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Ein Ame­ri­ka­ner in Brüs­sel prä­sen­tiert: die eier­le­gen­de Woll­milch­sau (2)

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Der jüngs­te Titel des ame­ri­ka­ni­schen Erfolgs­au­tors und uner­müd­li­chen »Welt­be­ra­ters« Jere­my Rif­kin Die Drit­te Indus­tri­el­le Revo­lu­ti­on: Die Zukunft der Wirt­schaft nach dem Atom­zeit­al­ter ruft, wie der Titel schon sagt, auf zu einer »drit­ten indus­tri­el­len Revo­lu­ti­on«, wie er Rif­kin das nennt. War­um er von einer sol­chen Drit­ten Indus­tri­el­len Revo­lu­ti­on spricht, das habe ich vor eini­ger Zeit hier bereits umris­sen. Wie aber stellt Rif­kin sich die­se Drit­te Indus­tri­el­le Revo­lu­ti­on ganz kon­kret vor?

Nun, Jere­my Rif­kin und sein Team, um das so knapp als mög­lich zu umrei­ßen, haben einen Fünf-Säu­len-Plan mit zwei­er­lei Ziel aus­ge­ar­bei­tet: Zum einen soll er durch die Ein­füh­rung des koh­len­stoff­frei­en Zeit­al­ters die Kli­ma­ka­ta­stro­phe abwen­den und damit letzt­lich die Spe­zi­es vor dem Aus­ster­ben bewah­ren; zum ande­ren soll er unse­re gute alte Markt­wirt­schaft wie­der in Schwung brin­gen, und sei es auch nur für ein aller­letz­tes Mal.

Aber wie sol­len sie denn nun aus­se­hen, die­se wun­der­sa­men fünf Säu­len der drit­ten und letz­ten indus­tri­el­len Revo­lu­ti­on? Nun, kurz gesagt:

  • Säu­le 1 besteht im Umstieg von koh­len­stoff­hal­ti­gen fos­si­len Brenn­stof­fen auf grü­ne, also erneu­er­ba­re Energien.
  • Säu­le 2 besteht in der Umwand­lung der welt­wei­ten Bau­sub­stanz in Mini- bzw. Mikro­kraft­wer­ken«, die vor Ort erneu­er­ba­re Ener­gien erzeu­gen und sammeln.
  • Säu­le 3 sieht die Auf­stel­lung von Was­ser­stoff- und ande­ren Ener­gie­spei­chern in jedem Gebäu­de und über die gan­ze Infra­struk­tur ver­teilt an Kno­ten­punk­ten zur Spei­che­rung von inter­mit­tie­ren­der Ener­gie vor; hier geht es dar­um, die »wei­chen«, also inter­mit­tie­ren­den Ener­gien zu spei­chern, um einen kon­ti­nu­ier­li­chen Nach­schub an grü­ner Ener­gie zu garantieren.
  • Säu­le 4 bringt nun das eigent­lich neue Ele­ment, das die Bemü­hun­gen erst zu einer drit­ten Indus­tril­len Rev­lu­ti­on wer­den lässt: die Nut­zung der Inter­net­tech­no­lo­gie, um das Strom­netz der Kon­ti­nen­te in ein Ener­gy-Sha­ring-Netz (Inter­grid) zu ver­wan­deln, das nach dem Mus­ter des Inter­nets arbei­tet (wenn Mil­lio­nen von Gebäu­den lokal klei­ne Men­gen von Ener­gie pro­du­zie­ren, kön­nen sie den Über­schuss ins Netz ver­kau­fen und elek­trisch mit ihren Nach­barn auf dem Kon­ti­nent tei­len); anders gesagt, Säu­le IV besteht in »der Nut­zung der Inter­net­tech­no­lo­gie zur Umstel­lung des Strom­net­zes auf ein intel­li­gen­tes Ver­sor­gungs­netz, in das Mil­lio­nen Men­schen selbst­er­zeug­ten grü­nen Strom ein­spei­sen kön­nen, um ihn – nach dem Vor­bild des Infor­ma­ti­ons­aus­tau­sches im Inter­net – mit ande­ren in einer Art quell­of­fe­nen All­men­de zu teilen.
  • Säu­le 5 schließ­lich besteht in der Umstel­lung der glo­ba­len Trans­port­flot­te – Pkw, Bus­se, Lkw, Züge – auf elek­tri­sche, von erneu­er­ba­ren Ener­gien aus Mil­lio­nen von Gebäu­den ange­trie­be­ne Steck­do­sen- und Brenn­stoff­zel­len­fahr­zeu­ge und die flä­chen­de­cken­de Ein­rich­tung von Ladestationen.

Von größ­ter Wich­tig­keit, das betont Rif­kin immer wie­der, sei dabei, alle die­se fünf Säu­len gleich­zei­tig auf­zu­bau­en; sonst habe das Gan­ze über­haupt kei­nen Sinn – jede der genann­ten Säu­len kann nur in Ver­bin­dung mit allen ande­ren funktionieren.

Welt­weit wird der Auf­bau die­ser fünf­säu­li­gen Infra­struk­tur »Hun­dert­tau­sen­de neu­er Unter­neh­men schaf­fen und Hun­der­te Mil­lio­nen neu­er Arbeits­plät­ze«. Aber der wah­re Mul­ti­pli­ka­tor­ef­fekt näm­lich tre­te eben erst ein, »wenn die Inter­ak­ti­on zwi­schen den ein­zel­nen Säu­len zu einem neu­en Para­dig­ma führt. Für sich genom­men wür­de jede der fünf Säu­len der DIR-Infra­struk­tur der Wirt­schaft ledig­lich einen mar­gi­na­len Mehr­wert brin­gen; nur ver­eint, in einem inter­ak­ti­ven Sys­tem, einem sich ent­wi­ckeln­den Orga­nis­mus, ver­hel­fen sie der neu­en Wirt­schaft zum Start«.

Es ist klar, dass die­se Säu­len staat­li­cher­seits abzu­seg­nen, gesetz­lich zu ver­an­kern und nicht zuletzt auch zu för­dern sind. Und beim Staat hat Rif­kin zu Hau­se bis­her am wenigs­ten Glück; er und sein Team haben die­se Stra­te­gie vor allem in Euro­pa ver­kau­fen kön­nen. Rif­kin ist Bera­tur der Euro­päi­schen Uni­on, die sei­ner Drit­ten Indus­tri­el­len Revo­lu­ti­on bereits grü­nes Licht gege­ben. Und ich als Über­set­zer konn­te mich bei der Arbeit eini­ge Male des Ver­dachts nicht erweh­ren, dass Rif­kin das Buch nicht nur als Werk­statt­be­richt und Zwi­schen­bi­lanz geschrie­ben hat, son­dern auch um sei­nen ame­ri­ka­ni­schen Lands­leu­ten die Fort­schrit­te Euro­pas auf dem Weg zu sei­ner Drit­ten Indus­tri­el­len Revo­lu­ti­on und damit in ein nach­hal­ti­ges Zeit­al­ter auf­zu­zei­gen. Er spricht vom »Inter­net-Prä­si­den­ten«, der nichts kapie­re; Washing­ton befin­de sich nach wie vor im Wür­ge­griff der Öllob­by; es bestehe durch­aus die Mög­lich­keit, dass Ame­ri­ka die fal­schen Ent­schei­dun­gen trifft und damit den Anschluss ver­passt. Rif­kin scheint durch­aus von der Absicht moti­viert, mit sei­ner Bilanz sei­nen Lands­leu­ten ihre Rück­stän­dig­keit und Eng­stir­nig­keit vor Augen zu führen.

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