SlangGuy's Blog ...

Deut­scher Slang à la 1892 (33)

Im Mosa­ik mei­ner Bemü­hun­gen, ein Bild des­sen zu ver­mit­teln, was wir – heu­te und his­to­risch – als »Slang« bezeich­nen, habe ich hier eine der ers­ten Samm­lun­gen gestellt, die – nach eng­li­schem Vor­bild – unter die­sem Begriff für die deut­sche Spra­che zusam­men­ge­tra­gen wur­den. Die Ein­lei­tung zu die­ser Samm­lung ist eben­so inter­es­sant wie auf­schluss­reich, ist sie doch einer der ers­ten Bele­ge für die Aner­kennt­nis einer gesamt­deut­schen Umgangs­spra­che, an die wir im Augen­blick, dank des Inter­nets, in rasen­dem Tem­po letz­te Hand anzu­le­gen schei­nen. Ich per­sön­lich sehe das Fol­gen­de als wei­te­res Kapi­tel mei­ner Mis­si­on, mehr Umgangs­spra­che aus allen deut­schen Gegen­den bei der Über­set­zung aus Fremd­spra­chen zu verwenden. 

Das Vor­wort zu Arnold Gen­thes, Deut­sches Slang habe ich bereits hier vor­ge­stellt. Inter­es­sant ist, dass Gen­the 1892 kaum ein Wort bzw. eine Wen­dung bringt, die wir nicht auch heu­te noch als soli­des Umgangs­deutsch bezeich­nen wür­den. Um der Samm­lung etwas mehr Gewicht zu geben, möch­te ich den einen oder ande­ren Ein­trag durch einen Blick in ande­re Wör­ter­bü­cher oder ins Inter­net aus­füh­ren bzw. kommentieren.

stie­feln — stru­we­lig. 61

stie­feln, v. int., (auch stie­beln), gehen.
stie­bit­zen, v. tr., jem. heim­lich etw. weg­neh­men.
Stift, m., Kell­ner­lehr­ling.
Stin­ka­do­res, f., gebräuch­lichs­te der zahl­rei­chen Bezeich­nun­gen für eine schlech­te Cigar­re.
stip­pen, v. tr., tau­chen, ein­tun­ken, z. B. von Bröd­chen etc. das man in den Kaf­fee taucht, s. ein­stip­pen, v. tr.
Stipp­vi­si­te, f., kur­zer Besuch.
Stoff, m., kurz­weg für Bier.
stökern, v. int., sto­chern, mit einem Stock, einer Stan­ge sto­ßen, schla­gen etc.
Stöp­sel, m., klei­ner, dicker Mensch.
stramm, a., kräf­tig, wohl­ge­baut, 3. B.: ein stram­mer Kerl.
stram­peln, v. int., mit den Bei­nen hef­ti­ge Bewe­gun­gen machen.
stramp­fen, v. tr., jem. heim­lich etw. weg­neh­men.
stre­ben, v. int., ener­gisch arbei­ten, bes. für’s Examen.
Streit­ham­mel, m., streit­süch­ti­ger Mensch.
Stre­mel, m., klei­nes Stück, Weil­chen; jem. einen Stre­mel beglei­ten; einen Stre­mel mit jem. reden.
Strich, m., Red.: jem. auf dem Strich haben — gegen jem. einen Groll hegen.
Strick, m., durch­trie­be­ner Mensch.
striet­zen, v. tr., jem. heim­lich etw. weg­neh­men.
Striet­zi, m., gecken­haf­ter Bumm­ler.
Strip­pe, f., Bind­fa­den.
Stroh­sack, m., in Aus­ru­fen des Erstau­nens, Aer­gers etc.: hei­li­ger Stroh­sack! gerech­ter Stroh­sack!
Stroh­witt­we, f., eine Frau, deren Mann ver­reist ist, und dem ent­spre­chend Stroh­witt­wer, m.
stru­we­lig, a., strup­pig, unge­bürs­tet und unge­kämmt (Stru­wel­kopf, Stru­wel­pe­ter).

62 stu­ckern — tapern. 

stu­ckern, v. int., sto­ßen­de, erschüt­tern­de Bewe­gun­gen ver­ur­sa­chen, z. B.: ein Wagen, der über schlech­tes Pflas­ter fahrt, stu­ckert.
Stu­den­ten­fut­ter, n., Trau­ben­ro­si­nen und Knack­man­deln.
Stul­le,. f., But­ter­brot.
Stum­mel, m., Ende einer Cigar­re, eines Lich­tes etc.
stum­pen, v. tr., jem. sto­ßen, ihm mit dem Fuß einen Stoß ver­set­zen.
Stumpf­sinn, m., (kon­kret u. abs­trakt) lang­wei­li­ge Sache, Unter­neh­men; phleg­ma­ti­sche Stim­mung; stumpf­sin­nig, a., lang­wei­lig (von Per­so­nen und Sachen); Stumpf­bolt, m., lang­wei­li­ger Mensch, s. rum­stump­fen, v. int.

 

Es ist immer wie­der erstaun­lich, wie alt heu­te so all­täg­li­che Wör­ter schon sind. So schreibt zu »Stumpf­sinn« das von den Gebrü­dern Grimm ange­sto­ße­ne Wör­ter­buch der deut­schen Spra­che:

stumpf­sinn, m. , ’stumpf­sin­nig­keit’, seit ende des 18. jh., rück­ge­bil­det aus stumpf­sin­nig, eben­so wie scharf­sinn; vgl. das älte­re stumpf­sin­nig­keit.
1) eigen­schaft, hal­tung oder zustand des men­schen im sin­ne von ‘geis­tes­schwä­che, fühl­lo­sig­keit’, stumpf­heit und stump­fer sinn nahe­zu ent­spre­chend: die­sen kei­nes­wegs scharf­sinn, son­dern den aller­höchs­ten grad des stumpf­sinns ver­ra­t­hen­den skep­ti­cis­mus Fich­te 5, 554;
grosz sind des ber­ges kräf­te;
da wirkt natur so über­mäch­tig frei,
der pfaf­fen stumpf­sinn schilt es zau­be­rei
Göthe 15, 1, 264 W.;
oft über das intellec­tu­el­le hin­aus­grei­fend:
der muth dem löwen gab
und blei­na­tur und stumpf­sinn dem unbe­holf­nen aï
Lava­ter phy­siogn. fragm. 2, 290;
…  per­so­ni­fi­ziert: der stumpf­sinn könn­te an einer lei­che noch zum den­ker wer­den Rau­pach dram. w. erns­ter g. 1055;
2) abs­trac­ter als für sich selbst bestehen­der zustand: möch­te die­ser … ver­lust nicht ver­mehrt wer­den durch den herr­schen­den stumpf­sinn Fr. Schle­gel dtsches muse­um 2, 363; modern in noch stär­ke­rer los­lö­sung von einem sub­ject als trä­ger: die vier vor­her­ge­gan­ge­nen jah­re in dem fabrik­nest, welch täg­lich wie­der­keh­ren­der stumpf­sinn Voigt-Diede­richs ring um Rod. (1929) 23.
3) ver­ein­zelt ablei­tun­gen: stumpf­sinn­ar­tig, adj., ’stumpf­sin­nig’: wie es bei der all­ge­mei­nen stumpf­sinn­ar­ti­gen stim­mung nicht anders zu erwar­ten war Hoff­mann v. Fal­lers­le­ben ges. schr. 8, 45. —1

stup­sen, v. tr., sto­ßen.
Stups­na­se, f., Stumpf­na­se.
Stuß, m., (kon­kret u. abs­trakt) Unsinn, Scherz

»Stuß« kommt aus dem jidd. bzw. laut Mey­ers Gro­ßem Kon­ver­sa­ti­ons­le­xi­kon aus dem Hebräischen: 

Stuß (Schtuß, hebr.), Tor­heit, Narr­heit; Albern­heit.2

Der bewähr­te alte Küp­per schreibt dazu: 

Stuß m 1. lee­res Gere­de; Unsinn; Dumm­heit, Tor­heit. Fußt auf jidd »schtus = Narr­heit, Tor­heit, Unsinn«. Auf­ge­kom­men in der ers­ten Hälf­te des 18. Jh., rotw und stud.3

Küp­per führt außer­dem, fol­gen­de wun­der­ba­re Ablei­tun­gen in der Bedeu­tung »Unsinn« auf: »Stuß mit Fran­sen«, »gedie­ge­ner Stuß«. »höhe­rer Stuß« und »verdrall­ter Stuß«

suckeln, v. int., sau­gen.
Suff, m., I. Trunk­sucht; 2. über­haupt das Trin­ken: Stil­ler Suff.
Süf­fel, m., Säu­fer.
süf­fig, a., leicht und ange­nehm zu trin­ken.
Summs, m., über­flüs­si­ges Reden, Wort­schwall. unwill­lom­me­ne Rede: Mach’ doch kei­nen Summs!
sump­fen, v. int., mil­der Aus­druck für lie­der­lich, locker leben, s. rumsump­fen, v. int. und ver­sump­fen, v. int.; Sumpf­huhn, n., unso­li­der Mensch.
süß, a., Kose­wort für alle mög­li­chen Din­ge: Was für ein süßes Kind! ein süßes Kleid etc.
Süß­holz, a., Red.: Süß­holz ras­peln = schö­ne Redens­ar­ten machen, jem. den Hof machen.

tapern, v. int., unge­schick­te, unbe­hol­fe­ne Bewe­gun­gen machen; tape­rig, a., unbe­hilf­lich; Taper­greis, m., alter, schwa­cher Mensch; Taper­mi­chel, m. etc.

  1. Deut­sches Wör­ter­buch von Jacob Grimm und Wil­helm Grimm, digi­ta­li­sier­te Fas­sung im Wör­ter­buch­netz des Trier Cen­ter for Digi­tal Huma­ni­ties, Ver­si­on 01/21, <https://www.woerterbuchnetz.de/DWB> []
  2. Mey­ers Gro­ßes Kon­ver­sa­ti­ons­le­xi­kon (6. Auf­la­ge, 1905–1909), digi­ta­li­sier­te Fas­sung im Wör­ter­buch­netz des Trier Cen­ter for Digi­tal Huma­ni­ties []
  3. Wör­ter­buch: Stuß. Wör­ter­buch der deut­schen Umgangs­spra­che, vgl. Küp­per-WddU, S. 815) © Mari­an­ne Küp­per] []

Schreibe einen Kommentar