So wie der Casablanca-Fan weiß, dass Rick nie »Play it again, Sam« gesagt hat, so weiß der Kenner des größten Detektivs aller Zeiten, dass Holmes nie ein »Elementary, Watson« über die Lippen kam. Und was sagt uns das über die neueste Inkarnation von Holmes & Watson im TV? Nun, messerscharf deduziert, nichts weiter, als dass Elementary nicht eben literarisch ausfallen wird. Was man natürlich auch von Guy Ritchies Übergriffen auf Conan-Doyle sagen könnte. Aber die sind bislang mehr als kurzweilig ausgefallen. Der neue Holmes wird allen dem Piloten entnehmbaren Indizien nach nicht mal ein Monk oder House. Einige ebenso flüchtige wie unsortierte Gedanken & Eindrücke zu Elementary oder dem neuesten Holmes.
Natürlich hat selbst ein altes Holmes-Groupie wie unsereins nix dagegen, wenn man den Detektiv im 21. Jahrhundert der Schirmmütze – nebst Mantel und Pfeife – beraubt. Und damit der etwas angestaubten heimeligen Putzigkeit. Und den etwas bräsigen Doktor Watson gleich mit umkrempelt. Wie in diesem Falle zur Frau. Ich meine, wir haben die Filme mit Basil Rathbone und die Serie mit Jeremy Brett. Und dazwischen jede Menge weiteres Zelluloid. Es kommt allein auf eines an: Vermag uns – und wenn ja, in welchem Maß – der jeweilige Holmes bzw. das Gespann Holmes-Watson zu amüsieren.
Okay, mal sehen. Amerikanische Serie, ja, aber Holmes ist Brite geblieben, wenn auch ein hochgradig tätowierter. Und als wir den, sagen wir mal, Mittdreißiger das erste Mal zu Gesicht bekommen, sehen wir ihn auch noch sagging, auf gut Deutsch die Unterhose guckt eine Handbreit aus der südwärts der Hüfte gerutschten Jeans. Na ja, geben wir ihm noch eine Chance. Und sei’s nur weil er Jonny Lee Miller, ein früher Ex von Angelica Jolie und der Sickboy aus Trainspotting, ist.
Watson führt sich beim Jogging ein, im Getümmel Manhattans, um es gleich zu sagen, und er ist kein bulliger Viktorianer mit Schnauzer, sondern ein Schmaltier mit nettem Hintern, sprich: eine schmächtige Sie. Joan Watson. Sie verstehen? John – Joan. Wink, wink, nudge, nudge. Aber wenn wir schon Holmes eine zweite Chance geben, warum nicht auch Lucy Liu, der unmanierlichen Kollegin von Ally McBeal.
Und wie die beiden zusammenfinden, erfahren wir auch gleich. Aber erst mal zurück zu Holmes. Was der in New York macht? Nun, im Prinzip ist er aus reiner Langeweile dort gelandet. Und wir wissen ja, wozu so ein rechter Ennui bei unserem Holmes führt: zu seiner siebenprozentigen Kokainlösung, klar. Offensichtlich hat Miller-Holmes seine ehrenamtliche Beraterposition bei Scotland Yard nicht ausgefüllt. Seiner fiesen Drogensucht leid, büxt er nach New York aus, wo er sich Captain Gregson von der New Yorker Stadtpolizei (NYPD) anbietet, den er von einem Gastspiel in England her kennt.
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Ah, sagen Sie jetzt, damit haben wir auch schon unseren Lestrade. Ja und nein. Also erst mal ist der Captain Aidan Quinn, immer wieder gern gesehen, jüngst als totkranker Flüchtling vor dem FBI in Across the Line. Und Aidan Quinn als Hanswurst? Nee, will man sich erst gar nicht vorstellen. Er ist eher Monks Stottlemeyer (sprich: Staddlmeier), eher noch unkomischer als der. Die Rolle des Lieferanten der Fehl- & Trugschlüsse bei den anstehenden Fällen fällt damit einem schwarzen Detective zu, der aber auch nur bedingt komisch wirkt. Eine weitere Parallelverschiebung, wo wir schon dabei sind: Witzigerweise trägt Aidan Quinn die Mütze, die man Holmes weggenommen hat. Na ja, eine Schirmmütze immerhin.
Wo waren wir? Ach ja, wie Juicy Lucy an Sickboy gerät. Nun, Holmes’ hat einen Vater, einen reichen obendrein, der nicht nur Sherlocks kosmopolitischen Lebenswandel zu finanzieren scheint1, sondern obendrein auch noch für einen Wachhund sorgt, der Sohnemann vor dem Griff in die Keksdose bewahren soll. Und dieser Anstandswauwau ist Joan Watson.
Dr. Joan Watson. Ja und nein. Wie Holmes schon beim ersten Treff klar wird, war sie mal Chirurgin, hat aber mal einen Patienten auf den Friedhof gepatzt, was sie berufsmäßig zur fachlich versierten Begleiterin betuchter Süchtiger werden ließ. Natürlich sagt Holmes ihr das nicht gleich ins Gesicht. Und als er es ihr schließlich später sagt, ist sie eingeschnappt und schmeißt die Brocken hin. Und er holt sie wieder zurück, blablabla…
Ach ja, und der Fall? Weiß nicht mehr. Irgendwer hat irgendjemanden umgebracht. Aus dem einen oder anderen Grund. Ein Hund von Baskerville war jedenfalls nicht dabei. Was womöglich auch die Schwäche der neuen Serie sein wird. Dass sie eben nur 08/15-TV-Serienfälle lösen wird, die Magnum und Rockford längst geklärt haben. Apropos Rocky, Angel, TC, Higgy-Baby und seine Jungs. Das Salz in der Suppe, die Nebenfiguren, die gehen ebenfalls ab. Noch nicht mal ’nen Schrotti hat Holmes. Dass er ein Dutzend Fernsehprogramme auf ebenso vielen Monitoren auf einmal guckt, ist nicht eben abendfüllend, auch wenn er hinterher die Dialoge aus den geschauten Soaps auswendig kann. Seine antisoziale Ader ist nicht annähernd so interessant wie die von House. Schon weil ihr dessen soziopathische Konsequenz abgeht. Captain Gregson hat eine irische Stammkneipe. Toll. Lucy erweist sich als ebenso interessierte wie brauchbare deduktive Stütze des Englishman in New York. Na ja. Eine physische Anziehungskraft zwischen dem Logiker und seiner Babysitterin wie zwischen Castle und Beckett? Hm. Erst mal (& erstmalig) hat Lucy das Sexappeal eines Knotenstocks. Aber andererseits: sie ist ja auch Watson. Und der hatte doch auch nix mit Holmes, so sparsam dessen Kontakte zum anderen Geschlecht auch waren. Und der neue Holmes hat es wohl sowieso eher ganz ungeniert mit stark tätowierten Huren2. Und das auch nur weil Körper & Verstand den fiesen Austausch von Körperflüssigkeiten benötigen, um zu funktionieren. Sagt er.
Und Google und Facebook benutzen wir auch.
Mal sehen wie sich das entwickelt, aber wie gesagt, den Indizien nach ist Holmes kein neuer Monk. Und auch kein House.3 Aber wie unser neuer Holmes selbst so schön sagt: »Sometimes I hate it when I’m right.«
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Lesen Sie doch wieder mal rein:
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Paar nette alte Trailer gefällig?