Nachdem England letztes Jahr bereits einen Rekordwinter hatte, scheint er dieses Jahr schlimmer denn je: Tausende von Schulen sind geschlossen, Leute eingeschneit und von der Außenwelt abgeschlossen, Lawinenwarnungen, die Engländer fahren gar Ski! Und selbstverständlich wären wir Menschen nicht, was wir sind, gäbe es nicht bereits wieder mal reihenweise Opportunisten, die die Not anderer auf die eine oder andere Weise ausnutzen. Die neueste Spezies davon hat sich darauf spezialisiert, ihren Mitmenschen das Auto zu klauen, während diese es zum Auftauen warmlaufen und – dummerweise – dabei herrenlos stehen lassen. Man hat diese Spezies »frost-jackers« getauft, ihr Verbrechen »frost-jacking« bzw. »frosting« und das Verb dazu lautet »to frostjack«.
Police forces across the UK are warning motorists to be extra vigilante during this period of exceptional weather as a vehicle theft crime called “Frosting” appears to have swept the country following the heavy snowfalls and icy weather. … Edmund King, AA President, says, ›Drivers should not leave their cars with the engine running to de-ice their windscreens and return to their houses for a cup of tea. This is when the ‘Jack Frost Car Jackers’ pounce and drive off. In these cases it is highly likely that your car insurance will not cover such incidents.‹ 1
Ich habe mir, wie hier bereits öfters gesagt, schon immer gewünscht, bei der Geburt eines Wortes mit von der Partie zu sein. Nun, ich denke mal, ich bin gerade näher dran gewesen denn je.Und natürlich stellt sich dem Wörterbuchmacher sofort die Frage nach der Herkunft des Wortes, nach der Etymologie.
Natürlich haben wir in Amerika seit Jahren den »car jacker«, der sich eher indirekt vom »car hijacker« ableitet, der jedoch die Beine nie auf den Boden bekam. Aber es weist immerhin auf die Herkunft des Verbs, das uns das Grundwort der Zusammensetzung beschert hat: »to hijack«. Das gibt es mindestens seit der vorletzten Jahrhundertwende. Die wahrscheinlichste – und natürlich witzigste – Etymologie von »hijack« ist die Erklärung, dass das Opfer, der Überfallene, sich mit »Hi, Jack!« begrüßt sah. »Jack« ist ja im Amerikanischen schon ewig die Anrede für jemanden, den man nicht kennt – in etwa so wie man hierzulande einen Unbekannten schon mal als »Chef«, »Meister«, »Champ«2 oder anspricht.
»To hijack« (überfallen) wurde mindestens bereits in den 1920er gern verkürzt zu »to jack«. Und das bedeutet entweder »überfallen« oder »stehlen«. In den Blickpunkt der Öffentlichkeit rückte das Wort allerdings erst mit dem Aufkommen des Gangsterraps, dessen Popularität eine Menge Kriminellenwortschatz nach spülte.
Interessant ist bei dieser Bildung natürlich, dass ein »frost jacker« mitnichten den »frost« stiehlt, wie die Regeln der Wortbildung vermuten ließen; er stiehlt vielmehr bei Frost. Dass das Wort – wie im Zitat aus immerhin berufenem Munde angedeutet – als Verkürzung von »Jack Frost car jackers« entstanden sein könnte, bekommt so immerhin Hand und Fuß. Aber natürlich interessieren die Gesetze der Wortbildung den Volksmund heute nicht mehr so sehr wie offensichtlich früher mal. »Jack Frost« ist natürlich die personifizierte Kälte, die wir als »Väterchen Frost« bezeichnen. Ob der Begriff »frosting« – wie das Zitat oben suggeriert – bereits existierte, bleibt noch zu prüfen.
Das Phänomen ist übrigens kein Einzelfall; es scheinen ganze Banden unterwegs zu sein. Ein paar clevere Autofahrer, so war im Radio zu hören, haben die Antwort auf darauf: zwei Schlüssel. Sie lassen das Auto warmlaufen, sperren es dabei jedoch mit einem zweiten Schlüssel ab. Soweit ein erster Bericht über das neue Wort. Bleibt nur noch zu hoffen, dass der Volksmund hierzulande das Phänomen eindeutscht, bevor die Masse der Gehirnamuptierten sich dumpfbackig auf den englischen Ausdruck stürzt.
- International Association of Auto Theft Investigators; selbstverständlich müsste es »vigilant« (wachsam) heißen, nicht »vigilante« – Tippfehler oder Freudscher Lapsus? [↩]
- Wenn Ihnen noch was einfällt; die Kommentare sind geöffnet [↩]