Ich hatte eben das Artikelchen zu Addisons Kritik an gewissen Tendenzen zur Verschandelung seiner englischen Muttersprache abgespeichert, als witzigerweise eine E‑Mail von einem Freund eintrudelte, an dem gleich ein ganzes Buch mit ähnlichem Tenor hing: Eduard Engels, Sprich Deutsch! aus dem Jahre 1917. Der hatte damals allerdings weniger Probleme mit der faulheitsbedingten Beseitigung der Mehrsilbigkeit als mit dem übermäßigen Gebrauch von Fremdwörtern, auf gut Deutsch gesagt also der »Welscherei«. Was ihm durchaus nachzufühlen wäre (ich erinnere mich noch, wie nervig die Germanisten waren, die sich in ein amerikanistisches Seminar verirrten), fielen dabei nicht gleich Worthämmer wie »Herrenvolk«, »Krebsgeschwür« & »geistiger Landesverrat«.
Nichtsdestoweniger werd’ ich’s mir bei Gelegenheit zu Gemüte führen; kurzweilig scheint es, wie die folgende Stelle zeigt, allemal:
»Daß es eine Volksehre gibt, sehen wohl selbst die meisten deutschen Welscher ein. Daß jedes große Volk seine Sprachehre haben und hüten muß, ist den unbelehrbaren Welschern unfaßbar, denn ihnen ist die Sprache nur Verständigungsmittel, nicht heiliges Leben der Volksseele. Man hat dumme unreife deutsche Mädchen, die mit französischen Kriegsgefangenen geliebäugelt, ins Gefängnis gesperrt ›wegen Würdelosigkeit‹. Wie denkt der Leser über deutsche Würde angesichts folgender recht bekannt gewordener Vorkommnisse inmitten des deutschen Weltkrieges? Ein preußischer Hauptmann weist voll Entrüstung zurück eine ihm ins Feld geschickte Zigarettenschachtel mit der Aufschrift: ›Extra Noblesse de la fabrique Patria à Posen‹ und fragt in der Täglichen Rundschau: ›Wird es noch nicht anders?‹ Er hatte gefühlt, was wir alle wissen: Es wird nicht anders.« Eduard Engel, Sprich Deutsch! (1917)
Dass den Guten bei der Lektüre der ersten SMS der Schlag getroffen hätte, so denke ich mal, ist wohl klar. Aber wo mittlerweile ja nun die teutsche Obrigkeit unsere Muttersprache von Amts wegen hat verhunzen lassen, würde mich schon interessieren, was der gute Engel dazu gesagt hätte. Wo ihm damals schon der deutsche Reichstag »beherrschender Mittelpunkt welschender Beredsamkeit« war.
Auf der anderen Seite drängen sich mir angesichts der folgenden Passage gewisse, wenn auch noch nicht so recht festzumachende Parallelen auf:
»Das Wort ›Unmöglich‹ scheint es in Deutschland nicht zu geben; was können denn die Deutschen nicht? – Der Weltkrieg ums deutsche Dasein hat in der Tat den, uns Deutsche nicht zum wenigsten, überraschenden Beweis geliefert, daß wir so ziemlich alles können, was in Menschenmacht liegt; daß wir vieles trefflicher können als andre Völker; daß wir jedoch selbst in diesem Tod- oder Lebenkampf ums Fortbestehen deutschen Volkstumes nicht das vermögen, was die niedrigsten unsrer vielfarbigen Feinde mühelos vollbringen: den festesten Grundbau alles Volkstumes unerschütterlich zu bewahren, die unverfälschte, unverwelschte Muttersprache.«
Wir Deutschen können alles, selbst durch Verordnung von oben unter dem Deckmäntelchen einer »Reform« eine gewachsene Sprache verhunzen, während der »vielfarbige« Rest der Welt es mühelos vollbringt, sich den festesten Grundbau seines Volksthumes zu bewahren, indem er selbiges einfach weiterwursteln lässt.