Das Bostoner Attentat als Whodunit
Worin unterscheidet sich der Anschlag an der Ziellinie des Bostoner Marathons von praktisch allen anderen Attentaten unseres beginnenden Jahrhunderts? Nun, offensichtlich zunächst einmal darin, dass sich bislang niemand dazu bekannt hat. Und natürlich hat man auch keinen Selbstmordattentäter, aus dessen Person sich Rückschlüsse auf die Motive ziehen ließen. Und dann natürlich dadurch, dass – so zynisch sich das anhören mag – für heutige amerikanische Verhältnisse die Zahl der Todesopfer, und die zählen nun mal, hinter dem längst Gewohnten zurückbleibt. Und schließlich auch dadurch, dass keine Schusswaffen mit im Spiel waren. Gerade Letzteres führt dazu, dass sich erst gar keiner genötigt sieht, die langsam alberne Diskussion um Amerikas Schusswaffengesetze aufzugreifen. Man kann also direkt zum Cluedo-Teil, zum Rätselraten um die Täterschaft übergehen. Und, um ein eher selten genutztes Krimi-Element einzuführen, zur Hoffnung, dass der oder der es nicht war …
Krimifreunde wissen um die Maxime, dem Leser seien sämtliche Details nebst in Frage kommendem Personal eines Verbrechens zu präsentieren. Im Falle des Attentats von Boston ist in dieser Hinsicht das Spielfeld offen und groß; sämtliche üblichen Verdächtigen kommen in Frage. Alles, was man hat, sind Teile der Mordwerkzeuge. Ähnlich wie in Cluedo Rohrzange, Kerzenleuchter, Strick etc. Der Tatort ist natürlich auch bekannt, logisch. Da wird schon mal – besonders hierzulande – viel reingelesen und ganz offenbar überinterpretiert, was Boston angeht. Und natürlich haben wir die Tatzeit: den Patriot’s Day. Noch mehr Interpretation in deutschen Blättern, wo offenbar in Amerika diesen Feiertag kaum einer kennt und in Boston praktisch nur von einem »Marathon Monday« die Rede zu sein scheint. Ob so etwas zum bzw. zu den Tätern führt, ist mehr als fraglich. (mehr …)