SlangGuy's Blog ...

Algo­rith­men, Syn­ony­me, Dumm­heit & Bücher­ver­bren­ner 2

Auch wenn es nie­man­den wirk­lich inter­es­siert, wer immer den Begriff »Kul­tur« im Mun­de führt, soll­te sich dar­über im Kla­ren sein, dass dar­un­ter die Spra­che eben­so fällt wie – wenigs­tens in unse­rern Brei­ten – die Frei­heit sich in ihr aus­zu­drü­cken. Und zwar so aus­zu­drü­cken, wie man es für rich­tig hält. Für die Über­set­zung bzw. den Über­set­zer erge­ben sich dar­aus eini­ge Pro­ble­me, die ihm selbst, jeden­falls dem Pro­fi, nicht eigent­lich wel­che sind. Sie wer­den ihm meist erst zu Pro­ble­men, wenn sie ihm der­je­ni­ge, der sei­ne Über­set­zung redi­giert, lek­to­riert – oder wie immrer sie die­se, so wie sie heu­te meist gehand­habt wird, herz­lich sinn­lo­se ABM-Maße­n­ah­me für Geschei­ter­te nen­nen wol­len – dazu macht.

Okay, wie neu­lich viel zu wort­reich1 ange­kün­digt, sol­len hier zwei Unsit­ten des Lek­to­rats ange­spro­chen sein, von denen die ers­te älter ist & womög­lich herz­lich – oder typisch – deutsch. Und vor allem haben wir anfangs womög­lich alle dar­an gelit­ten, Über­set­zer wie Lektoren.

So über­schrei­ben wir die­ses zwei­te Kapi­tel mal pla­ka­tiv mit »wohl­fei­le Syn­ony­me, schlich­te Dumm­heit & bücher­ver­bren­nen­des Nazi­tum«.

Exkurs: Und bevor hier einer dumm rum­re­det: Um ein Nazi zu sein, brau­chen Sie nicht irgend­wann mal ein Par­tei­buch gehabt zu haben oder heu­te der für Ihren Gau zustän­di­gen Orts­grup­pe des NSU anzu­ge­hö­ren. Es ist heu­te ein prak­ti­sches Schimpf­wort, das P1260218_bgenau das sagt, was sich jeder dar­un­ter vor­stellt, auch wenn er sich so gar nicht betrof­fen fühlt, aber eben doch einer ist.2

Wir waren alle in der Schu­le, ich den­ke hier in ers­ter Linie ans Gym­na­si­um, wir hat­ten alle Deutsch­un­ter­richt, wir alle haben gelernt, dass es sti­lis­tisch nicht den Regeln der Kunst ent­spricht, sich im Auf­satz wort­schatz­tech­nisch zu wie­der­ho­len. Oder wenigs­tens nicht unmit­tel­bar hin­ter­ein­an­der. Oder was auch immer. Ist auch egal. Wor­auf ich hin­aus will: Wir beka­men in die­sem Zusam­men­hang damals von so genann­ten »Syn­ony­men« zu hören…

Syn­onym n. ‘einem ande­ren ganz oder teil­wei­se in Bedeu­tung und Gebrauch ent­spre­chen­des Wort’, Ent­leh­nung (Ende 15. Jh., bis ins 18. Jh. in griech.-lat. Fle­xi­on) von gleich­bed. spät­lat. syn­ōny­mum, syn­ōny­mon, griech. syn­ṓny­mon (συνώνυμον), dem sub­stan­ti­vier­ten Neu­trum von griech. syn­ṓny­mos (συνώνυμος) ‘von glei­chem Namen, von glei­cher Bedeu­tung’; vgl. griech. óny­ma (ὄνυμα), Neben­form von óno­ma (ὄνομα) ‘Name’ (ver­wandt mit Name, s. d.). – syn­onym Adj. ‘sinn­ver­wandt, von glei­cher oder ähn­li­cher Bedeu­tung’ (Anfang 19. Jh.), älter syn­ony­misch (Mit­te 18. Jh.).3

…  und dass der Ein­satz die­ser Syn­ony­me gut und des­halb immer der Wie­der­ho­lung vor­zu­zie­hen sei. Das geschah in der an sich gewiss nicht schlech­ten Absicht, uns ein gewis­ses Stil­emp­fin­den ein­zu­b­läu­en. Die Absicht erreich­te für mich aller­dings schon sei­ner­zeit rasch die Gren­zen, als das am Bei­spiel von Wet­ter­be­richt oder Sport­re­por­ta­ge ein­ge­übt wur­de, deren Syn­ony­mik rasch mal über die Gren­ze ins Gezwun­ge­ne und damit sti­lis­tisch Frag­wür­di­ge tappt. Es spielt da also durch­aus ein per­sön­li­ches Ele­ment mit, das dar­über bestimmt, in wel­chem Maße man das betreibt und mit wel­chen Syn­ony­men man arbei­ten will und vor allem wo. Kurz­um, es liegt im Ermes­sen des Autors.

Nun, ich erin­ne­re mich dran, dass damals im AFN, dem Sen­der der ame­ri­ka­ni­schen Streit­kräf­te, der einem sei­ner­zeit hier­zu­lan­de das ein­zi­ge durch­ge­hend eng­lisch­spra­chi­ge Pro­gramm bescher­te und bei dem sich Ver­ständ­nis und Anwen­dung der eng­li­schen Spra­che ein­üben ließ, die Bericht­erstat­tung über die Sport­er­geb­nis­se mit Dut­zen­den von Syn­ony­men für »besie­gen«, »unter­lie­gen« bzw. »gewin­nen« und »ver­lie­ren« gespickt war. Und ich erin­ne­re mich, dass das damals im dia­me­tra­len Gegen­satz zu einem Gut­teil eng­lisch­spra­chi­ger Lite­ra­tur stand, die man so las. Anders gesagt, wäh­rend im AFN von »ban­jax«; »blast«, »blitz«, »clob­ber«, »cream«, »mur­der», »nuke«, »shel­lac», »sock«, »steam­rol­ler«, »wal­lop», »was­te« oder »zap« – um nur eine Hand­voll zu nen­nen – die Rede war, wenn es dar­um ging, dass eine Mann­schaft ihren Geg­ner besiegt hat, so hieß es in besag­ten Büchern statt aller nur erdenk­li­cher Syn­ony­me für ver­ba­le Äuße­run­gen eben immer nur »he said« oder »she said«.

P1260220_bDer Autor woll­te es so; soll­te kei­ner auf die Idee kom­men, jemand der ein Buch schreibt, sei nicht imstan­de, sprich ein­fach zu blö­de, statt »he said« ange­fan­gen von »he asked« irgend­ei­nes der zahl­rei­chen Syn­ony­me für ver­ba­le Äuße­run­gen her­zu­neh­men. Ich möch­te hier jetzt nicht Heming­way anfüh­ren, nicht zuletzt des­halb weil das der ein­zi­ge Name ist, der auch jedem der oben ange­spro­chen Nazis in den Mund fällt, wenn er sein nicht zu recht­fer­ti­gen­des Tun recht­fer­ti­gen will.  (Nicht dass so eine Lusche einem tat­säch­lich etwas über Heming­ways Stil zu sagen ver­möch­te; es ist ein­fach der Name, von dem man in die­sem Zusam­men­hang mal gehört hat).

Neh­men wir den Autor, der die letz­ten 50 Jah­re für gut geschrie­be­ne, regel­mä­ßig in gut 30 Spra­chen über­setz­te Kri­mi­nal­ro­ma­ne stand: Elmo­re Leo­nard. Mitt­ler­wei­le lei­der nicht mehr unter uns, hat Leo­nard sein Erfolgs­re­zept der Nach­welt zur Kennt­nis­nah­me in 10 gol­de­nen Regeln zusam­men­ge­fasst:

1. Never open a book with weather.
2. Avo­id prologues.
3. Never use a verb other than “said” to car­ry dialogue.
4. Never use an adverb to modi­fy the verb “said”…he admo­nis­hed gravely.
5. Keep your excla­ma­ti­on points under con­trol. You are allo­wed no more than two or three per 100,000 words of prose.
6. Never use the words “sud­den­ly” or “all hell bro­ke loose.”
7. Use regio­nal dialect, patois, sparingly.
8. Avo­id detail­ed descrip­ti­ons of characters.
9. Don’t go into gre­at detail describ­ing places and things.
10. Try to lea­ve out the part that rea­ders tend to skip.

My most important rule is one that sums up the 10.
If it sounds like wri­ting, I rewri­te it.4

Okay, ob Sie dem im Einhzel­nen nun zustim­men oder nicht… Nicht? (Wie vie­le Mil­lio­nen Auf­la­ge haben Ihre Wer­ke durch­schnitt­lich so? Und in wie vie­len Spra­chen? Ach, Sie haben noch nichts ver­öf­fent­lich? Das dach­te ich mir.) Ob man dem nun P1260708_bzustimmt oder nicht, der Mann hat bewie­sen, dass er weiß, wovon er spricht – im Gegen­satz zu irgend­ei­nem Deutsch­leh­rer, mit ich je zu tun hat­te. (Na gut, außer unse­rem frän­ki­schen Lokal­ma­ta­dor Fitz­ge­rald Kusz, aber der hat nur bei uns am Gym­na­si­um Deutsch gege­ben, Unter­richt hat­te ich bei ihm lei­der nie.)

Und apro­pos Deutsch­un­ter­richt: Falls Ihnen irgen­wann wäh­rend des bis­her Gesag­ten auch nur der Gedan­ke »Tri­vi­al­li­te­ra­tur« gekom­men sein soll­te, dann haben Sie hier nix ver­lo­ren und schon gleich gar nichts im Über­set­zer­be­ruf oder als Lek­tor / Redak­teur.5 Gera­de auf die letz­te Zei­le – »If it sounds like wri­ting, I rewri­te it.« – kom­men wir in die­sem Kon­text noch zurück.

Nun hat­te ich neu­lich hier einen ame­ri­ka­ni­schen Roman vor mir, im Ori­gi­nal & in deut­scher Über­set­zung (ich samm­le sol­che Pär­chen), und in dem war nun das »he / she said« eben nicht mit »sag­te er / sie« über­setzt, son­dern die­ses auf die pene­tran­tes­te Wei­se durch »ant­wor­te­te«, »ent­geg­ne­te«, »erwi­der­te«, »kon­ter­te«, nun, schla­gen Sie in einem belie­bi­gen Syn­onym­wör­ter­buch nach, Sie wer­den Sie alle­samt finden.

P1260779_bNicht nur liest sich das so pene­trant beschis­sen, dass sich der betref­fen­de Schmier­ant von Über­set­zer bzw. Redak­teur6 selbst sti­lis­tisch, geschmack­lich, lite­ra­risch & über­haupt intel­li­genz­tech­nisch dis­qua­li­fi­ziert, Sie wer­den die Palet­te von bil­li­gem Wort­er­satz in jedem Syn­onym­wör­ter­buch fin­den. Was die gan­ze Geschich­te ja nun wirk­lich zu einer Übung in eben­so wohl­fei­lem wie hirn­lo­sem Gespren­kel macht.

Und ja, als ich zu über­set­zen anfing, war ich – unter dem Ein­fluss besag­ter Gym­na­si­al­bil­dung (man wird ja da so gescheit gemacht) – selbst ver­sucht, hier und da was ande­res zu neh­men als »sag­te er / sie«. Aber selbst damals war ich a) bereits nur »hier & da« ver­sucht, und ich habe mich b) oben­drein in den aller­meis­ten Fäl­len dann auch wie­der beherrscht. Ich will hier nur sagen, erklä­ren, kund­tun, dar­auf hin­wei­sen, klar- & fest­stel­len, ich weiß um die­sen Impuls zum Klug­schei­ßen, ken­ne ihn, habe ihn erfah­ren, habe mich mehr oder weni­ger erfolg­reich sei­ner erwehrt.

Die­ser Impuls ist so offen­sicht­lich der des blu­ti­gen Anfän­gers. Man ver­liert ihn näm­lich als Pro­fi nicht nur mit der Zeit, es kommt irgend­wann ein Augen­blick, den so ein dum­mer Ober­leh­rer (um ein Haar hät­te ich gesagt: »so ein dum­mes Stück Ober­leh­rer­schei­ße«, aber, wie gesagt. Impuls­kon­trol­le), kommt irgend­wann ein Augen­blick, in dem einem die schlich­te Schön­heit von »sag­te er« / »sag­te sie« auf­ge­hen wird. Wenn das dann auch noch rich­tig ein­ge­setzt ist…

Das wird wie­der zu lang hier. So geht’s denn das nächs­te mal wei­ter, was das alles mit Nazis zu tun hat.

  1. Sie haben’s trotz­dem nicht kapiert, geben Sie’s zu. []
  2. Schau­en Sie ruhig mal wie­der in Her­bert Pfeif­fers Das gro­ße Schimpf­wör­ter­buch, das sie in einer sei­ner diver­sen Aus­ga­ben ins Regal eines jeden Kul­tur­men­schen gehört. []
  3. http://www.dwds.de/?qu=Synonym []
  4. http://www.writingclasses.com/InformationPages/index.php/PageID/304 []
  5. Ich hat­te mal mit so einer Dumm­ba­cke – Sie sehen, ich beherr­sche mich: Ich woll­te wie­der mal »dum­mes Stück Analpha­be­ten­schei­ße schrei­ben«, neh­men Sie sich ein Bei­spiel an mir, ich hat­te mal mit einer Dumpf­ba­cke zu tun, der ich auf zig DIN A4-Sei­ten gedul­dig den Mist zu erklä­ren ver­such­te, den er da ver­bro­chen hat­te. Nicht nur hat mich der Scheiß­kerl einen »Ober­leh­rer« geschimpft, als ich ihm sag­te, er müss­te sti­lils­tisch sowohl Grass als auch Sim­mel drauf­ha­ben, mein­te der Schwach­kopf: »Na, wenn Sie Sim­mel lesen.« Wenn ich mal schlecht auf­ge­legt bin, such ich sei­nen Mist mal raus & mache hier eine Serie draus. []
  6. Ich nen­ne hier kei­ne Namen, da ich nicht weiß, wer die­sen Dreck zu ver­ant­wor­ten hat. []

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