Die einzige Möglichkeit, dem Wildwuchs bis zur Unverständlichkeit lausiger Übersetzungen, vor allem aus dem Englischen, zu begegnen wäre womöglich, die Sünder auf ihren Mist bzw. ihre Inkompetenz aufmerksam zu machen, um nicht zu sagen bloßzustellen. Zumal Leute, die wir alle monatlich in Form von Rundfunkgebühren für anständige Arbeit bezahlen. Ich schicke das vorweg, weil ich den Artikel zu »Übersetzungen« auf den Websites von ARD und ZDF »im Ärger über meinen Zorn« – ja, doch, so ist das gemeint! – ob des heutigen Funds erst mal hintangestellt habe.
Ich weiß, ich beende meine Tage als Übersetzer in Zeiten, in denen man mir verlagsseitig das Adverb »allenthalben« als »bayerisch« aus dem Manuskript streicht und gleich darauf »ins Web gestellte Falschinformationen« durch »fälschlicherweise ins Web gestellte Informationen ersetzt«. In einem Buch über Putins Trolle, Pardon, »Armee der Trolle« – überhaupt: »Armee der Trolle!« Ich meine: Geht’s noch? Wie wär’s mit der »Armee des Heils«?
Ich weiß, ich stehe schon insofern allein auf weiter Flur, als ich immer häufiger zahlende Kundschaft verliere, weil ich mich nach wie vor schlicht weigere, bei Übersetzungen von Büchern und Artikeln, Autoren1 mitsamt ihrer Sprache vergewaltigend, auf ein »Easy-Reader«-Deutsch à la Kletts (für ihre Zwecke durchaus vorzügliche, verstehen Sie mich nicht falsch!) Überarbeitungen fremdsprachiger Literatur herabzuwürdigen oder, anders gesagt, auf ein Sprachniveau zu zerren, das nicht nur für jeden zeitungslesenden Menschen beleidigend ist, sondern zunehmend noch nicht mal mehr zu verstehen.
Und falls Sie jetzt bei diesem simplen Sätzchen das Handtuch geworfen haben, gehen Sie, ich möchte Sie hier auf meiner – zugegeben zunehmend grantigen – kleinen Website nicht mehr sehen! Gehen Sie irgendwohin, wo oben »Lesezeit: 3 Minuten« drübersteht!
Oder sehen Sie mal ein paar Minuten davon ab, mit einem Auge nach den Likes auf Ihrem Handy zu schielen, und versuchen sich auf Gesagtes oder – in diesem Falle – Gelesenes zu konzentrieren.
Nicht mehr zu verstehen?
Nun, ich bin alt, ich habe zunehmend Schwierigkeiten, bei der Sache zu bleiben, und selbst für das Kreuzworträtsel in der jüngsten Programmbeilage der Süddeutschen habe ich drei Tage gebraucht,2 aber wenn ich eine Zeitung, ein Magazin aufschlage und sich mir der Sinn des dort Gelesenen, wenn schon nicht ums Verrecken entzieht, so doch erst nach mehrmaligem Hinsehen erschließen will, dann erfüllt die Sprache dort eben nicht ihren Sinn.
Sehen Sie mal folgendes Beispiel von heute aus meinem durchaus geschätzten Stern:
»Susan Hussey habe ihr Haar bewegt« … Sorry, aber wer hat da wessen Haar bewegt? Oder nein, was in aller Welt heißt denn das überhaupt: »sein / js Haar bewegen«?
So leid’s mir tut, aber beide Möglichkeiten, die sich hier anbieten, würde ich nicht einmal einem – heutigen – Erstklässler unterstellen: »Ich habe mein Haar bewegt.« oder »Sie hat mein Haar bewegt«?
Natürlich kann ich ahnen, was gemeint ist – so wie ich ahnen kann, was irgendeine Dumpfbacke meint, wenn sie etwas »realisiert« oder »herunterbricht.«
Also möchte ich Ihre Zeit hier auch erst gar nicht mit anal-retentiven Permutationen – sprich Psychospielchen – verschwenden. Natürlich weiß ich, wenn auch erst nach wiederholtem Hinsehen3, wer hier was »bewegt« hat. Aber ist das wirklich Deutsch? Oder besser: Warum nicht einfach sagen, was gemeint ist? Dann bräuchte auch niemand dreimal hinschauen. Aber bei aller Grantigkeit, mein Interesse ist geweckt. Und es wäre ja beileibe nicht das erste Mal, dass ich was nicht weiß …
Wie so oft »zücke« ich per Kurztaste meine über alles geschätzte Digitale Bibliothek und gebe ein »bewegte mein Haar« in der Erwartung, wenigstens so etwas wie »der Wind bewegte mein Haar« zu finden. Nichts. Sehen Sie selbst:
Das sind Tausende von Werken deutscher bzw. Übersetzungen fremdsprachiger Literatur! Denn doch ziemlich erstaunt, gebe ich ein: »bewegte ihr Haar«. Nichts. Und dann noch: »bewegte sein Haar«. Nüscht, Nullinger, nada!
Spätestens jetzt wird mir klar, dass das wieder mal einer meiner weißen Wale zu werden droht, mit denen ich nun wirklich niemanden belästigen möchte, also versuche ich es, bevor ich es gut sein lasse, rasch noch mal in die Richtung, in der ich mich übersetzungstechnisch bewegt hätte: »strich ihr das Haar«.
Okay, da beginnt sich immerhin was zu »bewegen«:
Über das »frug« sind wir wohl seit einigen Lenzen hinweg …
Exkurs: So viel übrigens zu dem albernen Einwurf, Sprache verändere sich nun mal, den ich selbst schon von Kollegen gehört habe. Mir ist in meinen 70 Jahren noch nicht aufgefallen, dass wir nicht mehr wie Walter von der Vogelweide einhersabbeln? Aber dass eine Sprache sich nach den Ergebnissen amateurhafter bis beschissener Übersetzungen zu entwickeln beginnt? Oder anders gesagt, nach den Maßgaben von Leuten, die zu dumm oder schlicht zu faul sind, in einem Wörterbuch nachzugucken? Die in allen Fällen die erste, an der Grundschule gelernte »Bedeutung« hernehmen und diese auf alles draufballern, was ihnen vor die Flinte kommt?4 Nu hört aber auf!
… aber »strich ihr das Haar von der feuchten Stirn«? Ist das nicht schlicht schön? Ich meine »schön und schlicht«? Und für jeden verständlich. Selbst für eine Kalkleiste wie mich.
Wie auch immer: Kein Aas scheint in unserem Sprachraum je ein Haar bewegt zu haben. Jemandem eines gekrümmt vielleicht …
Ich probier’s noch der Vollständigkeit halber mit »schob mir / ihr / sein Haar«, aber ebenfalls ohne Erfolg. Hätt’ ich mir durchaus vorstellen können, lautet doch das hier ins Deutsche gezerrte Originalzitat: »10 min[ute]s after arriving, a member of staff, Lady SH, approached me, moved my hair to see my name badge«. Klarer geht’s doch wohl nicht: langes Haar, besagte anstößige Hofdame streicht der »Klägerin« das lange Haar vom Namensschild auf der Brust.
Dass es »sei« heißen müsste, wenn zuvor »habe« steht, sei hier nur am Rande erwähnt. Ebenso wie das »unterstützen«, das auch so ein dämliches5 Problemwort ist, dessen Wildwuchs dem des Japanischen Staudenknöterichs gleicht:
Wie wär’s denn in diesem Fall mit »zur Seite stehen«? Ich mein’ ja nur, man könnte vielleicht ja auch mal ein bisschen mitdenken beim Übersetzen, überlegen, was da gemeint ist, zumal wenn man dafür bezahlt wird. Fast wundert es mich, hier nicht auch schon »supporten« zu sehen.
Um es kurz zu machen, schließlich hab’ ich hier wieder mal fast eine halbe Stunde meines Lebens mit diesem leidigen Thema verplempert: Alles, was ich möchte ist, morgens die Zeitung (in welcher Form auch immer) aufzuschlagen und mich nur über die üblichen Verdächtigen – die Psychopathen in Moskau, Teheran, Kabul oder Peking – ärgern zu müssen, nicht über mehr oder weniger wörtlich aus dem Englischen in eine Art Deutsch gezerrte Sätze, bei denen ich erst mal über den Wortlaut stolpere, bevor ich zum Nachdenken darüber komme, was ich da nun eigentlich erfahren soll. Ob ich nun dafür bezahle oder nicht.
- nein, nicht »Autoren und Autorinnen«, wie es einem ein politisch so pseudokorrekter wie linguistisch behinderter Mob verblendeter Sprachkosmetiker aufzuzwingen versucht wie die Mullahs unwilligen Frauen das verdammte von Gott verordnete Feudel. Ist auch nur einem der Menschen, Frauen wie Kinder, die derzeit im Iran totgeschlagen werden, damit geholfen? Auch nur einem aus der vergewaltigten ukrainischen Bevölkerung? Auch nur einer Kurdin? Einer Afghanin? [↩]
- und mir fehlt immer noch der Kitzbühler Alpenpass und das Lederzentrum auf Malle, die mir beide vor einiger Zeit vermutlich noch eingefallen wären. Und nein: ich werde nicht spicken, herrgottnochmal! Ich ärgere mich nun mal lieber. [↩]
- Deutsch die Sprache der Philosophen und der Präzision? Am Arsch die Räuber! [↩]
- Ob es wohl mit dem zuenehmenden Verschwinden differenzierter Betrachtungsweisen zu tun hat? [↩]
- und nein, »dämlich« hat nichts mit Dame zu tun [↩]