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Deut­scher Slang à la 1892 (23)

Im Mosa­ik mei­ner Bemü­hun­gen, ein Bild des­sen zu ver­mit­teln, was wir – heu­te und his­to­risch – als »Slang« bezeich­nen, möch­te ich hier eine der ers­ten Samm­lun­gen vor­stel­len, die – nach eng­li­schem Vor­bild – unter die­sem Begriff für die deut­sche Spra­che zusam­men­ge­tra­gen wur­den. Die Ein­lei­tung die­ser Samm­lung ist eben­so inter­es­sant wie auf­schluss­reich. Sie ist außer­dem einer der ers­ten Bele­ge für die Aner­kennt­nis einer gesamt­deut­schen Umgangs­spra­che, an die wir im Augen­blick, dank des Inter­nets, in rasen­dem Tem­po letz­te Hand anzu­le­gen schei­nen. Ich per­sön­lich neh­me das Fol­gen­de als ers­tes Kapi­tel mei­ner Mis­si­on, mehr Umgangs­spra­che aus allen deut­schen Gegen­den bei der Über­set­zung aus Fremd­spra­chen zu verwenden.

Das Vor­wort zu Arnold Gen­thes, Deut­sches Slang habe ich bereits hier vor­ge­stellt. Ich möch­te im Lau­fe der nächs­ten Zeit die Samm­lung selbst vor­stel­len. Inter­es­sant dabei ist, dass Gen­the 1892 kaum ein Wort bzw. eine Wen­dung bringt, die wir nicht auch heu­te noch als soli­des Umgangs­deutsch bezeich­nen wür­den. Um der Samm­lung etwas mehr Gewicht zu geben, wer­de ich den einen oder ande­ren Ein­trag durch einen Blick in ande­re Wör­ter­bü­cher oder ins Inter­net aus­füh­ren bzw. kom­men­tie­ren. Das kann durch­aus dau­ern, schließ­lich muß ich das in Frak­tur gehal­te­ne Bänd­chen müh­sam abtip­pen, lässt sich aller­dings beschleu­ni­gen, wenn die Leser hier Inter­es­se an den ein­schlä­gi­gen Sei­ten haben…

Arnold Gen­the, Deut­sches Slang

Eine Samm­lung fami­liä­rer Aus­drü­cke und Redensarten
Straß­burg: Ver­lag von Karl J. Trüb­ner, 1892.

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Fort­set­zung von hier.

[Sei­te 44]

44 pru­schen — puterrot.

pru­schen, v. int., nie­sen, schnauben.

prus­ten, v. int., 1. nie­sen, schnau­ben; 2. ein Lachen nicht mehr unter­drü­cken kön­nen, mit Hef­tig­keit los­la­chenz; in letz­te­rer Bedeu­tung gew. los­prus­ten (s. d.).

Pudel, m., Fehl­schuß Fehl­wurf, fal­scher Ruder­schlag, über­haupt Ver­se­hen; pudeln, v. int., einen Pudel machen = einen Fehl­schuß etc. machen (s. ver­pu­deln, v. tr.).

ver­pu­deln, verb. (was­ser) ver­schüt­ten, mund­art­lich z. b. in West­deutsch­land (Wet­ter­au). über­tra­gen, ver­der­ben: um ein haar war die zeich­nung ver­pu­delt. Göthe in Göthe — Steins briefw. 1, 53; sich ver­pu­deln, sich irren: heut zu tage musz, wenn der autor sich ver­pu­delt hat, ein ordent­li­cher buch­bin­der ein bischen auf das ver­ständ­nisz wir­ken. Immer­mann Münchh. 1, 44 (Ber­lin 1858).1

ver­pu­deln: 1. ver­pu­del­te Höər wir­res Haar Rees-Hamminkeln. —
2. a. etwas v., ver­säu­men, unter­las­sen, ver­feh­len, ver­pfu­schen, ver­der­ben Allg. —
b. Was­ser v., ver­plan­schen Rhfrk.2

pudel­när­risch, a., kin­disch, über­trie­ben lus­tig, ausgelassen.

Puff, m., Stoß, Schlag; Red.: einen guten Puff ver­tra­gen kön­nen = wider­stands­fä­hig sein (von Per­so­nen und Sachen); puf­fen, v. tr., stoßen.

Pul­le, f., Flasche.

Pum­mel, m., klei­ner, dicker Mensch; oft als Schmei­chel­wort: süßer Pum­mel; pum­me­lig, a., rund­lich, niedlich.

Pump, m., l. das Geld­bor­gen; 2. Cre­dit; z. B.: bei dem habe ich kei­nen Pump mehr; auf Pump leben = nur auf Cre­dit leben.

pum­pen, v. tr. u. int., Geld bor­gen (s. anpum­pen, v. tr. ).

Pup­pen, pl., 1. Red.: das geht über die Pup­pen, das geht über das Erlaub­te (über den Spaß); 2. bis in die Pup­pen = unbe­grenzt (von der Zeit), immer­fort, ad infinitum.

Das geht bis an (über) die Pup­pen. (Ber­lin.) Die Redens­art rührt von den Sand­stein­fi­gu­ren am soge­nann­ten Gros­sen Stern im Thier­gar­ten zu Ber­lin, wel­che frü­her dort stan­den und bezog sich ledig­lich auf die Ent­fer­nung. Fuhr man, so kam die­se nicht in Betracht. Beim Gehen wur­de sie als beträcht­lich bezeich­net und bald auf ande­re Ent­fer­nun­gen über­tra­gen, spä­ter in der jet­zi­gen Bedeu­tung gebraucht. In älte­rer Zeit wur­den jene Figu­ren Pup­pen genannt. In einer hand­schrift­li­chen Mitt­hei­lung eines gebo­re­nen Ber­li­ners (Dr. W. Führ­bö­ter, gestor­ben 13. Febr. 1872 in Hirsch­berg), der aber seit 40 Jah­ren sei­ne Vater­stadt und die Pup­pen nicht mehr gese­hen hat, heisst es: »Von Ber­lin nach Char­lot­ten­burg führt durch den Thier­gar­ten eine Chaus­see.« Etwas über der Hälf­te des Wegs befin­det sich ein mit Bän­ken besetz­ter run­der Platz, der jetzt unter dem Namen »der gros­se Stern« bekannt ist, die der bekann­te Archi­tekt Frei­herr von Kno­bels­dorff mit fran­zö­si­schen Hecken umgab und an deren acht ein­mün­den­den Alleen er mytho­lo­gi­sche Sta­tu­en auf­stell­te, die man, ich weiss nicht aus wel­chem Grun­de, Pup­pen nann­te. »In den Sonn­aben­den macht der Ber­li­ner gern einen Spa­zier­gang bis nach den ›Pup­pen‹, und, rei­chen die Kräf­te, auch noch wei­ter, dar­über hin­aus.« Kehr­te er ermü­det zurück, so klag­te er, er sei noch hin­ter den Pup­pen gewe­sen. Woll­te man nun im gesel­li­gen Ver­kehr etwas räum­lich oder geis­tig Fern­lie­gen­des bezeich­nen; so sag­te man: Das geht ja hin­ter oder über die Pup­pen (hin­aus). – Seit Auf­stel­lung der Mar­mor­sta­tu­en auf der Schloss­brü­cke zu Ber­lin, die vom Vol­ke auch Pup­pen genannt wer­den, hat man von der alten Redens­art noch eine ande­re Anwen­dung gemacht. Man nahm bekannt­lich an der unge­wohn­ten Auf­stel­lung der nack­ten Figu­ren Anstoss. Ging nun ein Mäd­chen sehr frei geklei­det, so hiess es, das geht noch über die Pup­pen. (Büch­mann, 6. Aufl., 231.)3

pup­pern, v. int., schnell klop­fen, ängst­lich schla­gen (vom Her­zen). pup­pern, verb. was pop­pern 2 (vergl. DWB pfup­fern) Pfis­ter nachtr. zu Vil­mar 213; mir pup­pert das herz. Frisch­bier preusz. wb. 2, 190; so pup­pert herz und steis. Bür­ger (1778) 133; von anfang hat mir ein bis­le das herz pup­pert. Auer­bach ges. schrif­ten 1, 326; der wind pup­pert im ofen Bernd Posen 224b; nord­thü­rin­gisch den pup­perts, der ist unru­hig, unge­dul­dig Klee­mann 16a; mit klei­nig­kei­ten sich beschäf­ti­gen, unsi­cher etwas ver­rich­ten: pup­pe­re doch nicht so lan­ge! Molt­ke sprach­wart 1866 s. 350 (aus der umge­gend von Erfurt).4

Bei uns in Bay­ern pup­pern die Her­zen übri­gens nicht, sie pum­pern.

pum­pern, verb., ite­ra­tiv zu pum­pen 1, mhd. pum­pern püm­pern, häm­mern, pochen, lär­mend fal­len (Lexer 2, 309), bair. östr. pum­pern, durch klop­fen, sto­szen, fal­len u. s. w. einen dump­fen schall ver­ur­sa­chen Schm.2 1, 391. Lexer kärnt. wb. 46. Schöpf 520; vom schal­le des don­ners und geschüt­zes: die don­ner­schlä­ge ver­wi­ckel­ten sich inein­an­der, dasz weder anfang noch ende wahr­zu­neh­men blieb … das pum­pert ein wenig anders als unser schwe­res geschütz. Hol­tei Lammf.2 1, 155; nie­der­schwäb. das (gro­sze) geschütz pom­pe­ret Bir­lin­ger 97b; in der kin­der­spra­che auch pede­re (vgl. DWB pum­per 1, b).5

pur­zeln, v. int., umfal­len, hinfallen.

Puschel, f., Quaste.

Pusel, m., Schmei­chel­wort (bes. für Mäd­chen und Kin­der): süßer Pusel: klei­nes Puselchen.

pus­sie­ren, v. tr., jem. den Hof machen, die Kur schnei­den, (mit jem. pus­sie­ren = mit jem. koket­tie­ren); Puss­a­de, f., die­je­ni­ge, wel­che ›pus­siert‹ wird; Pus­sier­hengst, m., einer, der im Pus­sie­ren groß ist.

Pus­te, f., Atem; mir geht die Pus­te aus.

puter­rot a., rot wie ein Puter.

pütt­che­rig — Quatsch. 45

pütt­che­rig, a., 1. über­trie­ben sorg­fäl­tig, peni­bel; 2. son­der­bar, ver­rückt, nicht ganz bei Verstand.

Putt­hahn m., Putt­huhn n., Kin­der­wort für Hahn und Hohn.

put­zig, a., drol­lig, komisch, pos­sier­lich, sonderbar.

*

quab­be­lig, a., fett und weich, flei­schig; das, was vor Fett in zit­ternd, schau­keln­de Bewe­gung gerät, wenn es erschüt­tert wird.

Quacke­lei f., unnüt­zes unbe­grün­de­tes Gere­de; quack­len v. int., unnüt­ze über­flüs­si­ge Redens­ar­ten machen; quacke­lig, a., Sub­st. Quackel­fritz, ‑lot­te. (s. Gequackel)

Oua­drat­schä­del, m., Schimpf­na­me für einen starr­köp­fi­gen und beschränk­ten Menschen.

Quäl­geist, m., einer, der mit Bit­ten, Dran­gen nicht aufhört.

quän­geln, v. int., l. unzu­frie­den sein, an etw. Klei­nig­kei­ten tadeln; 2. wie­der­holt, drin­gend bit­ten, z. B.: er quän­gel­te so lan­ge, bis ich end­lich sei­nen Wunsch erfüllte.

Quark, m., gleich­gül­ti­ge, unbe­deu­ten­de Sache.

quar­ren, v. int., aus Unzu­frie­den­heit wei­nen, wei­ner­lich mur­ren, brum­men (bes. von Kin­dern); gut­ar­tig, a., wei­ner­lich wie ein klei­nes Kind, grund­los kla­gend; Quarr­lot­te etc. (s. Gequarre.)

qua­seln v. int., ver­wor­re­nes Zeug, viel und unnütz reden; qua­se­lig, a., Qua­sel­fritz etc.; (s. Gequasel.)

qua­seln das Wort, zu nd. quas­seln < dwas ‘töricht’, ist Rip (kei­ne Bele­ge aus Malm, Monsch, Aach), Nfrk allg. [dazu noch Rhfrk, Mos­frk aus Birkf, Wend-Nah­bol­lenb Rei­chenb, Ottw-Uch­tel­fang, Saarbr-Bild­stock Breb­ch, Saarl-Berus Roden Über­herrn, Saarbg-NLeu­ken, Trier-Stdt (-ā-), Bitb-Irrel Wiersd, Prüm-Burb, Simm-Kel­lenb, Goar-Trech­tin­ghsn NFell, Koch-Stdt, Kobl-Met­ter­nich Weis­sen­thurm Bend, Neuw-Dat­z­eroth Dierd, Altk-Sei­fen, Siegld], u. zwar ‑az- [in Heinsb auch ‑āz-; in Klev ‑az- u. ‑ā-; Rhfrk (s. o.), Siegld ‑as-] schw.:
1. lang­wei­lig, gezo­gen spre­chen; viel u. unsin­nig schwät­zen; ohne rech­ten Zusam­men­hang daher­spre­chen; qua­sel net! nur kei­ne Aus­flüch­te; qua­sel net, sag de Woh­r­het; sech jet zesam­me­qu. (zerech­qu.); de qua­selt jet doher; enen Onsenn (domm Züg, Dom­me­rei­en) qu.; sech de Mul fuse­lig qu. Rip, Allg. —
2. a. im Wachs­tum nicht vor­an­schrei­ten, krän­keln, von Pflan­zen, Tie­ren, Men­schen Ahrw-Hep­ping, Köln-Brück, Düss-Rating. —
b. alles nur halb tun; unsau­ber arbei­ten Sieg, Wippf-Pütz. —
c. sich her­um­trei­ben Sieg-Ägid. — Abl.: die Quasel(er)ei, dat Gequasel(s), der Qua­se­ler, die Qua­se­lersch, sech zer­qu.6

quas­seln, verb., nd. unver­ständ­lich oder unver­nünf­tig, ohne über­le­gung spre­chen oder han­deln Scham­bach 163b (mit quas­selær, quas­selîe, quas­se­lig). Dann­eil 44b, leip­zi­ge­risch schwat­zen (mit quas­se­lei, der quas­se­lig, das geschwätz) Albrecht 188a. vgl. das ers­te qua­sen und quat­scheln 2, quat­schen 3.7

Quatsch m., 1. Schmutz, dick­flüs­si­ger Brei; quatsch! zur Bezeich­nung des Schal­les, den ein wei­cher, nas­ser Kör­per beim Fal­len ver­ur­sacht: quat­schen, v. int., zur Bezeich­nung des Lau­tes, den eine feuch­te, wei­che Mas­se hören läßt, wenn man in der­sel­ben geht oder han­tiert, z. B. feuch­ter Lehm quatscht, eben­so über­nas­ses Schuh­werk; quat­schen­aß a., so naß, daß es quatscht;

46 Que­se — Rand.

2. Quatsch = alber­nes Zeug; quat­schen, v. int., alber­nes, dum­mes Zeug, Unsinn reden; dazu quatsch adj., z. B.: eine quat­sche Geschich­te; Quatsch­kopf (s. Gequat­sche, n).

Fort­set­zung folgt hier.

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  1. Deut­sches Wör­ter­buch von Jacob Grimm und Wil­helm Grimm: ver­pu­deln bis ver­pus­ten (Bd. 25, Sp. 977 bis 978) []
  2. Rhei­ni­sches Wör­ter­buch, ver­pu­deln bis pude­rig (Bd. 6, Sp. 1163 bis 1164) []
  3. Deut­sches Sprich­wör­ter-Lexi­con von Karl Fried­rich Wil­helm Wan­der, Pup­pe bis Pur­pur (Bd. , Sp.) []
  4. Deut­sches Wör­ter­buch von Jacob Grimm und Wil­helm Grimm, pup­pern bis pur­gie­rung (Bd. 13, Sp. 2251 bis 2254) []
  5. Deut­sches Wör­ter­buch von Jacob Grimm und Wil­helm Grimm, pum­pern bis püm­plein (Bd. 13, Sp. 2231 bis 2232) []
  6. Rhei­ni­sches Wör­ter­buch, qua­seln bis Ge-quasel(s) (Bd. 6, Sp. 1299 bis 1301) []
  7. quas­seln bis quas­ten­be­han­gen (Bd. 13, Sp. 2329 bis 2331) []