Eigentlich wollte ich hier die Vorrede zu einem älteren deutschen Fremdwörterbuch abdrucken, die ich heute Morgen mühselig aus der Frakturschrift1 übersetzt habe. Nun wollte ich aber dazu auch erklären, warum mich so etwas interessiert. Und damit würde der Eintrag etwas zu komplex, was mir irgendwie dem Gedanken eines Blogs zuwider zu laufen scheint. So denn erst mal ein paar einleitende Worte. Morgen dann, ohne großes Gerede drumrum das Vorwort selbst.
Hier erst mal der schöne Titel der alten Schwarte in seiner beeindruckenden Gänze:
Allgemeines Fremdwörter-Handbuch für Teutsche,
oder Erklärung aller fremdartigen Ausdrücke der teutschen Conversations-Sprache zur Verständigung, Ausscheidung und Würdigung der in teutschen Schriften und in der Kunst- und Umgangssprache vorkommenden fremdartigen Wörter, Ausdrücke, Namen und Redensarten.
Ein gemeinnütziges Handbuch für alle Stände, Berufsarten, Künste, Gewerbe, Schul- und Bildungs-Anstalten, so wie für Geschäftsmänner, Zeitungsleser und für jeden teutschen Vaterlandsfreund.
von
Dr. J. F. H e i g e l i n, Professor der teutschen Sprache etc.
Zweite sehr verbesserte und vermehrte Auflage
Tübingen, Verlag von C. F. Osiander, l838.
*
»Meister Proper der teutschen Sprache« – so vielleicht ließe sich eine Serie über deutsche Sprachreiniger betiteln, die mich nun mal grundsätzlich interessieren. Schon deshalb, weil mich so einige Tendenzen der letzten dreißig Jahre doch recht irritieren. Nicht als solche, ganz und gar nicht, sondern lediglich in ihrer Eigenschaft als geballte Massenerscheinung, die gar nicht anders kann, als Zwang auszuüben. Und dann mag ich nun mal unsere Umgangsprache nicht weniger als einen hübsch gedrechselten deutschen Satz. Ich lese also die Vorreden zu solchen Wörterbüchern gern auf der Suche nach einem Mittelweg. Oder Argumenten dafür.
Mich betrifft das ja gerade als Übersetzer. Was braucht es Übersetzer, wenn es genügt, einen fremdsprachigen Satz Wort für Wort ohne Rücksicht auf Sinn und Bedeutung, zu schweigen von unsere Sprache ins Deutsche zu zerren. Wenn es keinen mehr stört, englische Gesetzmäßigkeiten – à la »Ich liebe es, ins Kino zu gehen.« – zu übernehmen.
Was einem bei der Übersetzung von Büchern natürlich egal sein könnte; schließlich könnte man argumentieren, dass »nur« unsere Umgangssprache in die Hände der anglophilen Papageienschar fällt. Tja, befiele dieser dumpfbackige Wörtlichkeitswahn nicht eben zunehmend auch die Verlags- und Zeitungswelt. Würde es nicht zunehmend zur Regel, dass eine Übersetzung nicht nur für jeden als solche erkennbar, sondern auch noch für den Letzten nachvollziehbar zu sein hat. Die Übersetzung auf Knopfdruck bei Google und das Sprachgefühl – und damit das, was man als Übersetzer abliefern soll – rasen hierzulande mit Spikes an den Schuhen, jede Nuance niedertrampelnd, aufeinander zu. Gerade beim Blättern in den schönen und viel gelobten Neuübersetzungen so mancher Klassiker kann man sich des Gedankens nicht erwehren, dass beim Übersetzen eine immer kleinere Gruppe von Leuten gelobt wird, die sich mit ihrem soliden Deutsch immer weiter von der webgebildeten Masse entfernt.
Mein Nachbar meinte neulich, gerade einen Artikel gelesen zu haben, der ihn ziemlich angestrengt hätte; er hätte sich bei den komplexen Sätzen schon zu konzentrieren müssen. Ich kann’s nachvollziehen. Gerade weil ich zunehmend Schwierigkeiten habe, bei der Sache zu bleiben. Mir fiel das aber beim Abtippen des Vorwortes bei folgendem Satz wieder ein:
Weil aber der Verfasser ausser einem geordneten und durchgeführten Beitrag zur teutschen Sprachreinigung, auch noch für Schüler und Nichtunterrichtete, so wie für solche, die mehr der Erinnerung und Hinweisung, als einer eigentlichen Anleitung und Beihülfe zur Kenntniß, Anwendung und Vermeidung fremder Wörter etc. bedürfen, ein Buch liefern wollte, in welchem Alles, was in dieses Fach einschlägt, deutlich, kurz, bestimmt und gemeinlesbar vorgetragen ist, so wurden zum Ganzen nicht nur teutsche Schriftzeichen, selbst um der Gleichförmigkeit und Volksthümlichkeit willen, gewählt, sondern auch neben der wörtlichen Uebersetzung und eigentlichen oder bildlichen Bedeutung, zugleich die Rechtschreibung, Abstammung, Aussprache und Belautung des fremden Stoffs, nebst vielen erläuternden Beisätzen durchgehends angebracht, auch, ausser den eigenen Sammelheften, bei der Bearbeitung die Werke der obengenannten Schriftsteller, wie noch manches andere mit Sorgfalt zu Rathe gezogen und nach Maßgabe benutzt.
»Deutlich, kurz, bestimmt und gemeinlesbar vorgetragen« – Heilig’s Blechle!2 Um auf meinen Nachbarn zurückzukommen, gerade weil ich mich hier über Gebühr konzentrierten muss, möchte ich so etwas lesen. Ich möchte nicht vor dem Niveau von SMS-Nachrichten kapitulieren.
Aber wie gesagt, die Vorrede zum Heigelin – ich bin ständig versucht, »Higelin« zu tippen – kommt morgen nach.