Rap-Texte übersetzen ist frustrierend. Anders kann man das nicht sagen. Nicht nur weil die Teile auf Englisch sind. Es gibt einige weitere Faktoren, die für den Frust verantwortlich sind. Und dazu gehört heute noch nicht mal das Abhören. Früher saß man erst mal stundenlang da und hat so ein Teil abgehört. Mit anderen Worten am Plattenspieler endlos die Nadel zurückgesetzt. Oder Cassettenrecorder zurückgespult, bis es Bandsalat gab. Und das Wort Backup hatte man da noch nicht mal gehört. Heute hat man wenigstens das Web, wo sich eine Reihe von Leuten unendlich viel Mühe machen, für Lyrics zum Mitlesen zu sorgen. Nicht dass sie groß was davon haben außer weltweitem Gemaule, wenn mal was nicht stimmt. Aber das ist ein anderes Thema. Hier eine grobe kleine Einführung. Da lange Artikel heute kein Aas mehr liest, versuche ich die Geschichte mal in Fortsetzungen zu portionieren.
Was Rap-Texte über das Englische hinaus kompliziert, ist zunächst einmal, dass sie grundsätzlich von Dialektsprechern stammen. Wenn wir mal von amerikanischen Texten ausgehen, bedeutet das, dass wir es in der Regel mit dem schwarzamerikanischen Dialekt zu tun haben, der seinen Ursprung im Süden der USA hat; entsprechend ist er mit dem Dialekt der jeweiligen weißen Bevölkerung dort eng verwandt, unterscheidet sich aber dennoch von ihm. Die regionalen Unterschiede zwischen schwarzen Dialektsprechern in den Vereinigten Staaten sind eher gering. Das verleiht dem schwarzamerikanischen Dialekt aber die Besonderheit, dass er eben nicht an einer Region festzumachen ist wie andere Dialekte. Das liegt einfach daran, dass die Leute ihren Dialekt aus dem Süden mitgenommen haben.
Ich möchte hier nicht mit Fachausdrücken wie »African American Vernacular English« und dergleichen zur Sache gehen; das kompliziert das Ganze nur unnötig. Belassen wir es bei »Black English«, auch wenn das nicht so präzise ist. Oder, da wir ohnehin in Deutschland sind, nehmen wir einfach »schwarzamerikanischer Dialekt«, was ohnehin präziser ist. Völliger Bullshit ist ein Modebegriff wie »Ebonics«, der auch nicht von den Linguisten stammt, sondern von einer klugscheißenden, schönfärbenden politisch-korrekten Fraktion mit alles andere als wissenschaftlichen Zielen.
Wie auch immer, ein Dialekt ist eine Sprache mit eigenen Gesetzen. So hat ein Dialekt etwa eine eigene Grammatik. Deren Regeln sind nicht »falsch«; sie unterscheiden sich nur in vieler Hinsicht von denen des Standard. Ich bin in Oberbayern mit Sachen wie »der Teller«, »der Radio«, »der Kaugummi« aufgewachsen; das ist nicht falsch, es ist eben Bayerisch. Witzigerweise gibt einem das offensichtlich ein anderes Verständnis für das Problem mit auf den Weg.
Zum Dialekt kommt der Slang. Auch dieser hat als linguistische Kategorie seine Probleme, von denen hier im Blog bereits jede Menge angesprochen sind. Belassen wir es hier erst mal dabei, dass er in der Regel aus ständig neuen Begriffen besteht. Sie sind eine Art Modeartikel. Sie werden entweder von der Umgangssprache, vom »Colloquial English«, angenommen oder sie verschwinden wieder. Das einzige Problem, das hier kurz erwähnt sein soll, ist, dass eine etwas andere Definintion von Slang eben auch zu Wörtern und Wendungen geführt hat, die seit Jahrzehnten, wenn nicht gar Jahrhunderten Slang sind. Können wir später vielleicht mal drauf eingehen.
Eine weitere Gruppe wäre der »Jargon« gewisser Berufsgruppen und Szenen, der jedoch auch gern als »Slang« bezeichnet wird, aber mit der Gruppe vorn dran, also »Surfer Slang« oder »Drug Slang« etc.1
Schließen wir für den Anfang mal mit einem Beispiel aus einem blind heraus gegriffenen Text.
Like I said before, I ain’t got problems selling raw
Roll wit’ two grips and many clips
And I ain’t scared of ya’ll, shit, I just fear for ya’ll
That I might have to put one of these things in ya’ll.
Buddha Monk, »Sling Them Stones«
Sehen wir uns die problematischen Wörter mal näher an: »ain’t« ist hier Dialekt; es kann dummerweise auch »Slang« sein, aber nur wenn der Sprecher kein Dialektsprecher ist.2 Hier gehört es zum sprachlichen System. »Raw« dagegen ist ein Begriff aus dem Drogenmilieu und damit »Jargon« oder eben »Drug Slang«. Und damit »Slang«. Man könnte den Begriff auch der Unterwelt zuordnen, aber wie soll man im Falle von Drogen heute noch groß unterscheiden. »Roll with« im Sinne von »unterwegs sein« ist Slang, desgleichen »grips« (für Schusswaffen); »clips« (Magazine) gehören zum Wortschatz der Waffenbranche. »Y’all« (you all = you) ist wiederum Dialekt; es wird erst zum »Slang«, wenn es außerhalb des Dialekts Verwendung findet, z. B. bei all den weißen Vorstadtkindern, die Schwarze so imitieren. »Things«, hier für »Kugeln« bzw. »Geschosse«, um genau zu sein, da ja Kugeln heute nicht mehr verschossen werden. Na jedenfalls nicht aus Revolvern oder Pistolen. (Es ist wirklich nicht einfach.) »Things« ist wieder «Slang«.
Ich denke, das genügt mal fürs erste. Sie sehen, was ich mit frustrierend meine. Und es wird auch nicht einfacher, jedenfalls nicht was das Einordnen der einzelnen Wörter angeht.
Fortsetzung folgt.