SlangGuy's Blog ...

Woher ich weiß, dass ich Recht habe?

Gestat­ten Sie mir wie­der mal ein Lamen­to über das ewi­ge Kreuz mit dem Lek­to­rat oder – bes­ser gesagt – dar­über, wie es hier­zu­lan­de in der Regel gehand­habt wird. Wie­der mal, ja, aber da das Pro­blem die letz­ten Jahr­zehn­te über nur noch schlim­mer gewor­den ist, kann es gar nicht oft genug ange­spro­chen wer­den. Und da’s die Kol­le­gen nicht machen, hier eben mein Lamen­to #99 – und es wird schwer­lich das letz­te sein …

Neu­lich sah ich mich – wie­der mal – ver­lags­sei­tig (& recht aggres­siv) gefragt, woher ich denn wüss­te, dass ich »Recht habe«,1 und das nicht etwa anläss­lich einer kon­kre­ten Dis­kus­si­on um eine von mir getrof­fe­ne Über­set­zungs­ent­schei­dung, nein, ganz grund­sätz­lich – eine Fra­ge, die laut­hals unaus­ge­spro­chen »Erfah­run­gen« mit Über­set­zern  als »auf­ge­bla­se­nen Recht­ha­bern« impli­ziert oder »emp­find­li­chen Diven«, wie ich auch schon mal gele­sen habe. 

Die simp­le Ant­wort wäre natür­lich: Es geht nicht ums Recht­ha­ben, es geht dar­um, was rich­tig ist. Dar­um, wis­sen, was rich­tig ist. Und war­um ich das in der Regel weiß? Weil ich mei­nen Beruf tat­säch­lich »gelernt« habe. Oder wenigs­tens habe ich das ver­sucht. Und das seit Ende der 60er-Jah­re, als ich mir die Über­set­ze­rei als Beruf vor­stel­len konn­te. Und damals muss­te man einen Beruf noch erler­nen. Ich hat­te kei­ne Ahnung, wie man Über­set­zer wer­den soll­te, aber ich begann Wör­ter und deren Bedeu­tun­gen auf Ring­buch­blät­ter zu notie­ren und aus­wen­dig zu ler­nen. Eine glück­li­che Fügung bescher­te dann mei­nem Gym­na­si­um das Pilot­pro­jekt Kol­leg­stu­fe und damit den Leis­tungs­kurs Eng­lisch. Und dann habe ich eben Anglis­tik studiert.

Und nichts davon hat mich zum Über­set­zer gemacht. Schon gar nicht die zahl­lo­sen Über­set­zungs­kur­se im Stu­di­um, bei denen man nur immer über die gefor­der­te dep­per­te Wört­lich­keit hin­aus­über­setzt hat. Über­set­zen habe ich gelernt, indem ich – für mich – gan­ze Bücher über­setzt habe. Kür­ze­re sicher, aber immer­hin. Ich erin­ne­re mich noch an John Stein­becks The Pearl und so eini­ge Kri­mis von Car­ter Brown, weil die mit ihren 128 Sei­ten per­fekt dafür waren. Dass ich auf dem rich­ti­gen Weg war, merk­te ich, als mir mal ein eng­li­scher Gast­do­zent – zu Unrecht – vor­warf, ich hät­te mir mei­nen Haus­auf­satz von einem Ame­ri­ka­ner schrei­ben las­sen. Immer­hin ein ver­öf­fent­lich­ter Dich­ter, der Mann.

Und ich hat­te längst ange­fan­gen, Über­set­zun­gen zu sam­meln – eng­li­sches Buch, deut­sches Buch – und mir Pas­sa­gen davon anzusehen.

Aber zurück zu unse­rer Fra­ge, auf die ich Fol­gen­des hät­te sagen kön­nen: Es geht ange­sichts des­sen, was ich seit nun­mehr über drei Jahr­zehn­ten in mei­ne Manu­skrip­te geschmiert bekom­me, beim bes­ten Wil­len nicht um die Gewiss­heit, Recht zu haben, oder ums Recht-haben-wol­len an sich; es genügt in der Regel völ­lig zu wis­sen, dass etwa sie­ben von zehn – ich habe jah­re­lang Buch geführt, als ich noch dach­te, das ändert sich zum Bes­se­ren – ver­lags­sei­tig vor­ge­nom­me­nen Ände­run­gen zwi­schen ner­vig über­flüs­sig und tota­lem Schwach­sinn ran­gie­ren.2 Oder damit’s auch der Letz­te kapiert: Es geht bei sol­chen Dis­kus­si­on doch sel­ten dar­um, ob es sich hier um Spa­ghet­ti oder Far­fal­le oder gar Tor­tel­li­ni han­delt, es geht dar­um, dass ein Hau­fen Mist nie und nim­mer Pas­ta ist.

Blei­ben Sie hier, das ist kei­ne Ein­bil­dung oder blo­ße Bös­ar­tig­keit. Las­sen Sie mich, um nicht gleich noch­mal in den Geruch him­mel­schrei­en­der Auf­ge­bla­sen­heit zu kom­men, aus dem Lek­to­rat, der »Kor­rek­tur« mei­ner letz­ten Arbeit also, zitieren:

»inte­re­sier­te« – »ihren Was­ser­be­cher anzu­rei­chen« – »son­dern auch und die Signa­le ihres Kör­pers« – »unser geleib­tes Kind« »ich zog wei­te­rer Krei­se« – »den ich besorg­te hat­te« – »in bei­de Rich­tung gehen« – »die Kin­der hat­te gro­ße Freu­de« … »Was es zu viel des Guten gewe­sen?« … »schob sie die Hän­ge nach oben« etc. etc. etc.

Ich zitie­re hier aus dem pdf eines fer­ti­gen Umbruchs, nicht etwa aus dem »kor­ri­gier­ten« Manu­skript (ein sol­ches habe ich nie zu sehen bekom­men). Ich hät­te mir die­sen Umbruch nur mal »anse­hen«, sprich: ihn als druck­reif abni­cken sol­len. Auf die Über­set­zung an sich hät­te ich, anders gesagt, ohne­hin kei­nen Ein­fluss mehr neh­men können.

Woher ich weiß, dass ich Recht habe? Hier geht’s nicht um Recht haben, hier braucht’s einen Hun­de­beu­tel, sonst nichts. Oder anders gesagt: Muss man wirk­lich mit Leu­ten, die der­glei­chen & mehr Mist als »Lek­to­rat« defi­nie­ren, auch noch Über­set­zungs­lö­sun­gen dis­ku­tie­ren wol­len?3 Gau­ben Sie wirk­lich, jemand, der so arbei­tet, hat irgend­wann in sei­nem Leben tat­säch­lich die Not­wen­dig­keit ver­spürt zu ler­nen, was es bräuch­te, um eine Über­set­zung tat­säch­lich zu kor­ri­gie­ren? Und falls mir der Laie, der sich hier­her ver­irrt hat, nicht glau­ben will, gucken Sie doch mal in einen ande­ren mei­ner letz­ten Titel,4 da fin­den Sie der­lei Mist sei­ten­wei­se gedruckt. War­um? Na, weil da genau­so lek­to­riert wur­de, nur habe ich das nicht noch mal auf mei­ne Kos­ten kor­ri­giert, weil ich es mir bei 70er-Jah­re-Hono­rar schlicht nicht leis­ten kann, in einem 400-Sei­ten-Schin­ken die »Kor­rek­tu­ren« des Lek­to­rats zu kor­ri­gie­ren. Und dann habe ich, was die Über­set­zung an sich anbe­langt, immer noch nichts zu sagen – selbst, wenn ich das dürf­te, reicht’s dazu ein­fach beim bes­ten Wil­len nicht mehr.5

Natür­lich könn­te ich auch ein­fach dar­auf hin­wei­sen, wie belei­di­gend es ist, davon aus­zu­ge­hen, ach was, auch nur auf den Gedan­ken zu kom­men, dass ich mich mei­ner Arbeit auf die­sel­be schlam­pi­ge Art & Wei­se »ent­le­di­ge«. Wie gesagt, ich könn­te das eben Gesag­te sagen, tu’s aber nicht. Las­sen Sie mich das Pro­blem lie­ber grund­sätz­li­cher , also sach­lich angehen …

… mit einer Gegen­fra­ge: Wenn Sie Ihre Brem­sen zum Ein­stel­len geben, war­um fra­gen Sie dann nicht, woher die in der Werk­statt wis­sen, dass sie das »rich­tig machen« – spirch: dass die dort Recht haben? Sie fra­gen weder, wer das macht, noch ob der Betref­fen­de dazu auch in der Lage ist, und das obwohl Sie fünf Minu­ten nach Abho­len Ihres Wagens ster­ben könn­ten, wenn die­se Per­son Mist gebaut hat. Sie kämen noch nicht mal auf die Idee, an den Kom­pe­ten­zen der Werk­statt zu zwei­feln! War­um? Nun, weil Sie selbst­ver­ständ­lich davon aus­ge­hen, dass der­je­ni­ge, der das macht, sein Hand­werk gelernt hat. Geschwei­ge denn, dass Sie hin­ter­her sel­ber an Ihrer Schüs­sel rum­schrau­ben, um die Arbeit Ihrer Mecha­ni­ker zu »kor­ri­gie­ren« – ob’s das nun braucht oder nicht, Sie kön­nen das eben bes­ser als die.

Über­set­zen ist der ein­zi­ge Beruf, in dem die Kund­schaft einen anfein­det, weil man etwas gelernt hat, was sie nicht kann. 

Kom­bi­niert man das mit unse­rem Pro­blem, impli­ziert die oben zitier­te Fra­ge Fol­gen­des: Beim Über­set­zen schließt man die­se Mög­lich­keit, näm­lich sel­bi­ges als Hand­werk erler­nen zu kön­nen, ganz offen­sicht­lich aus. Anders gesagt: Wie­so soll­te so ein Über­set­zer mehr wis­sen oder kön­nen als ich? Echt jetzt? Mehr oder weni­ger rudi­men­tä­rer Sprach­er­werb am Gym­na­si­um (was immer auch schon mit »Eng­lisch kön­nen« und das wie­der­um mit »Über­set­zen kön­nen« gleich­ge­setzt wird) und fer­tig ist die Lau­be fürs Leben. Oder anders gesagt: Beim Über­set­zer schließt man die Mög­lich­keit, etwas über Leis­tungs­kurs Eng­lisch & Anglis­tik­stu­di­um hin­aus ler­nen zu kön­nen (sprach­lich wie über­set­zungs­tech­nisch), ganz offen­sicht­lich grund­sätz­lich aus. Oder um den Lek­to­ren­ge­dan­ken dahin­ter kon­kret aus­zu­spre­chen: Was kann so einer in fünf­zig Jah­ren Beschäf­ti­gung mit der Über­set­ze­rei schon groß gelernt haben?6 Was wie­der­um impli­ziert: Was ich nicht mit der Mut­ter­milch auf­ge­so­gen habe oder rasch mal nach­schla­gen kann.

Beim Über­set­zen schließt man die­se Mög­lich­keit, näm­lich sel­bi­ges als Hand­werk erler­nen zu kön­nen, ganz offen­sicht­lich aus. 

Nun, selbst wenn dem so wäre,7 man kann sehr wohl dazu­ler­nen über Leis­tungs­kurs Eng­lisch & Anglis­tik­stu­di­um hin­aus. Vor­aus­set­zung dafür ist natür­lich Inter­es­se an der & Lei­den­schaft für die Mate­rie. Pas­sen Sie auf …

Es geht nicht dar­um, Recht zu haben, es geht dar­um zu wis­sen, was man macht. Des­halb soll­ten Sie jetzt eigent­lich erst mal den Arti­kel hier lesen: »›in an ago­ny of‹ – von den Ago­ni­en über­set­ze­ri­scher Fort­bil­dung«. Ich weiß, Sie werden’s nicht tun, es ist durch­aus ein Auf­wand, aber kli­cken Sie sich ruhig mal hin. Über­flie­gen Sie das. Es geht mir ledig­lich dar­um, Ihnen klar­zu­ma­chen, wel­che Arbeit allei­ne in die­sem Arti­kel steckt. Und dass sich die in der gesam­ten Ver­lags­ge­schich­te auch nicht ein Lek­tor gemacht hat. 8 Und jetzt rech­nen Sie das mal auf eine fünf­stel­li­ge Zahl von Wör­tern & Wen­dun­gen hoch, die ich mir seit den 60er-Jah­ren auf die­se Wei­se erar­bei­tet habe. Und die­se Arbeit fällt größ­ten­teils in die Zeit, in der man sei­ne Biblio­thek noch nicht in Satz­da­ten­ban­ken unter­brin­gen konn­te, um Sie durch­such­bar zu machen.

Heu­te geht das ein­fa­cher, zumin­dest wenn man sich die Mühe gemacht hat, für einen Kor­pus zu sor­gen. Selbst wenn das Arbeit ist. Aber nicht nur habe ich als Nerd mei­ne Freu­de dran, es ist nun mal mein Beruf & einen Beruf soll­te man nicht nur erler­nen, son­dern sich auch dar­in fort­bil­den. Ein Text­mi­ning-Tool wie etwa Words­mith (das ich per­sön­lich am liebs­ten benut­ze), zau­bert da klei­ne Wun­der an Mate­ri­al zur wei­te­ren Ver­ar­bei­tung aus den Tex­ten. Das sieht dann bei­spiels­wei­se für eine simp­le Suche nach »goof« und »off« fol­gen­der­ma­ßen aus.

Wenn Sie da nun vier­zig Jah­re gesam­melt & die ent­spre­chen­den deut­schen Über­set­zun­gen zusam­men­ge­tra­gen haben, dann haben Sie eine aus­ge­zeich­ne­te Mög­lich­keit, genau das zu tun, was Ihrer Ansicht nach nicht geht: dazu­zu­ler­nen. Es ist frei­lich mit Arbeit ver­bun­den, ja.

Sie soll­ten Freu­de an der Beschäf­ti­gung mit der Fremd­spra­che haben, von der eige­nen ganz zu schwei­gen. Ich ver­lan­ge ja gar nicht, dass Sie schon in den 60er-Jah­ren am Fami­li­en­ra­dio in der Küche gedreht haben, um den auf AFN zu stel­len. Nur kön­nen Sie dann auch nicht nach­emp­fin­den, wie es war, dort auf die gru­se­li­gen Hör­spie­le aus der Whist­ler-Serie zu sto­ßen, und – muss ich es wirk­lich aus­spre­chen? – was das für Ihre Eng­lisch­kennt­nis­se tut. Wenn Sie jedoch heu­te, in Zei­ten des Inter­nets, noch immer nicht jeden Tag auf Ent­de­ckungs­tour gehen und sich etwa den Whist­ler anhö­ren, wenn Sie zwar »Schwar­ze Serie« im Mun­de füh­ren, weil man ja ach so gebil­det ist, sich die Fil­me nicht aber nicht auch tat­säch­lich ange­guckt haben, z.B. hier, wenn Sie nicht jeden Mit­tag die Jere­my Vine Show auf BBC2 hören, Hör­spie­le auf BBC4extra, wenn Sie nicht wenigs­tens ein Net­flix-Abo haben,9 wenn Sie bei alle­dem nicht stän­dig Stift & Zet­tel zum Notie­ren bei der Hand haben, wenn nicht alles, was Sie gese­hen & gehört haben, Wort für Wort in Ihre Daten­ban­ken wan­dert … tja, dann tei­len wir die­se Freu­de am Eng­li­schen nicht, zu schwei­gen vom Über­set­zen, aber dann haben Sie auch nicht gelernt, was ich in den letz­ten 50 Jah­ren gelernt habe, und die Illu­si­on der Unfehl­bar­keit, die hin­ter einer Fra­ge steht, wie­so ein pop­li­ger klei­ner Über­set­zer wie ich meint, er könn­te Recht haben, sprich: womög­lich tat­säch­lich was wis­sen!, soll­te sich doch spä­tes­tens jetzt als sol­che erwei­sen … und eigent­lich der Freu­de dar­über wei­chen, dass Sie einen Idio­ten wie mich gefun­den haben, der nichts lie­ber macht, als zu über­set­zen, und ihm nicht wei­ter die Zeit steh­len mit Dreck wie dem oben zitier­ten. Yeah right, I should be so lucky …

Schön, als nächs­tes schau­en Sie mal in zwei Bücher von mir rein: Ame­ri­can Slang und Expli­cit Hip­hop. Nicht, weil ich damit ange­ben will. (Zu sehr bin ich mir des Umstands bewusst, was da alles fehlt & wie alt die schon wie­der sind.) Was Sie sich klar machen sol­len ist, dass da Jahr­zehn­te Arbeit (= Beschäf­ti­gung mit der eng­li­schen und der deut­schen Spra­che) drin­ste­cken – und auch die­se fiel wie­der­um in die Zeit, als man noch meter­wei­se Bücher mit dem Text­mar­ker lesen muss­te, um sich die­ses Wis­sen zusam­men­zu­tra­gen. Und wenn die­se bei­den Titel heu­te noch die welt­weit größ­ten zwei­spra­chi­gen Slang-Wör­ter­bü­cher ihrer Art sind,10 dann liegt das dar­an, dass sich die­se jah­re­lan­ge Arbeit eben kein Aas machen will. Nicht nur weil es leich­ter ist, sich ein­zu­bil­den, das alles mit der Mut­ter­milch auf­ge­so­gen zu haben oder sich »Wis­sen« ergoog­len (det jeht nich!) zu kön­nen, son­dern auch weil Ihnen so etwas hier­zu­lan­de kei­ner mehr dru­cken will. Weil’s kei­ner kauft. Weil kei­ner was genau­er wis­sen will. Weil jeder heu­te bloß noch die Klap­pe auf­reißt.11

Einen Jahr­zehn­te alten [Feh­ler] habe ich neu­lich selbst ent­deckt, als ich mich in Bern­hard Schmids unent­behr­li­chem ›Ame­ri­can Slang‹-Wörterbuch … unter shit fest­ge­le­sen hatte. 

Har­ry Rowohlt, Die Zeit (17. Juni 2010)

Exkurs: Ich habe mal für Han­ni­bal die Song­tex­te von Emi­nem über­setzt, und dann fängt da irgend­ein Hir­ni an, da dran rum­zu­dok­tern. Muss die­sen Men­schen inter­es­sie­ren, dass ich mich mit der Mate­rie – Hip­hop-Slang – befasst habe? Iwo, geschwei­ge denn dass er mein Büchl viel­leicht sogar besit­zen soll­te, bevor er da zu »ver­bes­sern« beginnt. Ich mei­ne, es wäre ja immer­hin ein Fach­wör­ter­buch zu einem The­ma, von dem er kei­nen Schim­mer hat! Wür­de er sich nicht ein medi­zi­ni­sches Wör­ter­buch zule­gen, wenn’s um die­sen Fach­be­reich gin­ge?12 Er kann­te noch nicht mal die sim­pels­ten ein­schlä­gi­gen Wör­ter & Wen­dun­gen der Sze­ne. Offen­sicht­lich & nach­weis­lich. Er dach­te, »hit­tin trees« heißt gegen Bäu­me fahren!

Als nächs­tes soll­ten Sie eine fünf­stel­li­ge Zahl von Fil­men & Epi­so­den von TV-Seri­en im Kopf haben; nur in Film, Funk & Fern­se­hen näm­lich kön­nen Sie das Eng­li­sche erler­nen, wo es auch der Eng­län­der oder Ame­ri­ka­ner lernt. Kom­men Sie mir jetzt bit­te nicht mit einem Urlaub oder Aus­lands­auf­ent­halt: a) spre­che ich auch hier wie­der von jahr­zehn­te­lan­ger Beschäf­ti­gung (spä­tes­tens seit den Astra-Satel­li­ten) und b) der Eng­län­der & Ame­ri­ka­ner hat sei­ne Spra­che nun mal auch aus Film, Funk & Fern­se­hen gelernt.

Und wenn Sie mir jetzt – wie schon mal ein Lek­tor – an den Kopf wer­fen: »Ja, wenn Sie so was gucken!«,13 dann haben Sie hof­fent­lich Ihre Klas­si­ker – von Jane Aus­ten bis Frank Zap­pa – mit Blei­stift anno­tiert in den Rega­len ste­hen, auch den Ulys­ses! Also ein paar Hun­dert sollten’s schon sein …14

Was ich sagen will, ist Fol­gen­des: Sie kön­nen in Wör­ter­bü­chern nach­schla­gen & goo­geln, bis Sie schwarz wer­den, Sie wer­den in zahl­lo­sen Fäl­len nicht hin­ter die »eigent­li­che« Bedeu­tung von Wen­dun­gen kom­men,15 aber in dem Augen­blick, in dem Sie eine Sze­ne dazu vor Augen haben, kommt es Ihnen: Ach, das ist damit gemeint! Und dann soll­ten Sie die­se Aha-Erleb­nis­se natür­lich sam­meln & orga­ni­sie­ren, mit­ein­an­der ver­glei­chen, sehen, was Kol­le­gen damit gemacht haben. Erst so ler­nen Sie eine Fremd­spra­che wirk­lich. Und wenn Sie das Jahr­zehn­te gemacht haben, dann kön­nen wir uns auf Augen­hö­he über Ihre Lösun­gen unter­hal­ten. Und Sie wer­den von mir noch nicht mal hören, dass ich »Eng­lisch kann«. Ich weiß, dass ich nichts weiß. Und das ist eben kei­ne Koket­te­rie, es ist ein­fach so. Eine ande­re Spra­che spie­gelt die gan­ze Kul­tur eines ande­ren Lan­des wie­der, von oben bis unten & in die Brei­te. Unmög­lich, all das zu ler­nen. Nicht mal für Mut­ter­sprach­ler. Aber man ver­sucht eben zu tun, was man kann. Oder ich jedenfalls …

Exkurs: Sie dür­fen auch ger­ne mal auf die Bild­chen kli­cken, die die­sen Arti­kel zie­ren. Es ist eine klei­ne Aus­wahl aus den »Wör­ter­buch­wän­den« um mich rum. Und ja, ver­mut­lich hät­te ich mir lie­ber eine Eigen­tums­woh­nung kau­fen & die Klap­pe auf­rei­ßen sol­len. Ich behaup­te hier ja nicht, dass ich beson­ders gescheit bin – nur dass ich, wie jeder Hand­wer­ker, eine ordent­li­che Werk­statt mit dem bes­ten Werk­zeug habe.

Ich könn­te hier durch­aus so wei­ter­ma­chen, Sie zum Bei­spiel nach Ihren Daten­ban­ken fra­gen, die hof­fent­lich alle in die Sechs­stel­lig­keit gehen, aber Sie sind ver­mut­lich ohne­hin längst nicht mehr hier und wenn doch, dann gilt wie­der die ers­te Annah­me: Was ist das für ein ein­ge­bil­de­ter Arsch‽ Und im Ton ver­greift er sich auch. Stimmt’s oder hab’ ich recht‽

Nein, umge­kehrt wird ein Schuh draus: Ich hät­te mir nicht fünf­zig Jah­re den Kör­per­teil aus­ge­ris­sen, für den Sie mich hal­ten, um etwas zu ler­nen, hät­te ich nur den Bruch­teil der Ein­bil­dung des durch­schnitt­li­chen Lek­tors mit in die Wie­ge bekom­men, der tat­säch­lich meint, er kann das Manu­skript einer Über­set­zung ver­bes­sern, die er nicht erst drei­mal durch­ge­ackert hat, mit Hüft­schüs­sen mit ande­ren Wor­ten. Und, glau­ben Sie mir, ich habe noch nicht mal das Gefühl, an der Ober­flä­che gekratzt zu haben. Ich weiß über­haupt nur eines: Dass ich mir, wenn ich das Manu­skript einer Über­set­zung abge­lie­fert habe, mehr Arbeit gemacht habe – mit die­ser Über­set­zung und auch mit der Über­set­ze­rei an sich – als der­je­ni­ge, der sich ver­lags­sei­tig hin­setzt, beim ers­ten Satz den Pflug ansetzt und dann den Text umzu­bre­chen beginnt, dass die Schol­len nur so flie­gen – und dabei die frisch klaf­fen­den Fur­chen mit sei­ner unqua­li­fi­zier­ten Blei­stift­lo­sung düngt. Nicht dass sich heu­te außer mir noch einer die Mühe machen wür­de, mit Papier & Blei­stift zu arbei­ten! Das ist ja einer der Grün­de für die oben zitier­te Schlam­pe­rei. Leu­te, man kann am Bild­schirm nicht korrigieren!

Auf wel­cher Sei­te da wohl die Ein­bil­dung herrscht?
Aber wer­den wir ruhig noch mal kon­kret: Glau­ben Sie wirk­lich, ich bin nach nun­mehr fünf­zig Jah­ren Beschäf­ti­gung mit der Über­set­ze­rei zu blö­de, »over­alls« mit Over­all zu über­set­zen, »right!« mit kor­rekt! oder »at the end of the day« mit am Ende des Tages? Es hat sei­ne Grün­de, dass ich das nicht mache, deren ers­ter der ist, dass ich eben nicht blö­de genug dazu bin.

Wenn ich mich am Schluss einer Über­set­zung drei Tage hin­set­ze, um einen Text allein dar­auf noch mal durch­zu­ge­hen, dass Micha­el Jack­sons Body­guards kei­ne Kon­junk­ti­ve benut­zen, möch­te ich kein E‑Mail bekom­men, da habe nun einer ers­te & gar zwei­te Kon­junk­ti­ve rein­ge­schrie­ben – offen­sicht­lich bin ich zu blö­de dazu. Jetzt quas­seln die bei­den Leu­te daher wie die Grä­fin Koks von der Gasanstalt.

Wenn ich bei der Über­set­zung eines Arti­kels eines nam­haf­ten Jour­na­lis­ten über einen Flug­zeug­ab­sturz »Tut­ti va bene« ste­hen las­se, dann nicht weil ich zu blö­de bin, das als ita­lie­ni­schen Gram­ma­tik­feh­ler zu erken­nen & oben­drein zu faul, die­sen »Feh­ler« zu kor­ri­gie­ren, son­dern weil der Autor es so geschrie­ben hat. Und ich als Über­set­zer nun mal nach­for­sche, war­um er es so & nicht anders geschrie­ben hat. Und er hat es so geschrie­ben, weil es so & nicht anders in der Abschrift der auf­ge­zeich­ne­ten Kabi­nen­ge­sprä­che der abge­stürz­ten Lini­en­ma­schi­ne steht, um die es in sei­nem Arti­kel geht. Und die­se Gesprä­che in einer fran­zö­si­schen Maschi­ne nun mal auf Fran­zö­sisch geführt wur­den. Nicht auf Ita­lie­nisch. Und im Fran­zö­si­schen »Tut­ti va bene« – Gram­ma­tik­feh­ler hin oder her – eine umgangs­sprach­li­che Wen­dung ist. Es gibt sogar einen Pop­song, der so heißt. Und ich habe stun­den­lang gesucht nach den Abschrif­ten die­ser Auf­zeich­nun­gen & nicht nur das fran­zö­si­sche Ori­gi­nal gefun­den, son­dern auch eine Über­set­zung ins Ita­lie­ni­sche, in der auf die Rich­tig­keit des Feh­lers mit einem [sic] ver­wie­sen wird. Selbst­ver­ständ­lich ist das Arbeit, vor allem unbe­zahl­te Arbeit. Die man sich ver­lags­sei­tig natür­lich nicht machen muss. Denn da genügt es völ­lig, im Zwei­fels­fal­le neben dem Über­set­zer auch noch den Autor für dumm & faul zu erklä­ren.16

Noch­mal: Auf wel­cher Sei­te wird da wohl mit Ein­bil­dung statt mit Erfah­rung operiert?

Aber zurück zu unse­rer Titel­fra­ge: Woher ich weiß, dass ich Recht habe. Nun, ich weiß es nicht immer. Bestehe schon gar nicht drauf, wenn ich mich im Eifer des Gefechts mal ver­schaut haben soll­te. Selbst­ver­ständ­lich kommt das vor; da mei­ne Über­set­zun­gen aber in wenigs­tens drei Durch­gän­gen zustan­de­kom­men, fin­de ich die meis­ten mei­ner Feh­ler. Und dann habe ich mir den Groß­teil mei­ner Lösun­gen eben im jahr­zehn­te­lan­gen tag­täg­li­chen Kampf mit zwei Spra­chen drauf­ge­schafft, oder anders gesagt, so wie jeder Hand­wer­ker, der was auf sich hält, sein Hand­werk erlernt. Und in der Regel habe ich in Fäl­len, in denen das Lek­to­rat erst mal ahnungs­los zu goo­geln beginnt (wenn über­haupt), eben bereits all die Stel­len parat, in denen mir das Pro­blem bereits unter­ge­kom­men ist. Mehr lässt sich dazu nicht mehr sagen …

… außer dass ich der Ers­te bin, der eine bes­se­re Lösung erkennt & begrüßt, wenn ich mal eine fin­de. Aber da müss­te natür­lich das Ver­hält­nis von bes­ser & schlech­ter stim­men. Und das tut’s eben nie. Anders gesagt: Es wäre halt schön, wenn die Ände­rung über die blo­ße Ein­bil­dung, den über­flüs­si­gen Schuss aus der Hüf­te ohne irgend­ei­nen Blick aufs Gan­ze hin­aus­ge­hen wür­de, sprich wenn sie der Tat­sa­che Rech­nung tra­gen wür­de, dass es eben nicht Ihre Über­set­zung son­dern die mei­ne ist.17 Und noch wich­ti­ger heu­te: Bei einem Über­set­zungs­ho­no­rar, das mitt­ler­wei­le in die 1970er-Jah­re zurück­ge­rutscht ist, kann man es sich eben nicht mehr leis­ten, ver­schmier­te Umbrü­che noch ein­mal durch­zu­ackern, in denen nur des­halb rein­ge­schrie­ben wur­de, weil da einer die paar Mark recht­fer­ti­gen zu müs­sen meint, die er dafür bekommt.

Das ers­te Prin­zip des Über­set­zens ist nun mal, dass es jeder anders machen wür­de. Was für einen Sinn soll­te es haben, jeman­den – schon gar einen Ama­teur! – dafür zu bezah­len, dass er das noch­mal – nur eben anders – macht? Und die Über­set­zung im Zug die­ses über­flüs­si­gen Unter­fan­gens auch noch mit Feh­lern zuschmiert? Für die ich in der Öffent­lich­keit den Kopf hin­hal­ten darf. Aber das ist wie­der ein eige­nes Kapitel …

Exkurs: Hier könn­te ich wie­der die bereits gestell­te Fra­ge ein­flech­ten: Sie haben das alles nicht gemacht? Fünf­zig und mehr gott­ver­damm­te Jah­re lang! Und Sie wol­len trotz­dem Recht haben? Tu’s aber nicht.

Anmer­kun­gen

  1. Die Fra­ge impli­ziert letzt­lich eine ande­re, der frei­lich eine maß­lo­se Ein­bil­dung zugrun­de liegt: »Was kön­nen Sie schon gelernt haben, was ich nicht mit der Mut­ter­milch auf­ge­so­gen habe?« War­um? Jemand, der etwas beherrscht, weil er es gelernt hat, wür­de so eine Fra­ge nicht stel­len. ↩︎
  2. Bei­spie­le fol­gen in kom­men­den Arti­keln; Sie fin­den aber hier im Blog auch genü­gend in älte­ren Ein­trä­gen. ↩︎
  3. Auf die men­schen­ver­ach­ten­de Kom­po­nen­te einer sol­chen Unhöf­lich­keit kom­me ich die­ser Tage auch noch. ↩︎
  4. Gucken Sie mal nach etwas von Greg Jen­ner ↩︎
  5. Nüt­zen tut’s mir eh nichts, denn ange­fein­det wer­de ich so oder so. ↩︎
  6. »Ich habe doch auch nichts gelernt & ich bin Lek­tor.« ↩︎
  7. ich habe einen Hun­der­ter­pack »von mir« über­setz­ter Titel, deren Redak­ti­on – all­zu oft lei­der auch die schließ­lich gedruck­te Ver­si­on – das Gegen­teil bewei­sen. ↩︎
  8. Was nicht eigent­lich ein Vor­wurf ist, es gibt ja Über­set­zer, die das erle­di­gen. Und falls ich einem Unrecht tue, soll er sich bei mir mel­den. Ich könn­te mir eine frucht­ba­re  Zusam­men­ar­beit vor­stel­len. ↩︎
  9. Man kann die Filme/Serien dort auch im Ori­gi­nal sehen ↩︎
  10. zwei­spra­chi­ge Slang-Wör­ter­bü­cher ↩︎
  11. Lek­to­rat wie ich es zu drei Vier­teln kenn­nen­ge­lernt habe, ist nichts wei­ter, als die Klap­pe auf­zu­rei­ßen! ↩︎
  12. Na gut, ver­mut­lich nicht. Ist ja eigent­lich, was ich hier zu bele­gen ver­su­che. Aber ich den­ke doch, er wür­de das Lek­to­rat erst gar nicht anneh­men, weil er es sich nicht zutraut, was jedoch wie­der­um mei­ne Aus­sa­ge beweist. ↩︎
  13. Impli­ziert übri­gens auch, dass sie sich für Ihren eig­nen Job zu gut wäh­nen. ↩︎
  14. Natür­lich soll­ten Sie sie ken­nen, aber wenn Sie den­ken, dass Ihnen die Lek­tü­re von Klas­si­kern beim Über­set­zen hel­fen könn­te, dann haben Sie das eben noch nie gemacht. ↩︎
  15. … nicht zuletzt des­halb, weil auch die Wör­ter­buch­ma­cher nicht genug TV geguckt haben. ↩︎
  16. Was, soll man sich da etwa nicht auf­re­gen? Es geht hier um mei­ne Exis­tenz, denn so ein der­ge­stalt »ertapp­tes« und auf sei­nen Feh­ler auf­merk­sam gemacht »Men­schen­kind« wird ab die­sem Augen­blick dafür sor­gen, dass ich über kurz oder lang bei die­sem Ver­lag aus­ge­schis­sen haben. Schließ­lich hat man am Unfehl­bar­keits­wahn des Betref­fen­den gekratzt. ↩︎
  17. Ich wer­de in kom­men­den Arti­keln noch zei­gen, was für ein Schwach­sinn da zusam­men­ge­fa­selt wird. ↩︎

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