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Heu­te schon was ausgegraben?

Eine Zeit lang hör­te man hier­zu­lan­de in der Sze­ne öfter mal „was dig­gen“ in der Bedeu­tung „sich was anse­hen“ oder „sehen, was sich auf der Pis­te so tut“. Kei­ne Ahnung, wo das abge­blie­ben ist, mit Sicher­heit jedoch denkt das hip­pe Volk die­ser Tage bei „dig­gen“ zunächst mal an den Web­ser­vice von www.Digg.com, wo man eige­ne (was immer das heu­te hei­ßen mag) Nach­rich­ten pos­ten & so dem Urteil der Mas­sen unter­brei­ten kann. Was denen gefällt, wird so nach oben geschwemmt und fin­det damit wei­te­re Ver­brei­tung, was nicht gefällt wird „begra­ben“.

Dass der Begriff „digg it“ sich auf das alte ame­ri­ka­ni­sche Slang­wortdig“ (sich etw rein­tun bzw. toll fin­den) bezieht, ist schwer anzu­neh­men, aber „dig“ hat­te ety­mo­lo­gisch gese­hen nie etwas mit dem eng­li­schen Verb „dig“ im Sin­ne von gra­ben“ zu tun. Auch wenn der Spa­ten im Logo von Digg die­ses suggeriert.

Die Ety­mo­lo­gie von „dig“ im erst­ge­nann­ten Sinn ist ähn­lich wie die des neu­lich hier bespro­che­nen „hip“ nicht hun­dert­pro­zen­tig geklärt, aber es gibt brauch­ba­re Theorien.

Die eine ist die, dass es sich – wie „hip“ – von einem Wort der afri­ka­ni­schen Wol­of-Spra­che ablei­tet, näm­lich „dega“, das unter ande­rem „ver­ste­hen“ bedeu­tet. Eine Theo­rie, die wie­der­um von den schwar­zen Lin­gu­is­ten ver­tre­ten wird, da es sich auch bei „dig“ um ein Wort mit Wur­zeln in der schwarz­ame­ri­ka­ni­schen Bevöl­ke­rung handelt.

Und wie­der hat der hier bereits erwähn­te Dani­el Cass­idy eine Theo­rie in die Dis­kus­si­on gebracht, die nicht so ohne wei­te­res von der Hand zu wei­sen ist. Er lei­tet „dig“ von dem iri­schen Wort „tuig“ (gespro­chen „tig/dig) ab, das eben­falls „ver­ste­hen“, „begrei­fen“, „erken­nen“ oder „ein Gespür haben für“ bedeu­tet. Also ein abso­lut phan­tas­ti­scher Kan­di­dat auf den ers­ten Blick, zumal sich auch das bri­ti­sche „twig“ davon ablei­tet; die­ses ist Umgangs­spra­che und ent­spricht unse­ren Wör­tern „kapie­ren“, „spitz­krie­gen“ oder „jm drauf­kom­men“. Und inter­es­san­ter­wei­se bedeu­te­te es frü­her ein­mal auch „beob­ach­ten“, sich etw angu­cken“: „Twig the…“ bedeu­te­te damit das­sel­be wie „Dig the…“, also „Schau dir mal … an“.

Dies­mal äußert Cass­idy sich sogar dazu, wie das iri­sche Wort zu den ame­ri­ka­ni­schen Schwar­zen gekom­men sein moch­te: „Es besteht die Wahr­schein­lich­keit, dass das iri­sche Wort tuig von Irisch bzw. Gälisch spre­chen­den Fami­li­en­an­ge­hö­ri­gen als „dig“ in die afro­ame­ri­ka­ni­schen Gemein­de ein­ge­führt wur­de.“ Nun, das wür­de ich schon von der For­mu­lie­rung her mal bes­ten­falls als herz­lich ver­wir­rend bezeich­nend. Ers­tens ver­mag ich die „Fami­li­en­an­ge­hö­ri­gen“ nicht unter­zu­brin­gen, und dann ist es ziem­lich frag­lich, wie ein Schwar­zer aus einer auf Gälisch geführ­ten Unter­hal­tung das Wort tuig her­aus­ge­hört haben soll­te. Oder soll­te einer die­ser iri­schen “Fami­li­en­an­ge­hö­ri­gen” einen Schwar­zen gefragt haben: „An dtu­ige­ann tu?” bzw. „An dtu­ige­ann tu leat me?Are you dig­gin’ me?

Wie auch immer, wie schon bei „hip“ stellt sich mir vor allem die Fra­ge, war­um „dig“, wenn es unter iri­schen Ein­wan­de­rern in den USA üblich gewe­sen sein soll­te, in kei­nem der zeit­ge­nös­si­schen ame­ri­ka­ni­schen Wör­ter­bü­cher erwähnt wird. Ja, war­um nir­gend­wo belegt ist, dass es die Wen­dung „You dig?“ bereits in Irland gab. Und selbst wenn „dig“ unter iri­schen Zuwan­de­rern erst in den USA aus „tuig“ ent­stand, müss­te es doch wenigs­tens so geläu­fig gewe­sen sein, dass Schwar­ze es gehört haben kön­nen. Aber war­um kommt es dann nir­gend­wo vor? Im Gegen­satz zu Schwar­zen (eine schwar­ze Lite­ra­tur gab es zur frag­li­chen Zeit ohne­hin nicht), kamen Iren ja durch­aus in Roma­nen, Zei­tun­gen, wo auch immer, zu Wort.

Die drit­te Theo­rie, laut der „dig“ tat­säch­lich von „gra­ben“ kommt, inso­fern man wohl an der Har­vard Uni­ver­si­ty Anfang des 19. Jhs. dar­un­ter „pau­ken“ ver­stand, scheint mir die unwahr­schein­lichs­te. Hier ist weder die Flucht des Wört­chen aus der Hoch­burg ame­ri­ka­ni­scher Bil­dung, noch irgend­ei­ne Art von Bedeu­tungs­wan­del belegt. Und wie es unter den Schwar­zen gelan­det sein soll­te, zumal den Skla­ven des Südens…

Im Süden? Nun, dort steck­te das Wort offen­sicht­lich zum ers­ten Mal die Nase über den Rand der geheim­nis­vol­len schwar­zen Gemein­de; Lou­is Arm­strong hat es dann in wei­te­ren Umlauf gebracht. Und über den Jazz kam es dann unter die wei­ßen Jazz­fans und die Hipsters der 50er-Jah­re. Und unter den Hip­pies erleb­te es eine Blü­te, was die Ver­brei­tung anging. Auch wenn es nicht jeder in Ame­ri­ka ver­wen­de­te, die Bedeu­tung war jedem bekannt. Unter Schwar­zen hat es das Wort ohne­hin immer gegeben.

Und jetzt ver­steht es die gan­ze Welt. Nur die Ety­mo­lo­gie hat der Spa­ten im Logo von Digg tie­fer ver­bud­delt denn je.

Digg it. Bury it.

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