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Mal anders rum – Anthea Bell

Man über­setzt aus der Fremd­spra­che in die Mut­ter­spra­che. Das ist so die Regel. Natür­lich wird man immer wie­der mal dar­um gebe­ten, es »anders rum« zu machen, und wenn es nicht zu umfang­reich ist und kei­nen Scha­den anrich­ten kann, nimmt man so etwas gefäl­lig­keits­hal­ber an. Aber so rich­tig beschäf­ti­gen tut man sich nicht mit der Über­set­zung vom Deut­schen ins Eng­li­sche. Es ist einem fer­ner, als der Nicht­über­set­zer sich das vor­stel­len mag. Ich habe seit 40 Jah­ren hier irgend­wo eine Tin Drum her­um­ku­geln, die ich ger­ne mal gegen das Ori­gi­nal hal­ten wür­de, das immer in Reich­wei­te steht, aber ich bin nie dazu gekom­men. Aber­mals geweckt wur­de mein Inter­es­se an der Über­set­zung ins Eng­li­sche, als ich vor eini­gen Jah­ren im Web auf einen Vor­trag einer eng­li­schen Kol­le­gin stieß: Anthea Bell.

Gekom­men bin ich auf sie über Ihren Vor­trag »Trans­la­ti­on as Illu­si­on« und das eher zufäl­lig. Oder auch nicht. Da Anthea Bell in die­sem Vor­trag etwas anspricht, was mir selbst das Über­setz­er­le­ben ver­gällt: »The Cur­se of the Copy Edi­tor«. Der Fluch des Lek­to­rats hört sich wun­der­bar roman­tisch nach Dr. Mabu­se an oder nach Fu Man­chu, ist aber weit weni­ger span­nend oder unter­halt­sam, als Klein Häns­chen so den­ken mag – in die Auto­bran­che über­setzt hie­ße die­ses Phä­no­men: Das Auto, dass Sie da eben gekauft haben, ist von einem Ama­teur nach­ge­ar­bei­tet und wür­de nicht fah­ren. Aber las­sen wir mei­ne per­sön­li­chen Pro­ble­me mal bei­sei­te; blei­ben wir bei der Aus­sa­ge der eng­li­schen Kol­le­gin zum The­ma, die mir die Über­set­zung Ihrer Wor­te ins Deut­sche bit­te nach­se­hen mag: 

Ich hat­te mit eini­gen Lek­to­ren zu tun, deren Auf­ga­be ihrer Ansicht nach offen­sicht­lich in der Ände­rung rein um der Ände­rung wil­len besteht – von »at last« zu »even­tual­ly«, zum Bei­spiel – sowie der Bei­men­gung eben­so fal­scher Gram­ma­tik wie unge­wöhn­li­cher Inter­punk­ti­on. Als ich bei einem Roman, der auf den – tat­säch­lich exis­tie­ren­den – Memoi­ren von Eva Brauns Cou­si­ne basiert, fest­stel­len muss­te, dass das Lek­to­rat aus »as my hair­style sug­gested« »as my hair­style infer­red« gemacht hat­te, sah ich mich zu der Anmer­kung genö­tigt, dass eine Fri­sur ja wohl kein den­ken­des Wesen und zu »Fol­ge­run­gen« nicht in der Lage sei; ver­mut­lich hat­te die Lek­to­rin auf »impli­ed« hin­aus wol­len. Wenigs­tens mach­te mich die­se Ände­rung der Lek­to­rin sofort dar­auf auf­merk­sam, dass ich mir jede ihrer Ände­run­gen genau wür­de anse­hen müs­sen, die offen­sicht­lich rein um der Ände­rung wil­len vor­ge­nom­men waren. Es scheint unter Lek­to­ren ein Gesetz zu geben, dass da besagt, dass wäh­rend das Meer eine »shore« hat, Flüs­se »banks«, Seen aber »shores« wie »banks« haben kön­nen, und dass, was immer der Über­set­zer sich für das einen See säu­men­de Land zu neh­men ent­schei­det, geän­dert zu wer­den hat. Völ­lig unmög­lich, hier die Wahl des Lek­tors vor­weg­zu­neh­men. Als in die­sem spe­zi­el­len Fall mei­ne »banks« zur »shore« wur­den, hat­te ich sogar ein Foto gefun­den nebst einer Beschrei­bung des Sees, in dem Eva Braun und ihre Cou­si­ne baden gegan­gen waren. Und die­ser See ist fast aus­schließ­lich von nahe­zu ver­ti­kal aus dem Was­ser ragen­den Fel­sen umge­ben, und nicht von etwas, was man – selbst mit eini­ger Phan­ta­sie – als »shore« hät­te bezeich­nen wollen. 

Genau das war es, was mich Frau Bell hat ent­de­cken las­sen, die Erfah­rung, dass es völ­lig egal ist, wie vie­le Gedan­ken, wie viel Mühe man sich macht, es ist das spon­ta­ne Urteil eines Lek­to­ren, das zählt. 

Aber dar­um soll es hier gar nicht gehen. Ich habe bei der Lek­tü­re ihres Vor­trags zu mei­nem – zuge­ge­ben nai­ven – Erstau­nen fest­ge­stellt, dass über­haupt deut­sche Lite­ra­tur über Böll und Grass hin­aus ins Eng­li­sche über­tra­gen wird. 

Sibyl­le Knauss’ Evas Cou­si­ne hat Frau Bell über­setzt, Ger­trud »Traudl« Jun­ges, Bis zur Letz­ten Stun­de, Karin Duves Regen­ro­man, Otfried Preuß­lers Kra­bat und Cor­ne­lia Fun­kes Tin­ten­welt-Tri­lo­gie. Unter ande­ren. Viel­leicht soll­te man E. T. A. Hoff­manns Lebens­an­sich­ten des Katers Murr erwäh­nen und eine Rei­he von Wer­ken von Ste­fan Zweig.

Dem nicht genug, ist Anthea Bell eigent­lich berühmt für ihre Über­tra­gung der Aste­rix-Rei­he in die eng­li­sche Spra­che. Das gleich noch mal etwas, was sie für mich per­sön­lich inter­es­sant macht. Die deut­sche Ver­lags­welt wür­de einem das näm­lich nicht ver­zei­hen. Ich kann ein Lied davon sin­gen. Jahr­zehn­te schippt man die gesam­te eng­li­sche Spra­che für ein Slang­wör­ter­buch durch sein Sieb, weiß mehr als irgend­ei­ner in die­sem Land über den eng­li­schen Wort­schatz, ist aber nichts wei­ter als ein Stra­ßen­kö­ter, der Wör­ter­bü­cher über Umgangs­spra­che ver­fasst. Eine rein deut­sche Krank­heit, die­se Tren­nung, soviel ist klar.

Dass Anthea Bell Aste­rix – und ande­re Comics – über­setzt hat und trotz­dem rich­ti­ge Lite­ra­tur über­set­zen darf, dar­um benei­de ich sie – ohne jede Miss­gunst übri­gens, falls dass heu­te über­haupt noch jemand nach­voll­zie­hen kann.

Habe ich schon gesagt, dass sie die­ses Jahr einen OBE bekom­men hat, einen Order of the Bri­tish Empire, der in etwa unse­rem Bun­des­ver­dienst­kreuz ent­spricht? Mehr als eine Hand­voll Prei­se und Aus­zeich­nun­gen. Und die Gebrü­der Grimm

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