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Über­set­zungs­kri­tik im Feuil­le­ton – Nachschlag

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Die taz hat­te zum Wochen­en­de einen – wenigs­tens mei­ner Ansicht nach – recht geschei­ten Arti­kel zum The­ma »Über­set­zungs­kri­tik im Feuil­le­ton«.1

Sicher, so die Autorin Katha­ri­na Granz­in, der Über­set­zer kom­me bei den Rezen­sen­ten in der Regel zu kurz, aber für eine »fach­lich gesi­cher­te Wür­di­gung der Über­set­zer­leis­tung im Rah­men einer Lite­ra­tur­kri­tik« feh­le nun mal »oft die fak­ti­sche Grund­la­ge.« Der Rezen­sent habe das Ori­gi­nal ent­we­der nicht neben sich lie­gen oder sei der Aus­gangs­spra­che nicht mäch­tig genug, um sich dies­be­züg­lich  ein Urteil zu erlau­ben. Und über­dies kön­ne »die phi­lo­lo­gi­sche Fein­ana­ly­se … auch nicht wirk­lich die Auf­ga­be der Kul­tur­jour­na­lis­ten sein.«

Applaus, Applaus! Für mich bringt das die gan­ze Geschich­te auf den Punkt. Ich hat­te ja neu­lich hier schon aus ande­rem Anlass ein paar eige­ne Gedan­ken zum Pro­blem – und das ist es zwei­fels­oh­ne –  notiert. Ich den­ke, Granz­in schreibt von einem ande­ren Blick­win­kel aus gese­hen das­sel­be in Grün.

Der Über­set­zer kommt zu kurz. Schön. Wenn es um die Wür­di­gung geht. Ich den­ke, ich habe in mei­nem Arti­kel­chen klar gestellt, dass mir per­sön­lich das eher schnup­pe ist. Ich möch­te das aber auf kei­nen Fall ver­all­ge­mei­nert sehen. Das Letz­te, was ich woll­te ist, einen nam­haf­ten Kol­le­gen wie Frank Hei­bert, der für sei­ne soli­de Über­tra­gung eines nam­haf­ten Autoren gleich eine gan­ze Sei­te in der Zeit – oder wo auch immer – bekommt, mit kei­nem Wort gewür­digt zu sehen. Ich möch­te aber auch nicht so weit gehen wie ein ande­rer Kol­le­ge, der lie­ber erst gar nicht erwähnt wer­den möch­te »ange­sichts des nied­ri­gen Niveaus, auf dem sich die heu­ti­ge Lite­ra­tur­kri­tik bewe­ge«. Autsch! Das ist mir zu eli­tär. Und es kann in sei­ner belei­di­gen Schär­fe auch nur zum Letz­ten füh­ren, was die Über­set­ze­rei braucht: die Feind­schaft des Rezen­sen­ten oder des Feuil­le­tons über­haupt.

Die Über­set­zer lie­gen ohne­hin schon im Clinch mit den Ver­la­gen; ein Zwei­fron­ten­krieg ist das Letz­te, was sie jetzt brau­chen. Gera­de weil – wie in der taz zu lesen – die öko­no­mi­sche Situa­ti­on der Rezen­sen­ten2 im Gro­ßen und Gan­zen nicht viel bes­ser als die der Über­set­zer ist, soll­te man an einem Strang zie­hen. Mal ange­nom­men, ein Rezen­sent haut in sei­ner Bespre­chung der­art belei­di­gend zurück?

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Und da liegt doch der Hase über­haupt im Pfef­fer. Pas­sen Sie auf:

Das Pro­blem mit der Über­set­zungs­kri­tik im Feuil­le­ton ist zunächst ein­mal, dass es den wei­sen, gerech­ten Phi­lo­so­phen­re­zen­sen­ten, den sich die Kol­le­gen hier offen­sicht­lich ins Feuil­le­ton den­ken, nicht gibt; einer, der sou­ve­rän über den Dis­zi­pli­nen ste­hend gerecht gute Noten ver­teilt. Denn dar­um geht es doch, man will sich gelobt sehen. Kann man uns denn über­haupt kri­ti­sie­ren, so gut wie wir sind? Was wenn der ers­te Kol­le­ge ver­ris­sen wird, sei es mit einer Lat­te sei­ner tat­säch­li­chen Feh­ler, sei es mit sol­chen, die er dem Lek­to­rat ver­dankt, sei es mit sol­chen, bei denen der Rezen­sent sich irrt? Aber Lob hin, Ver­riss her, es muss doch jedem klar sein, dass der Rezen­sent die Arbeit des Über­set­zers nicht noch mal machen kann. Wort für Wort. Und nur so lie­ße sich eine Über­set­zung wirk­lich rezen­sie­ren. Andern­falls pickt sich der Rezen­sent eben Stel­len her­aus, bei denen er mit­re­den zu kön­nen meint, und das kann mal gut, mal ins Auge gehen. (Und ich sage das aus­schließ­lich im Sin­ne von Katha­ri­na Granz­ins ein­gangs zitier­ten Maxi­men, nicht weil ich Rezen­sen­ten für doof hal­ten wür­de.) Aber eines soll­te jedem klar sein: Die Rezen­si­on wird immer inter­es­san­ter aus­fal­len, wenn da einer in die Pfan­ne gehau­en wird; Feh­ler fin­den ist ein­fach span­nen­de­res Kino als eine Spal­te Lob­hu­de­lei­en: »Das ist gut, und auch das und das da und hier ist noch was – und das erst…« Sie sind doch jetzt auch einen Augen­blick weg­ge­nickt, oder? Geben Sie’s zu.

Und ich las­se hier per­sön­li­che Wit­te­rungs­ein­flüs­se auf die jewei­li­ge Rezen­si­on mal ganz außen vor.

Aber neh­men wir mal an, wir ver­mei­den den Krieg zwi­schen Über­set­zer und Rezen­sent, den ich befürch­te, wenn es zu Aus­fäl­len gegen das »Niveau« des ande­ren kommt. Ich sehe in mei­nem Kris­tall noch weit Schlim­me­res. Pas­sen Sie auf:

Frank Hei­bert hat eine gan­ze Sei­te bekom­men. Da hät­te man ihn durch­aus wür­di­gen kön­nen; zumal wenn die Spra­che ja offen­sicht­lich gefal­len hat. Ob eine tat­säch­li­che Über­set­zungs­kri­tik ange­bracht gewe­sen wäre, möch­te ich nicht beur­tei­len. Aber, was ist mit all den ande­ren Rezen­sio­nen, die mit weit weni­ger Spal­ten aus­kom­men müs­sen? Und was ist, wenn – weil es Mode gewor­den ist, in einer Über­set­zungs­re­zen­si­on auch phi­lo­lo­gisch abzu­son­dern – auch im letz­ten Hin­weis auf eine Neu­erschei­nung noch rasch ein Satz kri­ti­siert wird?

Hier wird herz­lich unbe­dacht an einem schla­fen­den Rie­sen gerüt­telt, der – ein­mal auf­ge­wacht – in ein Volk von Über­set­zungs­kri­ti­kern zer­fal­len wird, des­sen Tun und Trei­ben nicht abzu­se­hen ist, kommt es erst mal so rich­tig in Fahrt. Da hilft aber dann kein »Besen, Besen…« mehr.

So sehr ich mich freue, wenn mei­ne Bran­che mal lobend her­aus­ge­stellt wird, im Feuil­le­ton scheint mir ein “gelun­gen” im Gro­ßen und Gan­zen sinn­vol­ler, und ein schlich­tes “ver­un­glückt” tut weni­ger weh.

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Ich neh­me Bezug auf einen Blog­ein­trag vom April. Nun möch­te ich natür­lich nicht behaup­ten, in der Liga der Namen mit­stin­ken zu kön­nen, die in der taz genannt wer­den, mei­ne aber, nach einem Vier­tel­jahr­hun­dert als Über­set­zer durch­aus mit­re­den zu kön­nen. Von mei­ner klei­nen War­te aus.

  1. Der taz-Arti­kel befin­det sich hier. []
  2. Inter­es­sant (oder bedenk­lich), dass das bei den Über­set­zer­kol­le­gen nicht zuerst mal ein Gefühl des Wie­der­erken­nens und damit der Soli­da­ri­tät zu erzeu­gen scheint. Das ist mei­ne Reak­ti­on, wenn ich höre, es geht jeman­dem so lau­sig wie mir. []

Dieser Beitrag hat 8 Kommentare

  1. Hinterfrager

    Ihre Aus­füh­run­gen sind inter­es­sant. Für den unein­ge­weih­ten Lite­ra­tur­freund ist das alles Neu­land. Bit­te mei­ne Fra­ge nicht despek­tier­lich zu ver­ste­hen. Aber stel­len Sie sich nicht auch selbst über das Feuil­le­ton? Sie sagen doch auch, dass sie von der Kri­tik nicht beur­teilt wer­den wollen.
    MfG
    Hinterfrager

  2. SlangGuy

    Ganz und gar nicht. Seit ich Zei­tung lese, schla­ge ich zuerst das Feuil­le­ton auf. Man muss nicht immer einer Mei­nung mit den Leu­ten dort sein, aber ich habe Respekt vor ihnen. Sie befas­sen sich in der Regel gründ­lich mit der Facet­te eines The­mas, von dem sie von Haus aus mehr Ahnung haben als ich.
    Aber »Über­set­zungs­kri­tik« beinhal­tet ein­fach mehr als nur ein Urteil dar­über, ob einem eine Über­set­zung gefal­len hat oder nicht. Mein Tenor ist der, dass der Rezen­sent die Über­set­zung selbst für sich »nach­ar­bei­ten« müss­te und eine Über­set­zungs­kri­tik nicht auf einer Zei­tungs­sei­te abge­han­delt wer­den könn­te, auch nicht auf einer gan­zen, was das Feuil­le­ton ein­fach nicht zum rich­ti­gen Ort dafür macht.

  3. Hinterfrager

    Dan­ke. Aber war­um regt man sich unter der Über­set­z­erschaft dann so auf? Wenn man dem Arti­kel in der taz glau­ben darf, emp­fin­den Ihre Kol­le­gen die Situa­ti­on als skan­da­lös. Dass “die erbrach­te Über­set­zer­leis­tung nicht wahr­ge­nom­men” wird scheint sie doch zu wurmen.
    MfG
    Hinterfrager

  4. SlangGuy

    Ich spre­che nicht für die Kol­le­gen; ich habe oben nur zur Vor­sicht zu mah­nen ver­sucht, was die For­de­rung nach Über­set­zungs­kri­tik im Feuil­le­ton anbelangt.
    Ich kann nur soviel sagen, dass ein Unter­schied dar­in besteht, sei­ne Arbeit nicht mit sei­ten­wei­se Über­set­zungs­kri­tik gewür­digt zu sehen, und der Tat­sa­che, dass man oft gar nicht erwähnt wird, nicht nur in Rezen­sio­nen – selbst in der Titel­ei von Büchern. Bei Hör­bü­chern scheint es noch öfter vorzukommen.
    Es herrscht eine gewis­se Unzu­frie­den­heit dar­über bei den Übersetzern.
    Und das ist doch ver­ständ­lich. Wenn Sie irgend­wo ein Foto sehen, dann dür­fen Sie sicher sein, dass dar­un­ter der Name des Foto­gra­fen bzw. der Agen­tur steht. Und bei Nicht­nen­nung auf Scha­den­er­satz zu kla­gen, ist kein Pro­blem. Es wird als eine Art Dieb­stahl gewer­tet. Und das ist “nur” ein Foto. Wenn Ihr Name nicht auf Ihrer eige­nen Über­set­zung – Mona­te Arbeit! – steht oder falsch geschrie­ben wird, krie­gen Sie ein’ in die hoh­le Hand. Im Prin­zip wäre das Pro­blem ja mit einer schlich­ten Besin­nung auf den Anstand gelöst.
    Der Über­set­zer ist irgend­wie ein stö­ren­des Glied in der Ket­te Autor-Ver­lag-Ver­lag-Leser. Ein gedul­de­tes, weil unent­behr­li­ches Übel. Man will in bei­den Län­dern den Autor ver­kau­fen, nicht den Übersetzer.
    Es ändert sich aber lang­sam etwas. Hin und wie­der steht der Kol­le­ge ja bereits außen drauf. Wie weit der ein­zel­ne Kol­le­ge da nun ger­ne gehen wür­de, ist sei­ne Sache.

  5. Kirmes

    Aber Sie schrei­ben doch, “man will sich gelobt sehen”. Spricht das nicht für einen gewis­sen Geltungsdrang?
    Kirmes

  6. SlangGuy

    Wie gesagt, hin­ter der Frus­tra­ti­on der Über­set­zer steckt ja das tota­le Igno­riert-wer­den. Und wenn ein Kol­le­ge auf einer gan­zen Zei­tungs­sei­te zu einem von ihm über­setz­ten Werk nicht erwähnt wird, dann zeigt das ja sei­ne »Unsicht­bar­keit« in unse­rer Kul­tur, die sich doch auf Bele­sen­heit, und dazu gehört nun ein­mal Welt­li­te­ra­tur, so viel ein­bil­det. Den­ken Sie nur, mit wel­cher Ver­zweif­lung die Leu­te die Lis­ten mit den 100 bes­ten Büchern kau­fen. Aber es gehört eben zu die­ser Kul­tur, eine wesent­li­che Schnitt­stel­le im Ent­ste­hen von Welt­li­te­ra­tur – den Über­set­zer – ein­fach zu übersehen.
    Ich wür­de es nicht gleich als Gel­tungs­drang bezeich­nen, wenn man als Glied in die­ser Ket­te aner­kannt wer­den will. 

    Das mit dem “Gelobt-wer­den-wol­len” ist ein »logi­scher Sprung« in mei­nem Arti­kel. Es hät­te da anders wei­ter­ge­hen müssen.
    Aber wo ich es schon gesagt habe: Wenn man in Bezug auf eine eige­ne Arbeit nach Über­set­zungs­kri­tik ruft, dann ja wohl nicht um das Buch um die Ohren zu krie­gen. Man geht wohl davon aus, dass man es für größ­ten­teils lobens­wert hält. Aber wie gesagt, gehört eigent­lich gar nicht rein hier, weil die­se Fra­ge jeder Über­set­zer für sich beant­wor­ten muss.

  7. Petrus

    “Aner­kannt”. Als doch gel­ten wollen.

  8. SlangGuy

    Aner­kannt, zur Kennt­nis genom­men wer­den… ist für mich etwas ande­res als “Gel­tungs­drang”; der Duden ver­weist von die­sem auf “Gel­tungs­be­dürf­nis” und defi­niert das als “Bedürf­nis, ange­se­hen zu sein und bei ande­ren etwas zu gelten”.
    Sie müs­sen jeden ein­zel­nen Kol­le­gen fra­gen, wo er steht zwi­schen “gese­hen wer­den” und “ange­se­hen sein”.

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