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Deut­scher Slang à la 1892 (30)

Im Mosa­ik mei­ner Bemü­hun­gen, ein Bild des­sen zu ver­mit­teln, was wir – heu­te und his­to­risch – als »Slang« bezeich­nen, möch­te ich hier eine der ers­ten Samm­lun­gen vor­stel­len, die – nach eng­li­schem Vor­bild – unter die­sem Begriff für die deut­sche Spra­che zusam­men­ge­tra­gen wur­den. Die Ein­lei­tung die­ser Samm­lung ist eben­so inter­es­sant wie auf­schluss­reich. Sie ist außer­dem einer der ers­ten Bele­ge für die Aner­kennt­nis einer gesamt­deut­schen Umgangs­spra­che, an die wir im Augen­blick, dank des Inter­nets, in rasen­dem Tem­po letz­te Hand anzu­le­gen schei­nen. Ich per­sön­lich neh­me das Fol­gen­de als ers­tes Kapi­tel mei­ner Mis­si­on, mehr Umgangs­spra­che aus allen deut­schen Gegen­den bei der Über­set­zung aus Fremd­spra­chen zu verwenden.

Das Vor­wort zu Arnold Gen­thes, Deut­sches Slang habe ich bereits hier vor­ge­stellt. Ich möch­te im Lau­fe der nächs­ten Zeit die Samm­lung selbst vor­stel­len. Inter­es­sant dabei ist, dass Gen­the 1892 kaum ein Wort bzw. eine Wen­dung bringt, die wir nicht auch heu­te noch als soli­des Umgangs­deutsch bezeich­nen wür­den. Um der Samm­lung etwas mehr Gewicht zu geben, wer­de ich den einen oder ande­ren Ein­trag durch einen Blick in ande­re Wör­ter­bü­cher oder ins Inter­net aus­füh­ren bzw. kom­men­tie­ren. Das kann durch­aus dau­ern, schließ­lich muß ich das in Frak­tur gehal­te­ne Bänd­chen müh­sam abtip­pen, lässt sich aller­dings beschleu­ni­gen, wenn die Leser hier Inter­es­se an den ein­schlä­gi­gen Sei­ten haben… 

Fort­set­zung von hier.

schnei­den — Schnurr­pfei­fe­rei­en 55

schnei­den, v, tr., l. Red.: jem. die Cour schnei­den = den Hof machen; 2. v. refl., sich ver­rech­nen, sich in sei­nen Erwar­tun­gen getäuscht sehen, z. B.: wenn du dach­test, ich wür­de dir hel­fen, so hast du dich geschnitten.

Schnei­der, m., Red.: l. frie­ren wie ein Schnei­der = sehr frie­ren; 2. sie ist aus den, Schnei­der = über 30 Jah­re alt (vom Skat­spiel ent­nom­men); aus den, höhern Schnei­der sein = bedeu­tend über 30 Jah­re alt sein.

Schnick­schnack, m., Unsinn, bes. in abwei­sen­den Ent­geg­nun­gen ach was, Schnick­schnack! = dar­aus wird nichts etc.

Schnie­pel, m., Frack.

Schnip­sel m., Schnit­zel, Span, z. B.: Papier­schnip­sel, schnip­seln, v. tr., in klei­ne Stü­cke schnei­den, s. abschnip­seln, v. tr.

Schnitt, m., 1. klei­nes Glas Bier; 2. Red.: einen Schnitt machen = einen Gewinn, ein gutes Geschäft machen.

schnod­de­rig, a., frech, bes. ‚schnod­de­ri­ge« Redens­ar­ten; Schnod­de­rig­keit, f., Frech­heit, bes. beim Antworten.

schnopen, v. tr., Süßig­kei­ten naschen.

schnor­pfen, v. int., bezeich­net einen schar­fen, schnar­ren­den oder knis­tern­den Ton, wie er ent­steht z. B. bei Zer­kau­en von scharf Geba­cke­nen, Zucker oder beim Gehen auf fes­tem Schnee.

schnor­ren, v. int., bet­teln; Schnor­rer, m., Bettler.

Schnucks, m., Schmei­chel­wort (bes. für klei­ne Kinder)

schnüf­feln, v. int., her­um rie­chen, oft und viel rie­chen, die Nase über­all haben, spio­nie­ren; s. rum­schnüf­feln, v. int.

schnup­pe, adv.. gleich­gül­tig einer­lei, z. B.: das ist mir gänz­lich schnup­pe = ganz einer­lei, ganz egal.

Etwas erstaunt dar­über, dass die­ses immer noch kein biss­chen ange­staub­te Adjek­tiv »schnup­pe« schon so alt sein soll­te, habe ich mal nach­ge­schla­gen – und fest­ge­stellt, dass es noch viel älter ist. Was frei­lich nicht wei­ter ver­wun­dern muss, wenn man sieht, woher es kommt, näm­lich von der »Schnup­pe«, dem ver­kohl­ten und beim »Put­zen des Lichts« abge­schnit­te­nen ver­kohl­ten Stück Lam­pen­docht sowie dem beim »Nase­put­zen Aus­ge­schneuz­ten«.1 Dass die Wen­dung »das ist mir schnup­pe« Anfang des 19. Jahr­hun­derts bereits in Ber­lin auf­kam, ist wie­der mal ein schla­gen­der Beleg für mein Argu­ment, sich doch mehr in deut­schen Lan­den umzu­se­hen, wenn es um pas­sen­de Lösun­gen beim Über­set­zen geht. Der Ein­wand, das sei ja wohl Dia­lekt, den ich mir die letz­ten vier­zig Jah­re über so oft vom Lek­to­rat anhö­ren muss­te, ist so irri­tie­rend wie in der Regel falsch. Er reflek­tiert ein­fach die Unkennt­nis des­sen, der sich an einem Wort, an einer Wen­dung stößt, die er nicht kennt. Und ja doch, nicht sel­ten ist an die­sem Lek­to­ren­ein­wand inso­fern was dran, als das Wort tat­säch­lich mal Dia­lekt war – vor 150 Jah­ren! Dass man nach­schla­gen könn­te, bevor man eine Über­set­zung auf sei­nen ganz per­sön­li­chen klei­nen Nen­ner zusam­men­streicht, sei hier nur neben­bei erwähnt. Mir geht es nur dar­um, mei­ne alte Lei­er zu wie­der­ho­len: das Deut­sche hat so vie­le abso­lut tref­fen­de Wör­ter und Wen­dun­gen, die haar­ge­nau auf das pas­sen, was in der Spra­che, aus der über­setzt wird, gemeint ist; man muss sich nur umse­hen. Nicht nur wird man fest­stel­len, dass Vie­les wei­ter ver­brei­tet ist als ange­nom­men, man dürf­te auch fest­stel­len, dass die­se Wör­ter und Wen­dun­gen, sofern sie den Nagel auf den Kopf tref­fen, sich auch rasch ver­brei­ten, sofern sie tat­säch­lich noch nicht bun­des­weit bekannt sein soll­ten. Ich wer­de das dem­nächst noch mal unab­hän­gig von Arnold Gen­thes Buch an dem net­ten klei­nen Wört­chen »But­ze« demons­trie­ren, das eine so tref­fen­de Über­set­zung für das ame­ri­ka­ni­sche »crib« wäre – wenn man es nur an einem beschränk­ten Lek­to­rat vorbeibrächte …

Die Schnup­pe, plur. die ‑n, der aus­ge­brann­te Docht von einem Lich­te, wel­cher abge­schnup­pet wird, oder abge­schnup­pet wor­den; die Licht­schnup­pe, Nie­ders. der Ösel. S. 2 Schnup­pen.2

Schnup­pen, verb. reg. act. et neu­tr. wie 2 Schnup­fen, sie­he das­sel­be. In eini­gen Gegen­den, beson­ders Ober-Deutsch­lan­des bedeu­tet es auch das Licht put­zen; ent­we­der als eine eige­ne Ono­ma­to­pö­ie, oder auch nach eben der Figur, nach wel­cher auch schnäut­zen in die­sem Ver­stan­de gebraucht wird, S. das­sel­be.2

schnup­pe, f. ver­kohl­ter abfall vom doch­te eines lich­tes, einer lam­pe. die ver­kohl­ten thei­le wer­den mit der licht­putz­sche­re abge­nom­men, das heiszt ein licht schnup­fen, schnup­pen (sie­he schnup­fen, verb. 1); hier­von abge­lei­tet die schnup­pe: mun­ge­re, abe nemen dye snu­pen Dief. 371c; daher heis­zen eini­ge noch das abge­but­z­te vom licht die schnup­pe. Frisch 2, 217a, licht­schnup­pe Ade­lung; 3

schnup­pe … in mit­tel­deut­schen gegen­den üblich ist die wen­dung: es ist mir schnup­pe, es ist mir gleich­gil­tig Jecht 98b. Klee­mann 20a. Albrecht 205b. schnup­pe im sin­ne von schlap­pe nach­ge­wie­sen bei Gom­bert anmerk. u. erg. zu Weig­an­ds wör­terb. fort­set­zung (1877) 15;3

schnup­pern, v. int., rie­chen, her­um­rie­chen, s. beschnup­pern, v. tr.

Schnurr­pfei­fe­rei­en, pl., unnüt­ze Klei­nig­kei­ten, Nippsachen

56 Schnu­te – schwabbelig

Schnu­te, f., Mund; Schnut­chen n., Kose­wort für klei­ne Mädchen.

schön, adv., sehr etc., bes. ich wer­de mich schön hüten.

sch­ofel, a., schlecht, schä­big, gemein, erbärm­lich (von Per­so­nen und Sachen).

schra­pen. v. int., mit fes­ten, Druck abkrat­zen, s. abschra­pen, v. tr.

Schrau­be. f., 1. alte Schrau­be = altes Frau­en­zim­mer; 2. Red.: bei jem. ist eine Schrau­be los = er ist nicht ganz bei Verstand.

Schrei­be­brief, m. Brief.

schrumm, interj., fer­tig! basta!

Schrum­pel, f., Run­zel, Fal­te; schrum­ep­lig, a., fal­tig; s. ein­schrum­peln, v. int., ver­schrum­peln, v. int.; zusam­men­schrum­peln, v. int.

schuf­ten, v. int., arbeiten.

schum­meln, v. int., betrü­gen; beschum­meln, v. tr. (s. d.).

schum­me­rig, a., dämmerig

Schund, m., schlech­te Waare.

schun­keln, v. int., schau­keln, bes. vom Schiff auf dem Wasser.

schupp! interj., schall­nach­ah­mend zur Bezeich­nung eines schnel­len Ruckes, Sprun­ges etc., z. B., schupp, war er raus; mit einem Schupp = mit einen, Mal, in einen, Zuge etc.

Schupps, m., schie­ben­der Stoß; schupp­sen, v. tr., sto­ßen, puffen.

schur­ren, v. int., schar­ren, mit den Füßen.

Schus­sel, m., unor­dent­li­cher Mensch; schus­se­lig, a., unor­dent­lich, gedankenlos.

Schuß, m., Red.: im Schuß = in Eile, im Eifer.

schus­tern, v. tr., ver­fer­ti­gen, fabri­zi­ren, bes. sich etw. zurecht schus­tern = sich etto. zurecht machen, repa­rie­ren etc.

schwab­be­lig, a., zit­te­rig, von fet­ten, wei­chen Gegen­stän­den; schwab­beln, v. int., zittern.

[Sei­te 57]

  1. Sie­he hier­zu auch mei­nen Bei­trag zu Schnod­der. []
  2. Gram­ma­tisch-Kri­ti­sches Wör­ter­buch der Hoch­deut­schen Mund­art (Aus­ga­be letz­ter Hand, Leip­zig 1793–1801), digi­ta­li­sier­te Fas­sung im Wör­ter­buch­netz des Trier Cen­ter for Digi­tal Huma­ni­ties, Ver­si­on 01/21, <https://www.woerterbuchnetz.de/Adelung>, abge­ru­fen am 22.04.2021. [] []
  3. Deut­sches Wör­ter­buch von Jacob Grimm und Wil­helm Grimm, digi­ta­li­sier­te Fas­sung im Wör­ter­buch­netz des Trier Cen­ter for Digi­tal Huma­ni­ties, Ver­si­on 01/21, <https://www.woerterbuchnetz.de/DWB>, abge­ru­fen am 22.04.2021. [] []

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