kür­ze. »›Cha­os is the point‹: MAGA-domi­na­ted Geor­gia elec­tion board makes IMPOSSIBLE new rule favoring Trump«. MSNBC, 21.09.2024. ↩︎
  2. Elliott Davis Jr., »The 2024 Swing Sta­tes: Why Geor­gia Could Sway the Pre­si­den­ti­al Elec­tion«. US News, Sept. 17, 2024. ↩︎
  3. »Trump–Raffensperger pho­ne call«. Wiki­pe­dia. ↩︎
  4. Matt Lewis, »Trump’s ›Per­fect Call‹ to Try and Chan­ge the Geor­gia Elec­tion Result Is a Crime Against Demo­cra­cy«. The Dai­ly Beast, Jan. 05, 2021. Micha­el Isi­koff and Dani­el Klaid­man, »Meet the Woman Who Secret­ly Taped Trump Say­ing, ›I Need 11,000 Votes‹«. The Dai­ly Beast, Jan. 29, 2024. ↩︎
  5. Oli­via Rubin, »As Trump faces poten­ti­al 4th indict­ment, what to know about Geor­gia elec­tion case«. ABC News, August 14, 2023. ↩︎
  6. Kate Brum­back and The Asso­cia­ted Press, »Cri­ti­cal swing sta­te OKs con­tro­ver­si­al bal­lot-coun­ting rule that Trump favors«. For­tu­ne, Sep­tem­ber 20, 2024. ↩︎
  7. Lisa Rubin bei Joy Reid, »›Cha­os is the point‹: MAGA-domi­na­ted Geor­gia elec­tion board makes IMPOSSIBLE new rule favoring Trump«. MSNBC, 21.09.2024. ↩︎
  8. Ebda. ↩︎

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