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Geht’s auch auf Deutsch – oder nur noch auf »Deut­sches­que«?

Nur zwi­schen­durch: Ich bin der Letz­te, der jeman­dem vor­schrei­ben möch­te, wie er sich aus­zu­drü­cken hat. Je viel­fäl­ti­ger, des­to bes­ser. Fata­ler­wei­se kratzt eine bestimm­te Ten­denz der deut­schen Spra­che an den Grund­la­gen mei­ner pope­li­gen Über­set­zer­exis­tenz. Und da ist für mich Schluss mit lus­tig, da hört für mich der Spaß auf … 

In lang­sam, aber sicher ban­ger Erwar­tung eines Manu­skripts, des­sen letz­te Fas­sung vom Jen­ner 2019 stammt, braucht der Über­set­zer sei­ne täg­li­che Dosis Mucke mehr denn je. Des­halb möch­te ich im Rah­men mei­nes Ver­suchs, aus mei­ner Gran­tel­ecke die­ses Jahr viel­leicht denn doch noch eine wöchent­li­che Ein­rich­tung zu machen, ein Arti­kel­chen bie­ten, das in einem klei­nen Plausch mei­ne Lieb­lings­the­men – lau­si­ges Deutsch auf der Basis lau­si­ger Über­set­zun­gen & Musik – vereint. 

Apar­te: Ein E‑Mail jeder Art freut mich natür­lich immer, aber ein – zudem weit­aus ein­fa­cher zu bewerk­stel­li­gen­der – Kom­men­tar (sie­he unten) wür­de auch ande­ren Leu­ten sagen, dass dass Gegran­tel zumin­dest eine Hand­voll Leu­te peri­pher interessiert… 

Aber zum Thema… 

So wie ich Tat­ort und Soko seit Jah­ren mit Stift & Zet­tel gucke, so samm­le ich als Über­set­zer auch das Deutsch von Musik­kri­ti­ken. Und fra­ge mich nach all den Jah­ren immer noch, wie­so man sich nicht viel­leicht ein­fach mal Tracks anhört, die der eng­li­sche Rezen­sent mit dem Adjek­tiv »chug­ging« bezeich­nen zu kön­nen meint, bevor man beim Über­set­zen – zumal von Musik­bü­chern – »chug­ging« has­te, was kanns­te ins Deut­sche zerrt. Ich hof­fe, ich kom­me im Lauf der Kolum­ne die­ses Jahr auch mal dazu, da näher drauf ein­zu­ge­hen, ohne dass man mir den Vor­wurf der »Kol­le­gen­schel­te« um die Backe haut. 

Aber: Gehen wir’s eine Num­mer klei­ner an, indem wir zum Anlass die­ser mei­ner ers­ten dies­jäh­ri­gen Fol­ge von »Geht’s auch auf Deutsch?« kom­men. Wie gesagt, ich brau­che mei­ne täg­li­che Musik, und wenn ich im Radio was höre, was mir gefällt, dann gehe ich auf 7digital und zieh mir das. (Kei­ne Ban­ge, ich bekom­me nichts für die­se Schleich­wer­bung & bei mei­nen paar getreu­en Lesern wür­de sich das für die Leut­chen dort auch nicht ren­tie­ren.) Der Grund, war­um ich dort kau­fe? Weil’s da Musik in echt guter Qua­li­tät gibt. Hier, falls es inter­es­siert, mei­ne jüngs­ten Errungenschaften: 

Jeden Anstoß an mei­nem eklek­ti­schen Geschmack dür­fen Sie ger­ne für sich behal­ten. Was Sie sich jedoch anse­hen soll­ten ist fol­gen­der Text, der sich auf den vor­let­zen mei­ner Käu­fe bezieht: 

Bevor ich auf die lau­si­ge – unter­stri­che­ne – For­mu­lie­rung ein­ge­he, erst mal mei­ne »musi­ka­li­sche», par­don, inhalt­li­che Kri­tik: Was zum Gei­er heißt, Alex Tur­ner habe damit tat­säch­lich »irgend­wie» Recht? Will sagen mit der Behaup­tung, Rock ’n’ Roll »is here to stay«, was Tur­ner ja wohl hier para­phra­siert. Ich ver­wei­se nur auf die jüngs­te »let­ze« Tour einer Band, die sich schon vor nun­mehr fast fünf­zig Jah­ren für die Bestän­dig­keit die­ses Gen­res ent­schul­digt hat: »It’s Only Rock ’n’ Roll but I Like It«. Und auf jede Gara­gen­band, die jetzt – in die­sem Augen­blick – Musik zu machen beginnt. Und wenn ich in die­sem Zusam­men­hang noch auf ein ande­res Album auf dem Screen­shot oben ver­wei­sen darf: Hören Sie sich mal Geor­ge Ben­sons Album Wal­king to New Orleans an, eine – um selbst mal eine abge­dro­sche­ne Kri­ti­ker­flos­kel zu bemü­hen – lie­be­vol­le Hom­mage (Wie­so haben wir Deut­schen hier eigent­lich zwei M?) an den Rock ’n’ Roll aus New Orleans. Ob aus­ge­rech­net die Shef­fiel­der Arc­tic Mon­keys mit die­sem Album den Beweis für die Lang­le­big­keit des Rock ’n’ Roll lie­fern, ist mehr als fraglich…

… zumal die Mucke auf der Plat­te eher eine, par­don, »chan­so­nes­que« – sprich schan­so­nes­ke – Schie­ne der Pop­mu­sik prä­sen­tiert, die »irgend­wie« eher in ers­ter Linie an David Bowies ein­schlä­gi­ge thea­tra­li­sche Arbei­ten erin­nert als an den guten alten Rock ’n’ Roll. Was zwar in die­sem Sin­ne irgend­wie eher was mit Ser­ge Gains­bourg zu tun hat als mit dem Chuck Ber­ry, Stones, Guns ’n Roses etc., aber doch wohl wirk­lich nur sehr, sehr theo­re­tisch. Ich höre in jedem Song Bowie, so wie ich in jedem Oasis-Song die Beat­les her­aus­hö­re. Tracks wie »Gol­den Trunks« oder »Four out of Five« mögen sich irgend­wo Anklän­ge an Alan Hawks­haws genia­le Arran­ge­ments für Gains­bourg erken­nen las­sen, damit hat es sich aber auch schon. Und was heißt »Jazz-Prä­zi­si­on«? Im Zusam­men­hang mit Gains­bourg. Der Gains­bourg, auf den der Autor die­ses Unfugs anspielt, war längst kein »Jaz­zer« mehr, falls es da frü­her mal Über­lap­pun­gen gege­ben haben soll­te, noch nicht mal mehr ein Chan­son­nier, son­dern ein genia­lisch abstru­ser Pop-Fabu­la­tor, der einen ganz eige­nen Weg ging, bevor er sich erst dem Reg­gae und dann dem Pop­rock zuwen­den soll­te. Der »Dia­bo­lik Boo­gie« von den eben­falls auf mei­ner Lis­te befind­li­chen sku­r­il­len Mes­ser Chups hat mehr von Melo­die Nel­son als irgend­et­was von den Arc­tic Mon­keys. Auf den Unfug, dass es über Punk und Gara­gen­sound hin­aus so etwas wie eine »unprä­zi­se« Musik geben soll­te, möch­te ich gar nicht erst ein­ge­hen. Und die merk­wür­di­ge »Unprä­zi­si­on« von Gabor Szabo, dem Letz­ten auf mei­nem Screen­shot, hat ihren ganz eige­nen Charme. Ist aber Jazz. Wol­len wir auf die feh­len­de »Prä­zi­si­on« beim Free Jazz eingehen? 

Aber um mal, nach­dem wir Gains­bourg als musi­ka­li­schen Stamm­va­ter die­ser LP ver­wor­fen haben, zum eigent­li­chen Man­ko der Rezen­si­on und damit zum eigent­li­chen The­ma der Kolum­ne zu kom­men: »Songs mit gewis­ser Ser­ge Gains­bourg-esque Jazz-Prä­zi­si­on«… WTF? Hier über­setzt doch ein Stüm­per von Über­set­zer einen Stüm­per von Kritiker. 

Natür­lich hat das Deut­sche in Anleh­nung an das ita­lie­ni­sche »-esco« und das fran­zö­si­sche »-esque« auch die endung »-esk«: gro­tesk, kaf­ka­esk, chap­line­sk, um nur ein paar Bei­spie­le zu nen­nen, und ent­spre­chend braucht es auch kein »Kaf­ka-esque« oder gar, um die Ana­lo­gie bei­zu­be­hal­ten, ein »Franz Kaf­ka-esque«. Und das gilt dop­pelt und drei­fach, wenn man so einen Begriff dekliniert. 

Wenn wir mal die unsin­ni­ge Aus­sa­ge an sich bei­sei­te las­sen, gäbe es die Mög­lich­keit einer »gains­bourg­schen«, sor­ry, Jazz-Prä­zi­si­on, so wie wir etwa auch von »marx­schem« Gedan­ken­gut spre­chen. Und wenn man schon meint, man ste­he nicht als der Doo­fel da, der man ist, wenn man des »-esque« bemüht, dann doch bit­te um alles in der Welt wenigs­tens »mit gewis­ser Ser­ge-Gains­bourg-esquer / Gains­bour­ges­quer « … Ach was, hören Sie auf… 

Aber um es kurz zu machen, mei­ne Theo­rie ist: Dum­me Leu­te hal­ten dumm aus dem Eng­li­schen gezerr­te Wen­dun­gen nun mal für schick, par­don, hip. Und das ist alles, was letzt­lich hin­ter so einem Unsinn steckt. Fatal ist nur, dass der­lei Plum­pa­quatsch eben dann gern mal von ähn­lich däm­lich gestrick­ten Dumpf­ba­cken nach­ge­plap­pert wird. 

Aber um zum Schluss zu kom­men, das Album von den Arc­tic Mon­keys ist pri­ma, auch wenn jeder Song an David Bowie erin­nert, lei­der aber ver­gess­li­cher ist als jeder Bowie-Song, den ich je gehört habe. Und wenn Ihnen der lei­der längst ver­bli­che­ne Ser­ge Gains­bourg gefällt, dann hören Sie sich mal Mick Har­veys irre gute eng­li­sche Ver­sio­nen davon an. Vier gan­ze Alben hat Nick Caves musi­ka­li­scher Side­kick dem Fran­zo­sen gewid­met! Und was für genial/kongeniale Inter­pre­ta­tio­nen. Schön ins Eng­li­sche über­setzt! Womit wir gleich dop­pelt beim The­ma wären. Und wo wir schon bei Nick Cave sind, das aller­ers­te Album auf mei­ner Lis­te oben ist eben­falls von einem Mit­strei­ter von Nick Cave: Bar­ry Adam­son. Groß­ar­tig! Mit dem gehe ich gra­de ins neue Jahr. 

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